Europa streitet national, Merkel agiert global

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 16.08.2012
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

In Deutschland lauten die Schlagzeilen "Finnland bereitet sich auf ein Ende der Euro-Zone vor" (Welt-Online) oder "Politiker fordern EZB-Reform: Deutsches Vetorecht"‎ (Frankfurter Rundschau). In den USA lese ich auf Yahoo! Finance "German backing for ECB action lifts stocks and Euro". Während also das Europa der 27 Nationen um den richtigen Weg ringt, sendet Kanzlerin Merkel das Signal in die Welt aus, dass die Aufkäufe von Staatsanleihen durch die EZB (Draghi) von deutscher Seite her unterstützt werden.


Konfrontationskurs

Inzwischen ist Prof. Issing, ehemaliger Chefvolkswirt der EZB, nach jahrelanger diplomatischer Zurückhaltung auf Konfrontationskurs gegangen: Deutschland habe kaum noch Einfluss in der EZB, und Draghi breche mit den Staatsanleihekäufen die Vereinbarungen (no bailout), unter denen die Euro-Zone gebildet wurde. Zwischenzeitlich warten wir auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die gesetzliche Zulässigkeit der Rettungsschirme.

Das politisch Machbare (immer mehr Geld drucken) wird mit dem ökonomisch Sinnvollen (Strukturreformen) konfrontiert, es tobt ein Streit um die richtigen Maßnahmen. Dennoch steigen die Börsen unbeirrt weiter an. Sollten sich die Unternehmen tatsächlich von den politischen Wirren losgesagt haben? Oder hört die Welt nur noch auf Merkel und übersieht die innereuropäischen Zwistigkeiten?

Ich denke, die innereuropäischen Probleme wurden zur Genüge durch die Medien gepeitscht, man ist der Probleme überdrüssig. Nun fokussiert man sich auf die mögliche Lösung der Probleme, und da kommen Draghi und Merkel gerade recht. Die Rallye der vergangenen Woche ist somit in meinen Augen nur ein erster Vorgeschmack für die kommenden Wochen, in denen sich Anleger für das kommende Jahr positionieren, und da überall Liquiditätsspritzen winken (USA, Europa, China), wird diese Positionierung eher in Richtung zyklischer Aktien ausfallen, man wird bereit sein wieder mehr Risiko einzugehen.
 

Auch Cisco hat diesen neuen Optimismus genährt

Die Quartalszahlen fielen überraschend gut aus, Umsatz und Gewinn lagen über den Erwartungen der Analysten. CEO John Chambers war in den vergangenen Quartalen stets vorsichtig: Absatzschwäche in Europa, Investitionszurückhaltung der Telekoms, China tritt auf die Bremse und Privatkunden scheuen sich vor Neukäufen. Doch diese Woche klang das anders:

Europa war nicht stark, aber auch nicht schwach. Es gab keine Entschuldigung zum Europa-Geschäft, keine Erklärung, dass die Zahlen besser wären, wenn Europa nicht wäre. Das Asiengeschäft war ziemlich gut, dort scheint Cisco Marktanteile hinzuzugewinnen. Von Investitionszurückhaltung der Telekoms gibt es keine Spur, im Gegenteil, die bauen ihre Infrastruktur weiter aus. Und dank der Olympiade haben Kabelanbieter mehr Cisco-Kabelboxen verkauft denn je.

Okay, dann war es halt ein gutes Quartal, und Anleger erwarteten von CEO John Chambers nunmehr zumindest einen verhaltenen Ausblick. Doch auch das blieb aus: Chambers war ziemlich optimistisch, was den Rest des Jahres betrifft. Cloud, verteilte Datenhaltung, Streaming Dienste, alles läuft über die Netzwerkkomponenten von Cisco. Und der Ausbau des Internets führt zu prallen Auftragsbüchern bei Cisco, nicht nur aufgrund der steigenden Nachfrage, sondern eben auch durch den Zugewinn von Marktanteilen von Wettbewerbern. Zum Glück haben wir uns inzwischen von Juniper getrennt.

Taten sagen mehr als tausend Worte

Überraschend hob Cisco auch die Dividende um 75% an, die Aktie bietet nun eine Dividendenrendite von stolzen 3%. Worte können schon in ein oder zwei Quartalen überholt sein, eine Dividendenerhöhung hingegen nimmt man nicht so leicht zurück. Die Dividendenerhöhung zeigt, dass Cisco also nunmehr auch mittelfristig von wachsendem Geschäft ausgeht und sich des hohen Cashflows sicher ist, so dass man also eine höhere Dividende versprechen kann.

Cisco als Thermometer für die Technologiebranche sendet also überaus bullische Signale aus. Schauen wir einmal, wie die wichtigsten Indizes auf die Entwicklungen in dieser Woche reagiert haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

GROUPON UND FACEBOOK AUF DEM WEG IN DEN KELLER


Groupon hat Anfang der Woche Quartalszahlen vermeldet. Der Gewinn lag über den Erwartungen, doch der Blick ins Detail vergraulte die Anleger. Von den 8 Cent Gewinn je Aktie stammen 4 Cent aus dem Verkauf einer Minderheitsbeteiligung an einem chinesischen Unternehmen. Erwartet wurde ein Gewinn von 3 Cent je Aktie, somit war der Gewinn noch immer um einen Cent besser als erwartet.

Der Umsatz lag mit 568,3 Mio. USD unter den Erwartungen von 578 Mio. USD. Doch der Umsatzanstieg war zu einem großen Teil durch den Verkauf eigener Groupon-Produkte erzielt worden, nicht durch das margenstarke Kupon-Geschäft, für das Groupon eigentlich bekannt ist. Rechnet man die eigenen Produkte heraus, so bleibt für das Kupon-Geschäft ein Umsatzrückgang von 7% im Vergleich zum Vorquartal.

Groupon ist ein junges Wachstumsunternehmen, das erst vor neun Monaten an die Börse ging. Es wird noch stark in Wachstum investiert, und daher wollen Investoren vor allem eines sehen: Umsatzwachstum! Dieses ist im jüngsten Quartal jedoch eingebrochen, und das ist dann auch der Grund dafür, dass der Kurs nach dem IPO-Preis von 20 USD zunächst auf 7,50 USD gerutscht ist und nun in Folge der Quartalszahlen nochmals um 33% auf 5 USD einbrach.

Die Zukunft für Groupon

Nun, schauen wir uns einmal an, was Groupon für Gründe anführt, die zu dem schlechten Quartal geführt haben: 1. Europa, 2. Wechselkurs. In Europa habe man den Wert von Groupon noch nicht zu schätzen gelernt. Hmmm, aus eigener Groupon-Erfahrung kann ich nur sagen, ich habe den Quatsch einmal mitgemacht und nach ziemlich schlechten Erfahrungen letztlich mein Geld zurück verlangt.

Na, und der Wechselkurs kann doch keinen so großen Einfluss gehabt haben, wenn das Geschäft in Europa ohnehin schwach war, oder? Und warum meckern andere Unternehmen nicht (Cisco), die ein starkes Europa-Geschäft haben?

Nein, ich fürchte Groupon hat ein typisch amerikanisches Geschäftsmodell. "Der Kuponmarkt ist in Deutschland völlig unterentwickelt", höre ich mitunter. Ich hingegen denke, dass der Kuponmarkt in Deutschland nicht gefragt ist. Ich zumindest kaufe mir das, was ich möchte und nicht das, was gerade vermarktet wird.
 

Auch Facebook ist gestern kräftig eingebrochen

Bei Facebook liegt der Grund jedoch weiterhin in der völlig ignoranten Haltung der Altaktionäre. Seit Wochen blickte man nach dem desaströsen IPO auf das Ende der Lock-up Periode, die in diesem Fall nur dreimonatige Phase, in der Altaktionäre keine weiteren Aktien aus ihrem Bestand an den Markt geben konnten. Seit gestern dürfen Altaktionäre wieder Aktien verkaufen und schwups, die Aktie rutschte erstmals unter 20 USD. Es scheint, dass die Altaktionäre auch bei 20 USD noch immer lieber Aktien in den Markt geben als auf einen höheren Kurs zu warten, und das spricht nicht unbedingt für das Vertrauen der Insider in das eigene Unternehmen.

Ich war gespannt auf diesen Tag, denn es hätte mich nicht überrascht wenn Facebook beispielsweise seine Altaktionäre dazu überredet hätte, die Lock-up Periode um drei Monate zu verlängern. Sechs Monate ist ohnehin üblich, die drei Monate waren in meinen Augen sehr kurz bemessen. Das ist nicht erfolgt, und so blieb Anlegern der letzte Funke Hoffnung, dass kaum ein Altaktionär von der Möglichkeit Gebrauch machen würde, weitere Aktien in den Markt zu geben. Doch genau das ist passiert, das Handelsvolumen war gestern extrem hoch.

Wenn also nicht einmal die Insider an das eigene Unternehmen glauben, dann sollten wir uns nach wie vor ebenfalls von den Aktien fern halten.
 

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen):
Kaufen / Verkaufen
27.07.- 03.08. (313): 41% / 19%
03.08.- 10.08. (299): 45% / 12%
10.08.- 17.08. (281): 44% / 12%

Kaufempfehlungen der Analysten
K+S, Standard Chartered, TUI

Verkaufsempfehlungen der Analysten
Solarworld, SGL Carbon, Commerzbank

Privatanleger
31. KW: 57% Bullen (150 Stimmen)
32. KW: 54% Bullen (140 Stimmen)
33. KW: 56% Bullen (126 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Eastman Kodak, Veolia Environment, E.On

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Facebook, Credit Agricole, Volkswagen VZ

Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: 
http://www.sharewise.com?heibel 

Analysten warnen vor der Commerzbank. Ich halte das für verkehrt, wie Sie im nächsten Kapitel lesen können. Insgesamt hat sich die Stimmung kaum verändert, es gab diese Woche ja auch wenig Anlass dazu. Der moderate Optimismus unter den Privatanlegern bleibt bestehen. Analysten hingegen halten sich mit positiven Kommentaren weiterhin zurück. Es sollte mich nicht wundern, wenn die Analysten nach der Urlaubszeit dann etwas aggressiver und optimistischer werden, um sich für das kommende Jahr zu positionieren.

TOP ANALYSTENZIELE

Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen treffen und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie ab sofort jede Woche eine Übersicht der Analysen mit den höchsten Kurszielen ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach an, wo das aktuelle Kursziel des Analysten prozentual am meisten über dem aktuellen Kurs liegt:

Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen Sie diese Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig auch ein Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille sorgen kann, weshalb Analysteneinschätzungen tendenziell optimistischer ausfallen als es die Realität anschließend erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen Eindruck darüber, wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst oder die Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall individuell zu beurteilen.
 

Salzgitter und ThyssenKrupp erhalten hohe Kursziele

Es gibt noch immer starke Überkapazitäten in der Stahlbranche, dennoch halten Analysten das Kursniveau der Stahlaktien derzeit für ausgebombt genug um eine Erholung zuzulassen. Dazu ist nicht einmal ein höherer Stahlpreis oder ein anziehendes Geschäft notwendig, sondern es reicht bereits, dass der Abwärtstrend endet. Insbesondere bei ThyssenKrupp sind dies die Argumente für einen höheren Aktienkurs.

Im nächsten Kapitel schaue ich auf einen wesentlichen Grund für die Rallye der vergangenen Wochen, aus dem ersichtlich wird, dass die Rallye noch weitergehen sollte. Zudem werfe ich einen Blick auf den Euro-US-Dollar Wechselkurs. Die Wechselkursentwicklung hat eine überaus interessante Wendung genommen, auf die ich näher eingehen werde.
 
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