Finanzpresse verkennt positiven Effekt des Ölpreissturzes

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 24.06.2011
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

„Ölpreise weiter im freien Fall ... Doch der Erfolg könnte nur von kurzer Dauer sein“ titelt das Handelsblatt. „Angebotsaktion scheint zu verpuffen“ mutmaßt n-tv. „Politische Börsen haben kurze Beine“ schreiben schon die ersten Marktkommentatoren. Doch unsere Medienintelligenz übersieht eine Kleinigkeit: Der Ölpreis wird nicht mehr durch Angebot und Nachfrage bestimmt sondern durch die Finanzmärkte und deren Spekulanten.


Schon lange ist es relativ wenigen und kleinen Hedgefonds möglich, durch gehebelte und gezielte Investments den Ölpreis in die Höhe zu treiben. Ich habe im Heibel-ticke vielfach darüber berichtet. Die Flutung der Ölmärkte durch den verkauf aus diversen strategischen Ölreserven bricht diesen Spekulanten nun das Genick. Es ist die zweitbeste Lösung und dringend nötig.

Dringend nötig, weil die Wirtschaft unter dem anhaltend hohen Ölpreis zu leiden begann. Insbesondere in den sind waren die Auswirkungen des hohen Ölpreises zu spüren und allein die USA verkaufen die Hälfte des für diese konzertierte Verkaufsaktion vorgesehenen Öls: 30 Mio. Fässer.

Aber insgesamt haben sich über 20 Länder an der Aktion beteiligt, auch Deutschland, denn die Notwendigkeit ist unbestritten. Da wurden Billionen in die Vermeidung einer zweiten Weltwirtschaftskrise gesteckt und jetzt, wo die Konjunktur anziehen soll, die Hilfsmaßnahmen auslaufen und die Wirtschaft langsam auf eigenen Füßen stehen soll vereiteln einige kleine Hedgefonds dieses große Ziel indem sie den Ölpreis künstlich hoch halten. Es war dringend nötig, diese Spekulation zu beenden.

Die Geschwindigkeit des Ölpreiseinbruchs ist ein Beleg dafür, dass nicht plötzlich und über Nacht die Nachfrage wegbricht, dazu gibt es derzeit überhaupt keine volkswirtschaftlichen Anhaltspunkte, sondern dass Hedgefonds panisch ihre gehebelten Long-Positionen versilbern. Der Zeitpunkt kurz vor dem Quartalsende ist günstig gewählt, da Hedgefonds in der Regel nur viermal im Jahr ihren Anlegern genehmigen, Geld abzuziehen – jeweils zum Quartalswechsel. So erhöht sich der Druck auf die Hedgefonds durch die Auszahlungsverpflichtungen. Die Ölspekulation geht den Bach runter, weitere Sicherheiten in Form von Bargeld müssen aufgetrieben werden und gleichzeitig müssen Kundeneinlagen ausbezahlt werden. DA greift man dann auch auf die guten Positionen im Portfolio zurück, die nun versilbert werden. Und so gerät „plötzlich“ der gesamte Markt unter Druck, wie wir gestern sahen.

Dass ein niedriger Ölpreis gut für die Konjunktur, gut für die meisten Unternehmen ist sieht in einem solchen Umfeld kein Journalist der Massenmedien. Nein, der Kursverfall wird anders interpretiert. Etwa so: „Die konzertierte Aktion, zu der die IEA (Internationale Energieagentur) aufgerufen hat, wird von über 20 Ländern in Not befolgt. Länder in Not greifen zu dieser Marktmanipulation, um ihre eigene Wirtschaft vor dem Rückfall in eine Rezession zu bewahren. Doch dieser Schritt ist nicht nachhaltig, der Ölpreisanstieg kann nicht aufgehalten werden und so wird diese Aktion am Ende des Tages nichts bewirkt haben als viele Steuergelder zu verbrennen, die sodann zum teureren Rückkauf der strategischen Ölreserven benötigt werden.“

 

Was für ein Quatsch.

Aber in einem Punkt haben die Massenmedien Recht: Das Problem ist nur vorübergehend gelöst. Die Ursache des Problems, das Fußballspiel mit 110 (Hedgefonds) gegen 11 (Ölkonzerne &

Verbraucher) ist noch immer unfair und es wird nicht lange dauern bis sich neue Hedgefonds formieren, um dieses Ungleichgewicht zum eigenen Nutzen auszukosten.

Daher handelt es sich nur um die zweitbeste Lösung. Die beste Lösung wäre die Anhebung der Sicherheitserfordernisse für den Ölhandel, besser gesagt die Ölspekulation. Heute kann man das Zehnfache seines Kapitals einsetzen. Durch die Eliminierung dieses Hebels hätte man kostenfrei und über Nacht den Ölpreis auf 80 USD/Fass Texas-Öl drücken können.

Doch das müssten die Börsenplätze tun. Und die Börsenplätze sind privatwirtschaftliche, teilweise börsennotierte und somit gewinnmaximierende Unternehmen, die von den Provisionen der Hedgefonds leben. Sie würden sich den eigenen Ast absägen, auf dem sie sitzen.

Ich bin weiß Gott ein Verfechter der freien Märkte und vielleicht sogar ein Kapitalist. Aber je tiefer ich in unser Finanzsystem einsteige, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, dass dort viel staatliche Intervention, Regulierung, ja vielleicht sogar Verstaatlichung (ohh Gott, ich hab’s wirklich geschrieben!) notwendig sein könnte.

 

Fazit: Diese konzertierte Aktion wird den Spekulanten eine Lektion sein. Das Risiko einer Long-Spekulation ist nunmehr gestiegen und ich erwarte im Gegensatz zur landläufigen Meinung keinen schnellen Anstieg des Ölpreises über 100 USD/Fass Texas Öl (aktuell bei 91 USD/Fass). Vielmehr dürfte die Liquidation noch eine Weile fortschreiten und den Ölpreis meines Erachtens deutlich unter 85 USD/Fass drücken.

Doch das Problem ist nicht gelöst sondern genau wie die Griechenlandkrise nur verschoben. In zwei oder drei Jahren wird man die heutige konzertierte Aktion wieder vergessen haben und den Ölpreis erneut in die Höhe jubeln.

Bis dahin jedoch wird die Wirtschaft profitieren. Der erste meiner vier wichtigen Faktoren für eine nachhaltige Aktienrallye ist damit eingetreten.

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