FINANZWELT BLICKT AUF MERKEL & DRAGHI
Wer wird es richten? Wird es gerichtet? In meiner Analyse, die ich am Mittwoch den Heibel-Ticker PLUS Kunden zuschickte, kam ich zu dem Schluss, dass die Lösungen auf dem Tisch liegen, doch deren Umsetzung lässt auf sich warten. Und „warten“ kann teuer werden.
So befinden sich die Finanzmärkte wieder einmal in Fesseln
einer nicht handlungsfähigen europäischen Politik. Entweder die
Europapolitik hat neue Verhandlungspartner, wie in Frankreich
und Holland. Oder gar keine Verhandlungspartner, wie in
Griechenland.
Die Griechen sagen: „Wir machen das nicht mit“, und niemand
weiß so recht, wie genau die Alternative aussehen wird.
Die Spanier sind handlungsunfähig, denn sie haben alles getan,
was von ihnen verlangt wurde, und dennoch ist die Hälfte aller
Jugendlichen arbeitslos, Immobilien drohen weitere 20-30% an
Wert zu verlieren, und Besserung ist nicht in Sicht.
Italien scheint vorerst aus dem Kreuzfeuer zu sein. Doch einen
handlungsfähigen Partner findet Deutschland derzeit weder dort
noch in Frankreich.
Und derweil widmet sich Angela Merkel innenpolitischen
Problemen, oder besser gesagt parteipolitischen Problemen.
Horst Seehofer ist diese Woche im Heute Journal der Kragen
geplatzt und er beklagte die Untätigkeit in der Regierung. Die
Umsetzung des Fiskalpakts müsse endlich in Angriff genommen
werden. Dies beinhalte auch eine Implementierung der bereits
beschlossenen europäischen Transaktionssteuer.
Schauen wir einmal, wie die Märkte auf diese Untätigkeit
reagierten:
WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES
INDIZES 17.5.12 DIFF
Dow Jones 12.442 -3,2%
DAX 6.309 -3,2%
Nikkei 8.611 -3,8%
Euro/US-Dollar 1,268 -1,9%
Euro/Yen 100,465 -2,5%
10-Jahres-US-Anleih 1,70% -0,2
Umlaufrendite Dt 1,19% -0,1
Feinunze Gold $1.575,9 -0,3%
Fass Brent Öl $106,89 -4,3%
Kupfer 7.660 -4,3%
Baltic Dry Shipping 1.137 -0,8%
Um 3,2% ist der DAX diese Woche eingebrochen. Hinzu kommt ein
Wertverlust des Euros gegenüber dem US-Dollar um 1,9%.
Internationale Anleger fliehen aus Europa.
Griechenland wird erst am 17. Juni Neuwahlen abhalten. Bis
dahin dürfen wir von dort mit keiner Besserung rechnen, im
Gegenteil: Wenn wir jüngsten Umfragen glauben, dann werden
Europagegner die Mehrheit stellen, und damit steigt die Gefahr
eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone.
Spätestens dann wird sich zeigen, wie der Plan-B unserer
Regierung für einen solchen Fall aussieht. EZB-Chef Draghi hat
in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, dass er nicht
gewillt ist, irgendwelche Verluste aus der Griechenland-
Tragödie zu übernehmen. Griechische Banken können sich ab
sofort bei ihm nicht mehr refinanzieren.
Das erhöht nochmals den Druck auf die Politik, die bislang in
Zeiten größten Trubels stets auf die Hilfe der EZB hoffen
konnte. Jetzt muss die Politik selbst agieren, und nachdem
Strukturreformen und Sparmaßnahmen inzwischen beschlossen sind,
fehlt es an dem von Hollande, der SPD und sogar von vielen in
der Union geforderten Marshall-Plan.
Strukturreformen sind das einzig langfristig erfolgsbringende
Konzept. Doch die Reformen bereiten Schmerzen, und diese müssen
mit Förderprogrammen gelindert werden. Schauen wir einmal, wie
sich die Stimmung unter Anlegern und Analysten entwickelt:
SENTIMENTDATEN
Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen):
Kaufen / Verkaufen
27.04.- 04.05. (198): 46% / 13%
04.05.- 11.05. (156): 52% / 11%
11.05.- 18.05. (141): 51% / 11%
Kaufempfehlungen der Analysten
Allianz, Leoni, Südzucker
Verkaufsempfehlungen der Analysten
IamGold, Klöckner, Nokia
Privatanleger
18. KW: 65% Bullen (166 Stimmen)
19. KW: 56% Bullen (179 Stimmen)
20. KW: 51% Bullen (142 Stimmen)
Kaufempfehlungen der Privatanleger
Total S.A., Vallourec, Gilead Sciences
Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Keryx Biopharmaceuticals, Loewe, Hamburger Hafen und Logistik
Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise
erstellt:
http://www.sharewise.com?heibel
FACEBOOK MIT GRÖßTEN IPO DER GESCHICHTE
Ich hatte es angekündigt: Es würde mich wundern, wenn Facebook
mit weniger als 100 Mrd. USD Marktkapitalisierung an die Börse
geht. Und genau so ist es nun auch gekommen: Zunächst wurde die
Preisspanne für die Aktienausgabe von 28-35 USD auf 34-37 USD
angehoben, nun wurde der Emissionspreis auf 38 USD je Aktie
festgelegt. Die Marktkapitalisierung von Facebook beträgt
demzufolge 104 Mrd. USD!
Eine andere Entwicklung überrascht mich hingegen: Befürchtet
hatte ich ursprünglich, dass das Angebot an Aktien künstlich so
gering gehalten wird, dass anschließend institutionelle Anleger
über die Börse ihre gewünschten Positionsgrößen zukaufen müssen
und dadurch den Kurs in die Höhe treiben. Wären nur 5% der
Aktien an die Börse gegeben worden, dann hätte ich einen
Kurssprung über 100 USD am ersten Tag nicht ausgeschlossen.
Doch das Unternehmen wollte zunächst 10% ausgeben, was mich
beruhigte.
Nun hat Facebook jedoch bekanntgegeben, dass vom Start weg 16%
der ausstehenden Aktien über den Börsengang in den Streubesitz
gegeben werden. Das sind also Aktien im Volumen von über 16
Mrd. USD, die ab heute Nachmittag plötzlich gehandelt werden.
Und das bedeutet wiederum, dass Gelder in Höhe von 16 Mrd. USD
für Käufe anderer Aktien nicht zur Verfügung stehen. Das ist
schon eine Stange Geld, und das dürfte Öl ins Feuer des
aktuellen Ausverkaufs gießen.
Viele institutionelle Anleger bereiten sich in diesen Tagen auf
turbulente Sommerwochen in Europa vor: Griechenland, Spanien,
sozialistisches Frankreich, Machtverfall der CDU in
Deutschland, ... es gibt Gründe genug, einen heftigen
Ausverkauf an den Finanzmärkten zu fürchten, und so wird
Liquidität generiert was das Zeug hält, sprich, es werden
Aktienpositionen verkauft.
So sexy der Facebook-Börsengang auch sein mag, wenn die Aktie
jedoch heute Nachmittag über 50 USD steigen sollte, werden
viele institutionelle Anleger ihre Strategie der
Liquiditätsgenerierung konsequent umsetzen und ihre
Aktienzuteilung verkaufen. Sie werden, anders als zu besseren
Börsenzeiten, eben nicht ihre Positionen voll machen und Aktien
nachkaufen, sondern lieber die Gewinne einstecken und mit hohem
Barbestand die weitere Entwicklung in Europa beobachten.
Facebook wird man auch im Spätsommer wieder zu günstigeren
Kursen kaufen können, denn auch Facebook wird von einer ganzen
Liste von Unsicherheiten umgeben: Wird es dem Unternehmen
gelingen, seine 900 Mio. Nutzer zum Klicken auf die Werbung zu
bewegen?
Wenn es ein Unternehmen schafft, dies auch auf den neuen
mobilen Plattformen wie Smartphones und Touchpads zu
gewährleisten, dann Facebook. Doch ob es gelingen wird? Das
werden die nächsten Monate zeigen. Und als institutioneller
Anleger kann man da schon mal lieber die Gewinne eines
stürmischen Börsengangs einbuchen.
Im Moment, kurz vor Eröffnung der US-Börse, glaubt man, dass
die meisten institutionellen Anleger etwa ein Drittel ihrer
gewünschten Positionsgröße zugeteilt bekommen haben, und viele
von ihnen werden bis zu Kursen um 50 USD nachkaufen, um ihre
Positionen voll zu kriegen. Bei 50 USD liegt die rechnerische
Höchstgrenze einer irgendwie argumentativ begründbaren
Facebook-Bewertung, und so würde ich bei einem Übersteigen der
50 USD erwarten, dass der Verkaufsdruck derjenigen zunimmt, die
dann Gewinne realisieren und ihre Position auflösen.
Für uns als Privatanleger: Finger weg von den Aktien, es wird
einen besseren Zeitpunkt geben, um über einen Kauf
nachzudenken. Kurse deutlich unter 50 USD und mit wesentlich
mehr Gewissheit über die Möglichkeiten Facebooks, seine Kunden
zu Geld zu machen.
TOP ANALYSTENZIELE
Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen
treffen und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie
ab sofort jede Woche eine Übersicht der Analysen mit den
höchsten Kurszielen ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach
an, wo das aktuelle Kursziel des Analysten prozentual am
meisten über dem aktuellen Kurs liegt:
Firma Analyse vom Kurs Kursziel Upside
Ströer 16.05.12 8,63€ 21,10€ 144,50%
MEDIGENE 14.05.12 1,14€ 2,60€ 128,07%
PVA TEPLA 14.05.12 3,16€ 6,20€ 96,20%
CENTROTHERM 15.05.12 5,22€ 10,00€ 91,57%
SKY Dtl. 16.05.12 2,03€ 3,75€ 84,73%
THYSSENKRUP 15.05.12 15,25€ 28,00€ 83,61%
Gigaset 15.05.12 1,77€ 3,20€ 80,79%
DIC ASSET 15.05.12 6,02€ 10,50€ 74,42%
SALZGITTER 16.05.12 35,98€ 62,10€ 72,60%
PRAKTIKER 14.05.12 1,55€ 2,50€ 61,29%
Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen
Sie diese Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig
auch ein Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille
sorgen kann, weshalb Analysteneinschätzungen tendenziell
optimistischer ausfallen als es die Realität anschließend
erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen Eindruck darüber,
wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten
auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst
oder die Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall
individuell zu beurteilen.
Hochexplosiv würde ich sagen ist die Stimmung am heutigen
Freitag! Hochexplosiv in beide Richtungen: Griechenland ist ein
absolutes Chaos, Spanien ist entwaffnet und steht mit dem
Rücken zur Wand, und die beiden Hauptakteure, Frankreich und
Deutschland, kümmern sich um ihre nationalen Probleme.
Kommt es über das Wochenende zu einer konzertierten Aktion,
dann wäre dies eine absolut positive Überraschung, die viele
Leerverkäufer auf dem falschen Fuß erwischen würde und zu einer
heftigen Rallye führen könnte. Passiert hingegen nichts, dann
fundamentiert Europa den Ruf in der Welt, handlungsunfähig zu
sein. Ein hochexplosives Gemisch.
Im folgenden Kapitel habe ich eine lange Liste von Aktien
aufgezeigt, die ich je nach Entwicklung kaufen würde.