Die zwei Gesichter des Anleihemarktes
Staatsanleihen mit Spitzen-Rating bringen kaum noch Rendite. Daher rücken Unterneh- mensanleihen verstärkt in das Blickfeld der Anleger. Lange Zeit war diese Form der Kapitalbeschaffung den ganz Großen vorbehalten. Mittlerweile steht sie auch kleine- ren Unternehmen offen. Mittelstandsanleihen locken mit zweistelligen Renditen.
Die Furcht vor Staatspleiten europäischer Län- der hat die Erträge der Anleihen als sicher gel- tender Staaten auf ein Allzeit-Tief gedrückt. Auf ihrer Suche nach auskömmlichen Renditen griffen die Investoren in der jüngeren Vergan- genheit verstärkt zu Unternehmensanleihen von Nestlé, Daimler & Co.
Anlageprodukt des Jahres 2012
Der Grund dafür ist einfach. Eine Konsequenz der Schuldenkrise ist, dass Anlegern Blue- Chip-Unternehmen zum Teil mehr Vertrauen entgegenbringen als hochverschuldeten Staaten. Als Paradebeispiel wird der Schweizer Nah- rungsmittelriese Nestlé angeführt, der mehrere Währungsreformen überlebt hat, ohne pleite zu gehen: „Wer vor 100 Jahren Geld in Aktien von Nestlé gesteckt hat, hat es heute immer noch. Wer vor 100 Jahren Geld in deutsche Staatsan- leihen angelegt hat, hat es mindestens zwei Mal verloren“, so Philipp Vorndran, Kapitalmarkt- Stratege des Vermögensverwalters Flossbach von Storch. In seltener Einigkeit deklarierten Experten Unternehmensanleihen daher als Anlageprodukte des Jahres 2012. Dass sich das bereits herumgesprochen hat, lässt sich an den rapide steigenden Kursen ablesen.
Sicher, aber unattraktiv
Doch wie so oft an den Finanzmärkten ist es für Anleger selten opportun, auf den fahrenden Zug aufzuspringen – insbesondere dann, wenn dieser bereits mit Volldampf unterwegs ist. Just ein solches Bild bietet sich jedoch derzeit auf dem Markt für Firmenanleihen. Verfügen diese über eine exzellente Bonität und sind sie
noch dazu sehr liquide, was häufig Hand in Hand geht, müssen sich Anleger mittlerweile ebenfalls mit Mini-Zinsen begnügen: So sind die Renditen der Papiere des Topsegments in den vergangenen Monaten drastisch gesunken. Laut Daten von Merrill Lynch bieten bonitäts- starke Schuldner (Investment Grade) nur mehr eine Rendite von 2,7%. Anleihen bester Bonität noch deutlich weniger: So konnte Daimler sich jüngst für sieben Jahre bei 2,625% refinanzie- ren, was einem Risikoaufschlag von 65 Basis- punkten entspricht. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise musste der Autohersteller für eine fünfjährige Emission noch 7,875% bieten!
So wird aus Anleihen Schrott
Auf der Suche nach höheren Renditen wen- den sich die Anleger daher wieder risiko- reicheren Segmenten zu. Neben den soge- nannten High-Yields (Junk Bonds) gilt das auch für den relativen jungen Markt der deutschen Mittelstandsanleihen. Junk Bonds oder Schrott-Anleihen wurden ursprünglich Papiere von Firmen genannt, die während der Laufzeit in so große Schwierigkeiten ge- raten waren, dass sie eine Herabstufung der Bonität durch die Ratingagenturen zur Folge hatten. Die niedrigere Note führt wiederum zu sofortigen Kursverlusten. Der niedrigere Kurs ist mithin ein Signal des Marktes für ein höheres Ausfallrisiko. Kleine und mittlere wachstumsstarke Unternehmen verfügen in der Regel jedoch über gar kein Rating. Aus diesem Grund stand ihnen bis vor wenigen Jahren diese Form der Fremdkapitalfinanzie- rung überhaupt nicht offen.
Kapital für den Mittelstand
In diese Lücke stieß im September 2010 die Börse Stuttgart. Mit BondM schuf sie einen neuen Markt speziell für Mittelstandsanlei- hen. Ziel war es, eine Struktur zu schaffen, in der sich erstmals auch kleine Unternehmen durch die Ausgabe von Anleihen refinanzie- ren können. Um die notwendige Transparenz zu gewährleisten, müssen sich alle Emittenten verpflichten, einen Ratingprozess zu durch- laufen und regelmäßig Geschäftsberichte veröffentlichen. Im Gegenzug für Gebühren, die bis zu 1,65% des Emissionsvolumens aus- machen können, erhalten die Mittelständler Unterstützung in Sachen Dokumentation und Marketing. Mittlerweile bieten alle deutschen Börsen ein ähnlich reguliertes Marktsegment an. Das Gesamtvolumen der darin notierten Anleihen beläuft sich auf rund 2,1 Mrd. Euro. Das Lockmittel, mit dem der Mittelstand An- leger zum Kauf zu bewegen sucht, ist einfach: Deutlich höhere Zinsen. Gleichzeitig gilt es, den potentiellen Käufern plausibel zu vermit- teln, dass das Risiko nicht unverhältnismäßig hoch ist, weil die Firmen in der Regel ja nicht in Schwierigkeiten stecken, sondern es sich um junge wachstumsstarke Unternehmen handelt. Mit Junk-Bonds haben diese Papiere außer der Rendite also zunächst nichts gemein.
Erste Pleite eines Mittelstandsbonds
Neben dem Handel der bereits notierten Anlei- hen haben Privatanleger die Möglichkeit, direkt an der Zeichnung der Anleihen zu partizipie- ren, was sonst in der Regel nur institutionellen Investoren vorbehalten ist. Allerdings sollten sich Anleger klar machen, dass die Inhaber ei- ner Anleihe im Falle einer Insolvenz nachran- gig bedient werden. Unter Umständen droht also im Fall einer Insolvenz ein Totalverlust. Dass dieses Risiko nicht nur auf dem Papier besteht, demonstrierten jüngst gleich mehrere Mittelständler. Im März 2011 emittierte die Erlanger Solar Millennium eine Anleihe mit einer Verzinsung von 6%. Im Dezember muss- te das Unternehmen Insolvenz anmelden. Ob die Gläubiger, darunter schätzungsweise bis zu 15.000 Kleinanleger, ihren Einsatz zumindest teilweise zurückerhalten, steht in den Sternen. Bis es so weit ist, dürften in jedem Fall Jahre vergehen. Vor kurzem rutschte nun mit dem Windkraft-Zulieferer Siag Schaaf Industrie der erste Emittent eines Mittelstandsbonds in die Insolvenz. Im Unterschied zu Solar Millenium ist Siag nicht börsennotiert und der Bond wur- de 2011 im Segment BondM emittiert.
Für die Mehrheit ungeeignet
Im Zuge dieser Pleiten gerieten auch die Kurse zahlreicher anderer Mittelstandsanleihen unter Druck. Im Gegensatz zu den Bonds der Blue- Chips verloren die Anleihen an der Stuttgarter Mittelstandsbörse BondM zwischen Juli und Dezember 2011 um rund 14%. Abschläge mussten vor allem Titel aus dem Bereich der erneuerbaren Energien hinnehmen, während Maschinenbauer und Agrarunternehmen dank ihrer guten Geschäftsentwicklung gegen den Trend zulegen konnten. Einige andere wurden von den Märkten in Sippenhaft genommen. So verloren die Bonds von Rena ebenfalls deut- lich, obwohl das Unternehmen für die ersten neun Monate des Jahres 2011 sehr gute Zah- len präsentieren konnte. Nichtsdestotrotz soll- ten Privatanleger das Segment genau prüfen, sich umfassend informieren und allenfalls nur einen kleinen Teil ihres Vermögens in Mittel- standsbonds stecken: „Borgt der Anleger einem einzelnen Mittelständler Geld, so holt er sich damit unnötig ein hohes Klumpenrisiko ins Depot“, so Nils Nauhauser, Finanzexperte von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, jüngst in einem Interview. Da es für Mittel- standsbonds kein Produkt mit ausreichender Historie gibt, sollten sich Anleger dem klassi- schen High-Yield (HY) Segment zuwenden: Seit Jahresanfang waren auf dem europäischen HY-Markt im Schnitt 11% zu verdienen. Und die Aussichten sind weiterhin rosig: Laut ING Investment bieten High-Yield-Anleihen 2012 bei unsicherer Marktentwicklung die größten Chancen im Fixed-Income-Segment.
Bonds in Fonds
Für Kleinanleger sind Fonds auch hier das Mittel der Wahl. Insbesondere sogenannte Local Currency Bonds sind in der aktuellen Lage interessant. Auf dieses Thema lässt sich beispielsweise mit dem ING (L) Renta Fund Emerging Markets Debt Local Currency (WKN: 579715) setzen. Wer auf herkömmliche Schwellenländer- Bonds setzen möchte, sollte sich beispielsweise den HSBC GIF Global Emerging Markets (WKN: 120434) näher ansehen. Interessant sind aber auch Produkte mit europäischem Fokus, beispielsweise der Nordea 1 - European High Yield Bond Fund (WKN: 529937).
Fazit:
Die Furcht vor einer Staatspleite hat die Kurse von Anleihen in die Höhe und die Renditen als sicher geltender Staatsanleihen auf ein Rekordtief getrieben. Wer keine absolute Sicherheit be- nötigt, für den sind HY-Anleihe-Fonds derzeit eine gute Wahl.