Flugzeugtriebwerk-Hersteller in Aufruhr

Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH
Veröffentlicht von Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH am 09.03.2016
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Aktionärsbrief

Auslöser war der Vorstoß des US-Mischkonzerns Honeywell, der 91 Mrd. $ für die Übernahme des größeren Wettbewerbers United Technologies geboten hat. Das Angebot scheiterte aber am Veto von UT. Dennoch sorgte die angedachte Akquisiton für einige Unruhe. Denn wäre das Vorhaben gelungen, gäbe es einen Zusammenschluss von zwei großen Zulieferern von Boeing und Airbus. Das hätte die Hersteller von Flugzeugtriebwerken, die sich in einer oligopolistischen Nische mit äußerst einträglichen Margen eingerichtet haben, deutlich unter Druck gebracht. Denn das aus Honeywell und United Technologies fusionierte Unternehmen hätte eine Marktkapitalisierung von 160 Mrd. $ auf die Waage gebracht. Dies hätte die Branche komplett umgekrempelt. Honeywell könnte Bordelektronik Komponenten, Hilfstriebwerke sowie Heiz- und Kühlsysteme beisteuern, während United Technologies über die Tochtergesellschaft Pratt & Whitney den technologisch hochkomplexen Triebwerksbau beigetragen hätte. Die schiere Größe des neuen Unternehmens hätte aber auf jeden Fall auch die Wettbewerbshüter auf den Plan gerufen. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass der Deal ohne Weiteres durchgewunken worden wäre.


Dennoch hat das aggressive Vorgehen Honeywells bleibenden Eindruck in der Branche hinterlassen. Der Markt wird maßgeblich von sechs Herstellern weltweit bestritten, wobei die zwei kleinsten Anbieter gegenüber den größeren vier umsatzmäßig schon sehr deutlich abfallen. Verständlicherweise haben die Branchenvertreter nicht gerade amüsiert auf den geplanten Zusammenschluss reagiert. So hat Airbus-Chef Tom Enders seine Ablehnung mit klaren Worten formuliert. Damit dürfte er bei seinen Wettbewerbern offene Türen eingerannt haben, denn man steht nicht nur im Wettbewerb, sondern über Produktionskonsortien ist man oft auch Partner. Ein Zusammengehen von Honeywell und United Technologies hätte diese langjährigen Partnerschaften massiv erschüttern können. Umso verständlicher, dass letztlich die Branchenvertreter aufgeatmet haben, als das Fusionsvorhaben gescheitert war. Beispielsweise MTU AERO ENGINES (WKN: A0D 9PT; 83,04 €). Das Unternehmen plant, die Produktionspartnerschaft mit den beiden großen US-Triebwerksherstellern schrittweise auszubauen. Dieser Plan wäre ernsthaft gefährdet gewesen, wäre die Fusion gelungen.

Die Branche der Flugzeugmotoren-Hersteller floriert nachhaltig. Der Flugverkehr legt per saldo immer weiter zu. Die Nachfrage steigt, wozu Billigflieger ihren Teil beigetragen haben. Zyklische Abschwünge oder sogar Einbrüche, wie z.B. nach der Finanzkrise 2008, sind normal und auch in anderen Branchen nichts Ungewöhnliches. Die Einbußen werden in den darauffolgenden Aufschwungphasen stets wieder mehr als kompensiert. Die Auftragsbücher der Triebwerkshersteller sind voll, die Produktionskapazitäten auf Jahre hinweg ausgelastet. Paradox ist aber: Das Großseriengeschäft mit Flugzeugmotoren ist kaum profitabel. Grund dafür sind hohe Entwicklungs- und Anlaufkosten für jedes neue Triebwerksmodell. Der eigentliche Gewinnbringer und Cash-Cows ist dagegen das Wartungs- und Ersatzteilgeschäft, das deutlich höhere Margen aufweist.

Die stetig wachsende Nachfrage und die oligopolistische Anbieterstruktur sorgt für nachhaltig auskömmliche Gewinne. Tatsächlich läuft das Geschäft besser als je zuvor. Auch dadurch, dass die Hersteller ihre Geschäftsmodelle mehr auf den Dienstleistungsbereich, wie z.B. Reparatur- und Wartungsarbeiten, ausrichten. Der initiale Verkauf von Flugzeugtriebwerken wird damit immer mehr zu einem Marketing-Instrument, das eine Kette von - weitaus einträglicheren - Dienstleistungsaufträgen nach sich zieht und auf diese Weise auch die Kundenbindung massiv erhöht. Das ist ungefähr vergleichbar mit Amazon, die ihr Ebook-Lesegerät Kindle mehr oder weniger zum Selbstkostenpreis verkaufen, um den Bücherverkauf anzukurbeln.

Die operative Marge im Flugzeugmotorengeschäft ist überdurchschnittlich hoch. 2015 lag sie bei durchschnittlich 10 %. Im Flugzeugbau rangiert sie auf deutlich niedrigerem Niveau. Bei Boeing betrug sie im letzten Jahr 7,8 %, während sie bei Airbus gar nur bei 5 % lag.

Einer Megafusion zwischen Honeywell und United Technologies wären die Wettbewerber eher hilflos ausgeliefert gewesen. Denn sie könnten nicht auf Augenhöhe reagieren, ohne die Kartellwächter auf den Plan zu rufen. Deswegen ist derzeit auch keiner der Branchenvertreter auf Partnersuche. ROLLS ROYCE (WKN: A1H 81L; 722 p) beispielsweise kann es sich wegen seiner Probleme im Marinegeschäft derzeit überhaupt nicht leisten, eine solche neue Baustelle aufzumachen.

Derzeit sind in der Branche eher kleinere bis mittlere Übernahmen in Mode. Großakquisitionen sind momentan tabu. Die letzte größere Transaktion ging Ende 2012 über die Bühne, als Branchenplatzhirsch GENERAL ELECTRIC (WKN: 851 144; 30,22 $) für 3,3 Mrd. € vom Finanzinvestor Cinven und dem Rüstungsunternehmen Finmeccanica das Triebwerksgeschäft der italienischen Avio-Gruppe übernahm. Damit konnte sich GE Aviation insbesondere in Westeuropa verstärken. Nur einige Monate vorher hatte der britische Zulieferer für die Automobil- und Flugzeugindustrie GKN die schwedische Volvo Aero übernommen.

Seit 2012 hat es in der Triebwerksindustrie keine M&A-Aktivitäten mehr gegeben. Frischen Wind könnte nun China in die Branche bringen. Erst kürzlich hatten es die Chinesen geschafft, wenn auch mit Know-how aus dem Westen, einen eigenen Jet für die Kurz- und Mittelstrecken auf den Markt zu bringen. Mit dem Flugzeugmodell will man zunächst vor allem den eigenen Markt bedienen. Dafür bedarf es aber auch eines eigenen Produzenten von Triebwerken. Da es sich um ein sehr forschungs- und kapitalintensives Geschäft handelt, werden hier wohl noch einige Jahre oder Jahrzehnte ins Land gehen, bevor man soweit ist. Wahrscheinlich geht man den entgegengesetzten Weg und kauft sich das entsprechende Know-how ein.

Fazit: Deshalb kommen die kleineren Adressen wie MTU AERO ENGINES oder GKN (WKN: 694 194; 292 p) ins Spiel. Sie gelten als Übernahmekandidaten und stellen deshalb eine sinnvolle Ergänzung eines diversifizierten Portfolios dar.
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