Fitbit - Fitness-Tracker oder Fitness-Lebensstil?

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 31.03.2016
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Heibel-Ticker Börsenbrief

Einen Pulsmesser, Schrittzähler, GPS-Tracker oder Chronographen ans Handgelenk schnallen, damit kann man keinen Blumentopf mehr gewinnen. Gespräche vom Smartphone ans Handgelenk umleiten, im Mäusekino Termine vereinbaren und E-Mails lesen, auch damit kann man die Massen nicht begeistern. Weder die Fitbit Blaze, noch die Apple Watch werden für ihre Funktionalität gekauft.


Lifestyle am Handgelenk

Gekauft wird Lebensstil. Wird mein Image nach MacBook, iPhone und iPad durch eine Apple Watch noch cooler? Schwerlich. Werde ich mit der Fitbit Blaze am Handgelenk häufiger Joggen, schneller laufen oder gesünder leben? Schwerlich. 

Was das iPhone von den anderen Smartphones unterscheidet, was das iPad von den anderen Tablets unterscheidet, ist die Ausfallquote (attrition rate). Kein anderes Gerät wird von seinen Nutzern so innig geliebt und genutzt, wie iPhone und iPad. Mein iPad ist nun vier Jahre alt und ich nutze es noch immer täglich. Die Ausfallquote ist deshalb so gering, weil ein iPad einen echten Nutzen bringt, eine Änderung des Lebensstils. Das iPad ist viel schneller zur Hand, um mal eben etwas nachzuschauen, als ein Laptop. 

Entsprechend darf Fitbit seine Fitness-Tracker nicht als Tracking-Geräte betrachten, sondern als Mittel zur Änderung des Lebensstils. Hin zu einem bewußteren, fitness-orientierten Lebensstil. Vor vier Wochen habe ich Ihnen ein Beispiel aufgezeigt, wie das funktionieren könnte: whoop.com analysiert die aufgezeichneten Bewegungsdaten und errechnet Vorschläge, wann, wie intensiv und wie lang die nächste Trainingseinheit sein sollte. 
 

Intelligente Auswertung der Fitnessdaten könnte helfen 

Doch bis es whoop.com in den Massenmarkt schafft, wird noch eine Menge Gehirnschmalz eingesetzt werden müssen. Zum einen sind die errechneten Vorschläge sicherlich mit Vorsicht zu genießen. Es ist eher als ein Indikator unter vielen zu sehen, der einen Anhaltspunkt über die aktuelle Leistungsfähigkeit gibt. Wenn man jedoch ein wenig in sich hinein hört oder spätestens nach den ersten 500 Metern Laufen weiß man jedoch auch ohne dieses Hilfsmittel, wie fit man ist. 

Zum anderen sehe ich es als die größte Hürde an, diese Fitness-Welt in den Lebensstil der Menschen zu integrieren. dazu ist ein schickes Gerät am Handgelenk nur ein wichtiges Element unter vielen. Die intelligente Auswertung der erhobenen Daten und Ableitung von Fitness-Ratschlägen daraus ist die nächste Hürde. Und des weiteren muss das ganze dann  Nutzerfreundlich gemacht werden. Die App auf dem Smartphone muss die komplexen Daten so darstellen, dass sie von Laien verstanden werden. Die Vorschläge müssen in den Alltag integrierbar sein: was nutzt es mir, wenn ich freitags zum Joggen aufgefordert werde - freitags bin ich am Schreiben und habe für sowas keine Zeit. Wenn solche Ratschläge nun auch noch die unterschiedlichen Tätigkeiten im Tagesablauf berücksichtigen sollen, dann können Sie sich die Komplexität vorstellen. 

Ich zeige diese Hintergründe so detailliert auf damit Sie sehen, dass wir uns in einem noch sehr frühen Stadium der Smartwatches befinden. Fitbit ist eine Speerspitze, das erste unternehmen, dass diesen Markt systematisch und engagiert angeht. Doch wenn ich mir die Komplexität der Aufgabe vor Augen führe, dann kommen mir so langsam Zweifel auf, ob Fitbit dieser Aufgabe gewachsen ist. Apple hat da gegebenenfalls die besseren Möglichkeiten, oder aber IBM Watson könnte für die Strukturierung der komplexen Daten losgeschickt werden. 

Falscher Fokus?

Wenn aber die Herausforderung in der Software, der App und der Datenanalyse steckt, warum konzentriert sich Fitbit dann auf die Entwicklung einer möglichst breiten Produktpalette (http://www.fitbit.com/de): Acht Fitness-Tracker mit teilweise kaum nachvollziehbaren Unterschieden machen es mir schwer, mich für ein Gerät zu entscheiden. Und an diesem Punkt setzt die Kritik der Bären an: Fitbit hat ein weltweit gut strukturiertes Händlernetz aufgebaut. Jedes neue Produkt wird im ersten Schritt von den Vertriebspartnern wie Wal-Mart, Best Buy, Target und in Deutschland Saturn und Media Markt von Fitbit auf eigene Rechnung gekauft und in die Schaufenster gelegt. 

Diese Woche hat Fitbit eine Pressemeldung herausgegeben, dass seit der Vorstellung der neuen Produkte Blaze (Fitness-Smartwatch) und Alta (modisches Fitness-Tracking Armband) vor vier Wochen bereits jeweils eine Millionen davon verkauft wurden. Eine Millionen Geräte, die in den Schaufenstern der USA, Deutschlands und Chinas liegen. Doch werden die Geräte auch von Kunden gekauft? Gibt es den "Sell-Through"? Und wie sieht es mit der "attrition rate", der Ausfallquote der an Endkunden verkauften Geräte aus?


Warten auf realistische Zaheln nach Weihnachtseuphorie

Um das Auf und Ab der Fitbit-Aktie besser zu verstehen habe ich mich in den vergangenen Wochen intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Die ernüchternde Erkenntnis: Wenn wir die Nutzbarmachung der Apps als kritische Mission definieren, wie oben geschehen, dann sind sämtliche Verkaufserfolge Fitbits nur kurzlebig. Ja, Fitbit war der Kassenschlager im jüngsten Weihnachtsgeschäft. Und durch die hohen Verkaufszahlen wurde sogar die Ausfallquote positiv beeinflusst. denn die große Anzahl neuer Geräte in den Händen der Kunden sorgte für eine große Zahl von Neuanmeldungen, gefolgt von der typischen Nutzung der Apps für die ersten Wochen. Die Ausfallquote, berechnet auf Geräte, die im Verlauf des ersten Jahres nach dem Kauf durch Endkunden nicht mehr genutzt werden, ist durch die große Zahl von aktiven Neuanmeldungen zunächst einmal nach unten gegangen. Eine Erfolgsziffer, die von Fitbit veröffentlicht und gefeiert wurde. Als kritische Anleger müssen wir jedoch auf die Ausfallquote ein Jahr nach dem Weihnachtsgeschäft warten, um eine realistische Zahl zu erhalten. Doch diese Zahl haben wir noch nicht. 

Zurück zu den Verkaufszahlen: Es gibt nur wenige Researchhäuser, die Verkaufszahlen an Endkunden von den Verkaufszahlen des Produzenten unterscheiden. Diese Zahlen, soweit ich berichte darüber gefunden habe, sind durchaus durchwachsen Es gibt tatsächlich einige Regionen, in denen Fitbit-Geräte weggehen wie warme Semmel, doch es gibt auch eine ganze Reihe von Geschäften, bei denen die Geräte in den Regalen versauern. 

Fazit

Wenn ich also alle nun gewonnenen Erkenntnisse zusammenführe dann komme ich zu dem Schluss, dass Fitbit das Rennen um die Marktführerschaft noch lange nicht gewonnen hat. Fitbit ist an der Spitze, vergrößert sogar den Abstand auf seine Verfolger, doch bei dem Wettrennen handelt es sich noch nicht um den Endspurt auf der Zielgerade, sondern um das frühe Stadium eines Langstreckenlaufs. Und nicht selten geht demjenigen, der zu schnell losläuft, irgendwann die Puste aus. 

3 Mrd. USD Marktkapitalisierung für 2 Mrd. USD Jahresumsatz ist für diesen jungen Markt eine günstige Bewertung. Das KGV 2017e von 11 bei einem erwarteten Gewinnwachstum von 20% p.a. in den kommenden fünf Jahren ist extrem günstig. Wird Fitbit diese Erwartungen erfüllen? Fitness-Tracker als Hardware werden irgendwann zum Massenprodukt, bei dem man sich nur über günstige Produktionskosten behaupten kann. Wird es Fitbit schaffen, sich über die Datenanalyse, Ratschläge und Nutzerengagement von der Konkurrenz abzusetzen, um die Prognosen zu erfüllen, ggfls. sogar überzuerfüllen? Diese Entscheidung ist noch nicht gefallen und mit dem Verständnis der hier aufgezeigten Gedanken ist es durchaus angebracht, dieses rennen kritisch zu beobachten. 

Apple hat in seiner Präsentation vor zwei Wochen deutlich gemacht, dass es noch nicht aggressiv in diesen Markt einsteigt: Die Apple Watch wurde lediglich mit neuen Armbändern versehen. So könnte die Erfolgsstory der Hardware von Fitbit noch einige Monate anhalten und entsprechend erwarte ich nach wie vor, dass die Aktie in den kommenden Monaten deutlich zulegen wird. Die Verkaufszahlen werden - mangels Alternative - weiterhin für positive Überraschungen sorgen und somit die Aktie immer wieder nach oben katapultieren. 

Doch die Bären, die der hier aufgezeigten kritischen Analyse anhängen, werden jeden Kurssprung nutzen, um ihre Shortpositionen auszubauen, in der Überzeugung, dass Fitbit das Langstreckenrennen nicht gewinnen wird. 

So komplex diese Auseinandersetzung ist, so stark werden die Kursschwankungen der Aktie sein. Wir haben bei 11,66 Euro nochmals nachgekauft und unseren durchschnittlichen Einstandspreis auf 17,53 Euro vermindert. Ich gehe davon aus, dass Fitbit diesen Kurs in den kommenden Monaten erreichen kann. Eine Wiederaufnahme der Kursrallye mit neuen Höchstkursen hingegen halte ich nach dieser Analyse nun nicht mehr für sicher, dazu muss Fitbit stärkeres Gewicht auf Datenanalyse, Apps und Nutzerfreundlichkeit legen. Ich werde das beobachten. 

Übrigens: Diese Woche Montag hat das Researchhaus Argus die Nutzerfreundlichkeit von Fitness-Apps untersucht und durch die Bank weg von unzufriedenen Nutzern gesprochen, von Under Armour über Nike bis hin zu Apple Health. Das größte Problem sei die schwierige Transportmöglichkeit der erhobenen Daten zwischen verschiedenen Apps. Nach dieser Studie wurde Fitbit ausverkauft, der Kurs brach um 10% ein. Gestern wurde dann der "Verkaufserfolg" mit der Millionen Blazes und Altas veröffentlicht, die Aktie sprang um 10% an. Diese Kurssprünge belegen die Spannung die zwischen den Bären und Bullen von Fitbit bestehen.  

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