Fitbit - Physik der Skalierbarkeit vereitelt Belohnung des Erfolgs

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 05.05.2016
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

50% Wachstum werden mit einem KGV von 18 bewertet. Zu niedrig, wenn wir uns an typische KGVs der Technologiebranche halten. Aber Fitbit ist ein Hersteller von Gegenständen. Anders als Software lassen sich Gegenstände nicht kostenlos vervielfältigen. Jedes weitere Produkt kostet Geld und Investoren schauen sich an, wie viel Geld das kostet, legen eine einzelhandelsübliche Magre von 7-9% darauf und errechnen den Gewinn, den das Unternehmen in ferner Zukunft einmal erwirtschaften kann. Da spielt es keine Rolle, dass Fitbit heute mit einer Gewinnmarge (Brutto) von 46,6% unterwegs ist. Irgendwann wird der Wettbewerb Fitbits Margen in die Knie zwingen, davon sind Investoren überzeugt.


Fitbit als langfristige Investition?

Es fällt mir schwer, mich auf diese Betrachtungsweise einzulassen. Schon bei Apple habe ich über viele Jahre das überaus günstige KGV als Grund angeführt, in der Aktie investiert zu bleiben. Und tatsächlich ist die Apple-Aktie über die Jahre um mehrere hundert Prozent angesprungen, doch immer wieder gab es nach Quartalszahlen herbe Rückschläge. 

Will man Fitbit also mit Apple vergleichen (und nicht mit Birnen ;-), muss man überzeugt davon sein, dass sich die Fitbit-Geräte langfristig am Markt halten können und, anders als von Investoren erwartet, auch langfristig einen höheren Verkaufspreis erzielen werden, als Herstellungskosten plus 7-9%. Und zu dieser Überzeugung kann selbst ich mich nicht vollständig hinreißen lassen, obwohl ich von den Produkten begeistert bin und den Ansatz von CEO James Park gut finde. 

Denn Fitbit geht den Weg, den Apple-Gründer Steve Jobs gegangen wäre: Eine Armbanduhr mit nur einer zusätzlichen Funktion, dem Fitness-Tracking. Und diese Funktion wird sehr komfortabel gemacht, die Kunden sind überaus zufrieden (können Sie bspw. bei Amazons Rezensionen sehen). 

Expansion durch Produktvielfalt 

Sämtliches Geld, das er einnimmt, steckt Park in die Entwicklung neuer Produkte. Das erinnert mich an Jeff Bezos, CEO von Amazon, der auf dem Weg zur "Weltherrschaft" ebenfalls jeden Cent in die Expansion gesteckt hat und damit seine Anleger immer wieder vor den Kopf stieß. Damit wird dem kritischen Anleger das Bild vermittelt, dass Fitbit zwar erfolgreich Fitness Tracker verkaufen kann, aber nur deswegen, weil immer wieder sämtliche Gewinne reinvestiert werden müssen. Wenn das auf ewig so bleibt, wird niemals ein Gewinn für die Anleger abfallen, denn irgendwann werden ja auch die Gewinnmargen sinken, so die Befürchtung. 

Zahlen, Daten, Fakten

Hier ein paar Zahlen, die Fitbit Mittwoch Abend berichtete: Der Umsatz sprang um 50% auf 505 Mio. USD (erwartet wurden 444 Mio. USD), der Gewinn schoss auf 10 Cents je Aktie (erwartet wurden 3 Cents je Aktie). Super Zahlen, würde man auf den ersten Blick denken, doch dann kam der Ausblick: der Umsatz im laufenden Q2 werde bei 565-585 Mio. USD liegen, Analysten erwarteten nur 531 Mio. USD. Der Gewinn jedoch werde bei nur 8-11 Cents je Aktie liegen, und hier hatten Analysten 26 Cents je Aktie erwartet. 

vor drei Monaten hatte Park schon einmal das gleiche getan: Herausragende Zahlen des Weihnachtsquartals berichtet, dann aber die Messlatte für Q1 extrem niedrig aufgelegt. Diese niedrige Messlatte hat Fitbit nun locker übersprungen, doch gleichzeitig die Messlatte für das laufende Quartal erneut extrem niedrig aufgelegt. Die Unternehmensprognose für das Gesamtjahr 2016 beließ Park unverändert. 

Eigenwilliges Expectation Management

Underpromise and overdeliver - wenig versprechen und dann mehr liefern - heißt die Formel, mit der man eigentlich Analysten an der Wallstreet zufrieden stellt. Doch Park senkt die Erwartungen auf ein so niedriges Niveau, dass man es nicht mehr ernst nehmen kann. CFO Bill Zerella ergänzt, man investiere frühzeitig in diesem Jahr, um in der zweiten Jahreshälfte mit neuen Innovationen die Früchte zu ernten. Da steht nun wieder die Befürchtung im Raum, dass die in der zweiten Jahreshälfte geernteten Früchte umgehend wieder reinvestiert werden, bevor einmal ein Cent bei den Anlegern ankommt. 

Erfolgsdruck für Fitbit

So langsam verstehe ich den Druck, der auf einem so jungen Unternehmen lastet. Erfolgreiche Produkte müssen präsentiert werden, dürfen aber dem Wunsch der Anleger entsprechend keine Entwicklungskosten verschlingen. Das geht natürlich nicht und ein entsprechend leichtes Spiel haben Shortseller, die jegliche Erfolge eines solchen Unternehmens als kurzlebig herausstellen. Bäh, ich hatte nicht geahnt, auf was für ein Schlachtfeld wir uns mit dieser Aktie begeben. 

Machen wir das beste draus: Seit meiner Nachkaufempfehlung Anfang März war die Aktie von 11 auf 16 Euro gestiegen. Nach den Zahlen ist die Aktie gestern auf 12 Euro zurückgefallen. Es ist das erste mal, dass die Aktie nach einem Quartalsbericht nicht auf neue Tiefkurse abstürzt. Ich werte das als Bestätigung dafür, dass die Aktie inzwischen ein Bewertungsniveau erreicht hat, an dem selbst Bären nicht mehr viel auszusetzen haben. 

Wenn das Muster bestehen bleibt, dann sollte die Aktie in den kommenden drei Monaten sukzessive in Richtung 16 Euro klettern, vielleicht sogar ein wenig höher, um dann kritisch zu bewerten, ob der dann erfolgende Ausblick für die zweite Jahreshälfte den Ansprüchen der Anleger genügen wird. Wenn ich die Entwicklung mit Amazon vergleiche, dann würde die Aktie vier von fünfmal nach Quartalszahlen einbrechen, und einmal in den Himmel schießen, weil einmal eben nicht neue Investitionen angekündigt werden. Wann dieses eine mal sein wird, das weiß ich nicht. 

Wir "hätten" also vorgestern verkaufen sollen, doch mit "hätten" kommen wir an der Börse nicht weiter. Für das nächste mal wissen wir, dass wir unsere Disziplin walten lassen und egal wo die Aktie steht vor der Veröffentlichung der Zahlen die halbe Position verkaufen. Bis dahin werden wir uns wieder unzählige Erfolgsberichte aus dem Sportbereich durchlesen, unzählige Erfolgsgeschichten aus dem Gesundheitswesen, wo Fitbit inzwischen bei vielen klinischen Untersuchungen eingesetzt wird, durchlesen und unzählige Bedenken durchlesen, dass die Apple Watch, oder Produkte von Nike, Under Armour etc. Fitbit die Butter vom Brot nehmen werden. Dabei ist eigentlich nur eine Frage entscheidend: Wird es Fitbit gelingen, eine Markenloyalität aufzubauen, die langfristig einen Preisaufschlag wie bei Apple rechtfertigt? Und die Antwort auf diese Frage kennen wir heute noch nicht. Wir müssen am Ball bleiben.

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