Die Welt ist ein Dorf
Frankfurter Börsenbrief
Japan ist nach den USA und China die stärkste Wirtschaftsmacht auf dem Globus mit einer jährlichen Wirtschaftsleistung von umgerechnet grob 4.300 Mrd. Dollar. Die direkte Abhängigkeit Deutschlands scheint auf den ersten Blick gering: Japan ist für Deutschland nur auf Rang 14 unter den internationalen Partnern im Außenhandel. Im deutschen Exportgeschäft entfallen gerade mal etwas über 1 % auf Japan, beim Import sind es ca. 2,8 %. Selbst in Japan scheinen die wirtschaftlichen Schäden überschaubar, denn nur etwa 6 % der Wirtschaftsleistung kommen aus der betroffenen Region. Doch eine solche Rechnung greift (abseits der menschlichen Verluste, die nicht mit Geld aufzuwiegen sind) etwas zu kurz. Denn:
Die globale Produktion ist inzwischen ein hochsensibles Uhrwerk. Etwa jedes sechste elektronische Bauteil, das rund um den Globus verbaut wird, kommt aus Japan. Beim Apple iPhone liegt der Japan-Anteil sogar bei etwa einem Drittel. Das IPhone ist letztlich eine Gemeinschaftsproduktion von 9 Unternehmen, die in Südkorea, Japan, China, Deutschland und den USA angesiedelt sind. Fehlen in einem solchen Kontext entscheidende Komponenten, kann dies den Produktionsablauf empfindlich stören, auch wenn das konkrete Einzelteil nur einen finanziell kleinen Teil der gesamten Produktionskosten ausmacht. Dabei gibt es direkte aber auch indirekte Effekte, wenn beispielsweise dem chinesischen Produzenten Bauteile fehlen und dieser die Vorprodukte nicht rechtzeitig liefern kann, die dann rund um den Globus weiter verarbeitet bzw. veredelt werden. Um die Kapitalbindung möglichst klein zu halten, fahren viele Unternehmen knappe Lagerbestände. Das ist gut für die Kapitalrendite, verkleinert aber die Pufferzone, wenn es mal zu Lieferunterbrechungen kommt. Gerade im Automobilsektor ist die Abhängigkeit von Japan erhöht. In der deutschen Opel-Produktion wurde bereits eine Schicht gestrichen. Auch VW würde in Schwierigkeiten geraten, wenn die Lieferschwierigkeiten länger als einige Wochen anhalten würden. Aber die Produktionsabläufe sind nicht alles:
Auch an den Kapitalmärkten greifen die Zahnrädchen ineinander. Nach der jüngsten Schadenschätzung der japanischen Regierung liegt der Schaden der Katastrophe bei 16 bis 25 Billionen Yen (umgerechnet etwa 309 Mrd. Dollar). Für das am 01. April beginnende Fiskaljahr könnte die Einbuße bei der Wirtschaftsleistung 2,75 Billionen Yen erreichen. Dies entspräche etwa 0,5 % der gesamten Wirtschaftsleistung Japans. Angesichts dieser (kurzen) Wachstumsdelle und der ohnehin hohen Staatsverschuldung wäre eine Abschwächung des Yen nicht abwegig gewesen. Stattdessen wertete der Yen so stark auf, dass erstmals nach etwa 10 Jahren wieder eine konzertierte Intervention der G7-Notenbanken erfolgte, um den Auftrieb des Yen zu stoppen und entsprechenden Spekulanten auf die Finger zu klopfen.
Japan ist einer der weltgrößten Gläubiger und Kapitalanleger. Wird das Geld für den Wiederaufbau benötigt und/oder bei Versicherungsgesellschaften zur Auszahlung der Schadenleistungen, dann wird mind. teils auch Geld nach Hause zurückgeholt, was faktisch Yen-Käufe bedeutet. Wird der Yen zu stark, dann kippt auch so manche Carry Trade-Konstruktion, bei der man sich zinsgünstig im Yen verschuldete, um dann höher-rentierliche Anlagen rund um den Globus vorzunehmen. Somit macht der Anstieg des Yen kausal durchaus Sinn. Werden aber in Yen finanzierte Positionen aufgelöst, dann wird das Japan-Beben sozusagen ansteckend auch in Marktsegmenten, wo nicht der geringste inhaltliche Zusammenhang zur japanischen Katastrophe besteht. Auch dies gehört zur neuen Wirklichkeit in diesem Rahmen.