Europa wird lernen müssen: Schulden sind nicht gleich Schulden

Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH
Veröffentlicht von Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH am 22.12.2011
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Actien-Börse

Die gängige Praxis, die BIP-Verschuldungsquote der Staaten als alleinigen Maßstab ihrer gesamten Schuldenpositionen zu definieren, ist äußerst fragwürdig. Sie führt zu keiner objektiven Betrachtung und schon gar nicht zu einem Lösungsweg. Damit ist sie nicht bedeutungslos, aber nur ein Teilaspekt.


 

Die Schuldentragfähigkeit eines jeden Landes ist viel entscheidender. Insbesondere ist damit die Schuldenstruktur, gemessen an der durchschnittlichen Laufzeit aller Schulden in Jahren, gemeint.

Denn aus dieser heraus ergeben sich die tatsächlichen Bruttofinanzierungsbedürfnisse, die sodann schon ein anderes Bild ergeben. Besonders bemerkenswert dabei: Die durchschnittlichen Laufzeiten von Staatsanleihen liegen derzeit nur knapp über sechs Jahre. Lediglich Griechenland und Großbritannien liegen deutlich darüber.

Diese Laufzeiten erscheinen relativ kurz, weil man üblicherweise von 10 Jahren ausgeht. Darin liegt auch die Herausforderung des kommenden Jahres für alle Beteiligten, Gläubiger wie Schuldner, da bereits im ersten Halbjahr zahlreiche Refinanzierungen anstehen. Die Bedürfnisse der Finanzierung sind danach lediglich für Japan ein zweifellos großes Problem. Kann dies gestemmt werden?

Zunächst gilt für fast alle, wiederum mit Ausnahme Griechenlands: Der Anteil der Schulden im Inland ist sehr hoch. In Japan mit nahezu 95 % am höchsten, in den USA bei rund 70 %. Diese Schuldenstruktur ist in der Gegenüberstellung mit der Schuldentragfähigkeit damit sicherlich ein ernstes, aber auf keinen Fall dramatisches Problem, womit die Schuldenkrise nicht kleingeredet, sondern lediglich objektiviert werden soll. Konkreter:

In den USA liegen 12 % aller Staatsanleihen bei institutionellen Investoren. Ausländische offizielle Gläubiger halten 22 %. In Japan halten 24 % der Staatsanleihen institutionelle Investoren und dazu kommen 2 % im Ausland. 30 % der US-Staatsanleihen werden von inländischen staatlichen Agenturen gehalten, in Japan 20 % allein von der Postbank. Diese ist wiederum eine Art Zwischenstation für Privatanleger. Der hohe Anteil von 22 % US-TBs im Ausland entfällt im Wesentlichen auf alle Notenbanken der Welt, die den Dollar als Währungsreserve benutzen.

Staatsschulden in Form von Staatsanleihen gehören ferner zu den Kerngeschäften aller institutionellen Anleger in jedem Land. Meist ist dies per Gesetz festgelegt. Jeder Neuemission steht mithin eine Fälligkeit gegenüber. Meist mit steigender Tendenz der Neuanlage. In den vergangenen 11 Jahren waren die Banken die neuen Marktteilnehmer, die im Umfang von etwa 10 bis 15 % in Staatsanleihen investierten und es lakonisch als „Kreditersatzgeschäft“ beschrieben haben. So entsteht eine Lücke zwischen Fälligkeiten und Neuemissionen im kommenden Jahr, wenn die Banken nicht mehr mitspielen dürfen bzw. können. Darin liegt zweifellos ein technisches Problem.

In dieser kurzen Sicht stecken denn auch zurzeit die großen Bedenken zum Thema Schuldenkrise
in Europa. Und hier wiederum sind die Banken die empfindlichste Stelle, weil es um deren Gleichgewicht in der Bilanz geht. Für Pensionsfonds und teilweise Versicherungen und andere Institutionen hat dieser Sachverhalt keine große Bedeutung. Ausländische Investoren stehen für eine bedeutsame Lösung kaum zur Verfügung, und wenn China Hilfe anbietet, so ist dies mehr rhetorisch gemeint. Auch nahöstliche Staatsfonds werden im begrenztem Umfang Hilfestellung bieten, aber ebenfalls ohne größeres Gewicht. Die Folge davon ist eine Schrumpfung der gesamten Neuverschuldung über eine deutlich reduzierte Summe aller Neuemissionen bei gleichzeitig schrittweise anziehenden Zinskupons. 

 

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