Erdöl: flüssiges Gold aus der Tiefe

Veröffentlicht am 24.07.2009

Wie entstand Erdöl? Der biogenen These nach, beginnt die Geschichte des Erdöls vor etwa 150 Millionen Jahren, als Dinosaurier die Erde bevölkerten. Aus jener Zeit stammt das meiste des heutigen Erdöls: Abgestorbene Organismen aus pflanzlichen und tierischen Rudimenten sinken in die Tiefe der Meere und Seen.


Sedimente aus Sand und Ton begraben die Planktonschicht unter Sauerstoffabschluss. Bakterien entwickeln daraus den Faulschlamm - ein feinkörniges Erdölmuttergestein entsteht. Durch weiteres Überdecken mit Sedimenten verfestigt sich das Muttergestein und sinkt in die Tiefe. Zwischen 1.500 und 3.000 Metern, bei Temperaturen zwischen 80°C und 150°C entsteht die Ursuppe des schwarzen Goldes; die Bindungen großer Moleküle des Muttergesteins brechen auf: kleinere Moleküle, Erdöl-Kohlenwasserstoffe entstehen. Noch heute findet dieser Bildungsprozeß statt. Unvorstellbar, um die Menge an Öl entstehen zu lassen, die bis heute allein das Ghawar- Ölfeld in Saudi-Arabien hergab, hätte es z.B. eines gigantischen Massengrabes aus Dinosauriern bedurft, ein „Biowürfel“ von 30 Kilometer Kantenlänge. Was die Natur in einer Million Jahren an Erdöl entstehen ließ, vergeudet die Weltbevölkerung in einem Jahr.

Durch die Tektonik der Erdkruste und unter dem Druck neuer Gesteinsschichten wird das Erdöl wie aus einem Schwamm aus dem Muttergestein gepreßt und steigt tröpfchenweise in poröse Gesteinsbereiche auf. Dort sammelt es sich in großen Lagerstätten. Undurchlässige Gesteinsformationen stoppen diesen Aufstieg zur Erdoberfläche. Sie stellen regelrechte Auffangbecken für Erdöl dar. Man darf sich das aber nicht als unterirdische Seen vorstellen.

Schon vor über 5000 Jahren fanden die Sumerer und Assyrer Erdöl in Form von Bitumen als Naturprodukt. Sie bauten damit regelrechte Flammenwerfer. In Byzanz wurde das Ölfeuer als Kriegswaffe gegen osmanische Schiffe eingesetzt. Auch zum Abdichten von Schiffsplanken und als Brennstoff für Fackeln stand das schwarze Gold hoch im Kurs. Die Förderung des Rohöls im großen Stil begann aber erst im 19.Jahrhundert. Man suchte nach einem geeigneten und billigen Lampenbrennstoff, denn Walöl konnten sich nur die Reichen leisten und die Talgkerzen der Armen rochen unangenehm. Der kanadische Arzt und Geologe Abraham Gessner ließ sich 1852 einen relativ sauber brennenden, preisgünstigen Lampenbrennstoff aus Rohöl patentieren. Es hieß Petroleum.

Man begann nach größeren Rohölvorkommen zu forschen. Die ersten Bohrungen wurden vermutlich 1857 in Wietze in Niedersachsen gesetzt. Weltbekannt wurde indes die Bohrung, die Edwin L. Drake am 27. August 1859 am Oil Creek in Pennsylvania niederbrachte. Er stieß in nur 21m Tiefe auf die erste größere Ölquelle. Zehn Jahre nach dem Goldrausch begann so in Amerika die Jagd nach dem flüssigen Gold. Nach Erfindung der Glühlampe verlor Erdöl zunächst seine Attraktivität, der Preis für Rohöl verkam. Erst mit dem Aufkommen der Automobile begann der Siegeszug des schwarzen Goldes. Anfangs wurde Erdöl auch für eine Art Medizin gehalten. Im 15.Jahrhundert gewannen Mönche nahe am Tegernsee Erdöl und verwandten es wie die Römern und Ägypter in der Heilkunde. Während des Ölbooms in Nordamerikas nach 1860 gab es Quacksalber, die das angebliche Wundermittel gegen allerlei Gebrechen verhökerten. Die Erdölförderung stieg von 1860 mit 70.000 Tonnen bis 1980 auf 3,251 Mrd. Rohöl; dies ist das Fünfmillionenfache.

Wie findet man Erdöllagerstätten? Durch seismische Untersuchungen: ausgelöste Explosionen oder Vibrationen erzeugen Schallwellen, die im Untergrund auf unterschiedliche Gesteinsschichten treffen. Spezielle Erdmikrophone an der Erdoberfläche – so genannte Geophone – empfangen die vom Erdreich reflektierten Wellen. Aus diesem  Echoprofil kann der Geologe auf mögliche Erdölvorkommen schließen. Auch Mikrofossilien weisen den Weg zum Öl. Winzige versteinerte kalkschalige Einzeller, so genannte Foraminiferen, verraten Experten, wo sich die Suche lohnt. Denn foraminiferenreiche Sedimente sind riesige Saugschwämme für Öl und Gas.

Das Bild der Ölfelder in Texas wird von Gestängetiefenpumpen geprägt, eine der klassischen Fördermethoden. Die eigentliche Tiefkolbenpumpe befindet sich in einem eigenen Rohrstrang im Bohrloch nahe der Öl führenden Schicht. Der Kolben wird durch eine Stange von einem an der Erdoberfläche befindlichen Pumpenbock, dem sogenannten Pferdekopf, mit Antriebsmotor und Getriebe in eine kontinuierliche Auf- und Abbwegung versetzt. Pferdekopfpumpen arbeiten nur in Tiefen bis 2500 m wirtschaftlich. Bei größeren Tiefen ist das Gewicht der zu hebenden Ölsäule zu hoch.

Fast alle heutigen Ölbohrungen arbeiten nach dem Rotary-Verfahren. Am unteren Ende des Hohlgestänges ist das Bohrwerkzeug - ein Rollen- oder Diamantenmeißel - eingeschraubt, das ein Drehtisch im Bohrturm in rotierende Bewegung versetzt. Der Meißel frißt sich in die Erdkruste. Das Bohrloch hat einen Durchmesser von 70 bis 10 cm. Zunächst mit dem größten Durchmesser wird das Bohrloch mit zunehmender Tiefe stufenweise bis zur angestrebten Teufe (Tiefe) verengt. Der Bohrmeißel hat einen größeren Durchmesser als das Rohrgestänge, so dass um das Gestänge herum ein Hohlraum, der so genannte Ringraum, entsteht. Über Schwerstangen erfährt der Meißel einen höheren Druck, um höhere Bohrleistungen zu erreichen. Das Bohrloch wird also in teleskopartigen Abschnitten niedergebracht; diese kleidet man mit Stahlrohren aus (Casing) und dichtet sie mit Zement ab. So wird ein Einstürzen verhindert. Den Abtransport des abgebohrten Gesteins übernimmt die Spülpumpe. Beim Meißel tritt das Spülmedium (wassergelöste Polymere und suspendiertes Barytmehl) als Kühlflüssigkeit aus. Durch ständigen Druck steigt es in der Verrohrung auf und nimmt dabei alle losgelösten Gesteinsteilchen mit, das so genannte Bohrklein.

Bohranlagen arbeiten mit Antriebsaggregaten mit gewaltiger Leistung von mehreren Millionen PS. Es müssen bis zu 200 t durch die teilweise harten Gesteinsschichten bewegt werden. Die Antriebsmaschinen treiben den Bohrmeißel und den Flaschenzug an, der zum Versenken des Meißels und des Bohrgestänges erforderlich ist. In gewissen Fällen werden statt eines Meißels Turbinen eingesetzt, die das Bohrloch bei Richtbohrungen in eine bestimmte Richtung ablenken.
Beim Tiefpumpverfahren ist eine besondere Pumpe in das Bohrloch eingebaut; sie wird von einem Antrieb an der Erdoberfläche betrieben. Es ist erstaunlich, dass bei allen Förderungsverfahren nur zwischen 20 bis 40% des vorhandenen Erdöls der Lagerstätte entnommen werden kann.

Offshore-Bohrungen unternimmt man auf See. Anfangs wurde im Flachwasser mit fest aufgebauten Plattformen gebohrt. Erst später benutzte man schwimmfähige Plattformen (Hubinseln) mit hydraulisch auszufahrenden Beinen. Erst am Einsatzort werden die Standbeine ausgefahren und am Meeresboden verankert. Bis zu 200 m Meerestiefe verwendet man heute so genannte Halbtaucher. Diese Plattformen haben statt Füße riesige Ballasttanks. Bei Erreichen der Bohrstelle werden sie geflutet, um den Schwerpunkt zu senken. Computergesteuerte Schiffsschrauben und eine starke Verankerung stabilisieren die Plattform und verankern das Bohrgestänge. Die neueste Technik sind Bohrschiffe, die in bis zu 1000 Meter tiefem Gewässer außerhalb der Küstenschelfzonen nach Erdöl bohren können.

Typisch für jede Erdöllagerstätte ist, dass sie unter einem bestimmten Druck und Temperatur steht, d.h. im Erdöl sind fast immer erhebliche Gasmengen gelöst, die mit dem Erdöl ins Bohrloch strömen. Da dabei der Druck sinkt, beginnt das Gas unter Volumenausdehnung aus dem Öl zu entweichen, ähnlich wie bei einer geöffneten Sodawasserflasche. Selbst wenn der Druck im Laufe der Förderphase nachlässt, ist nach dem Prinzip eines Siphons eine autonome Förderung möglich. Diese kostengünstige Phase der Erdölförderung heißt eruptive Förderung.

Geht die eruptive Förderung auf natürliche Weise zur Neige, setzt man beim Gaslift-Verfahren das Bohrloch unter Druck, um das freie Ausfließen des Erdöls zeitlich auszudehnen. Dem Bohrloch wird eine Gasinjektion verpaßt. Das eingepreßte Fremdgas im Ringraum zwischen Steig- und Futterrohren entlastet die im Steigrohr stehende Ölsäule. Das hochsteigende Gas verleiht dem Öl erneut einen kräftigen Auftrieb, vermindert gleichzeitig das Gewicht der Ölsäule und verringert dadurch den Gegendruck auf die Lagerstätte. Wirtschaftlich ist dieses Verfahren aber nur dort, wo Erdöl oder Erdgas in ausreichenden Mengen vorhanden sind. Bei der Förderung zwischen 2.500 und 3.500 Metern Tiefe wird häufig das Gasliften dem Pumpen vorgezogen.

Das ursprüngliche verunreinigte Rohprodukt Erdöl besteht aus einer Mischung aus Gas, Öl und Salzwasser. Ehe es zur Raffinerie kommt, muss es von seinen Gemischkomponenten befreit werden. Das zum Absenken seiner Zähflüssigkeit aufgewärmte Rohöl trifft in den Gasabscheider: Durch Vergrößern der Öloberfläche entweicht das Gas und steigt darin zur Decke. Am Boden sammelt sich das Öl-Wasser- Gemisch. Dieses fließt durch die Entwässerungs- und Entsalzungsanlage durch ein Wechselspannungsfeld: Die Wassertropfen sammeln sich am Boden, wasserbefreites Öl fließt in den Reinölsammeltank. Dort verbleibt es bis zum Abtransport in die Raffinerie.

Bei der Rohöldestillation, der Reinigung und Trennung der flüssigen Stoffe durch Verdampfen und anschließendes Wiederverflüssigen, wird das Rohöl erst auf 380°C erhitzt. Das im Erhitzer entstandene Dampf-Flüssigkeitsgemisch strömt in die Destillationskolonne bzw. in den Fraktionierturm (fraktionieren heißt Zerlegen eines Gemisches in mehrere Bestandteile). Physikalisch macht man sich dabei die unterschiedlichen Siedepunkte der Kohlenwasserstoffverbindung zunutze und fasst bestimmte Siedebereiche jeweils zu einer Fraktion zusammen. Die dampfförmigen Bestandteile steigen durch die Kolonnenböden des Fraktionierturms nach oben: je länger sich die Bestandteile des Dampfes in diesem Aggregatzustand halten, um so höher können sie in der Kolonne hochsteigen. In der Destillationskolonne nimmt aber die Temperatur kontinuierlich nach oben ab. Die verbleibenden gasförmigen Teilchen steigen im Turm Stufe für Stufe höher. Sobald ein Kohlenwasserstoffteilchen seinen Siedepunkt unterschreitet, es abkühlt, also kondensiert, verflüssigt es und bleibt im jeweiligen Zustand auf der entsprechenden Stufe und wird seitlich aus der Destillationskolonne abgeleitet.

Am oberen Stockwerk der Kolonne werden die gasförmig gebliebenen Kohlenwasserstoffe Methan, Ethan, Propan und Butan abgezogen, desgleichen die erste Stufe der Destillate Primärbenzin, aus der Leicht- und Schwerbenzin hergestellt wird. Im Stockwerk darunter verflüssigen Kohlenwasserstoffe bei Siedegrenzen wie das Petroleum. Die nicht verdampften Kohlenwasserstoffe sammeln sich im Sumpf im unteren Ende der Kolonne; sie werden in eine zweite Anlage geleitet, die wieder aus einem Erhitzer und einer Destillationskolonne besteht.
Diese zweite Vakuum-Destillationsanlage arbeitet mit etwa 5% des normalen Luftdrucks. Hier lassen sich weitere Verbindungen extrahieren. Am Boden der Kolonne fallen die auch im Vakuum nicht verdampfbaren Anteile (Vakuumrückstände) an; sie finden in der Folge als Komponenten für schwere Heizöle und Bitumen Verwendung. Bei etwa 300°C kondensieren die dickflüssigen Fraktionen, die als schwere Schmieröldestillate bekannt sind. Das schwere und das leichte Vakuumdestillat werden gemeinsam der Crackanlage zugeführt.

Die Produkte aus beiden Destillationskolonnen werden in weiteren Bearbeitungsschritten veredelt, z.B. entschwefelt. Beim katalytischen Cracken (crackengl. zerbrechen) werden größere Kohlenwasserstoff-Moleküle in kleinere umgewandelt. Neben qualitativ hochwertigen Benzinund Dieselölkomponenten entstehen hier auch wertvolle Chemie-Rohstoffe.

Mehr als 30 verschiedene Rohölsorten kennt der Welthandel. Vor allem die Sorten Brent und WTI sind gefragt. Wegen der vielen unterschiedlichen Arten und Qualitäten von Rohöl haben sich die Marktteilnehmer auf den Handel mit einigen wenigen lokalen Referenz-Rohölen geeinigt. Brent und WTI gehören zum so genannten Light Sweet Crude Oil - den schwefelarmen leichten Ölen, auf die sich die weltweite Nachfrage konzentriert. Aus leichten Rohölen lassen sich in den Raffinerien überdurchschnittlich hohe Benzinanteile gewinnen. Weniger gefragt und deshalb deutlich billiger sind schwerere Rohöle, aus denen sich ein höherer Anteil an schwerem Heizöl gewinnen lässt.


Über den Autor


Dipl.-Ing. Hans Jörg Müllenmeister (geb. 1941) studierte in Aachen Allg. Elektrotechnik. Seit 1966 war er in der Elektrotechnik im Bereich der Technischen Dokumentation und Information tätig. Eine Fernostreise brachte den ersten Kontakt mit Edelsteinen. Seit 1978 ist er Diamantengutachter und Edelsteinfachmann, spezialisiert auf das Studium und die Dokumentation der Einschlüsse in Farbedelsteinen. Buchautor mehrerer Edelstein-Fachbücher, seit 1995 Privatier und freier Publizist auf dem Gebiet der Sachwertanlagen, Edelmetalle, Edelsteine und Diamanten. 12/08 erschien sein viel beachtetes Werk "Erlebtes Universum".

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