Die Turbulenzen im Land der Pharaonen sind ein wichtiger Baustein der globalen Neuadjustierung

CURT L. SCHMITT Informationsdienste
Veröffentlicht von CURT L. SCHMITT Informationsdienste am 10.02.2011
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Frankfurter Börsenbrief

Es ist schon bemerkenswert, wie viele falsche Risikoeinschätzungen in den letzten Jahren entzaubert worden sind. Dazu gehört das Kreditrisiko angesichts fauler Subprime-Hypotheken, ferner das Liquiditätsrisiko bei teils eingefrorenen Marktsegmenten sowie auch das sog. Counterparty-Risk, also das Risiko, das sich aus der Geschäftsbeziehung zu Wackel- Unternehmen (wie seinerzeit z.B. Lehman Brothers) ergibt. Die europäische Krise sensibilisierte die Märkte neu für Länderrisiken. Die Märkte haben diese Entzauberungen bisher mit beachtlicher Stärke verarbeiten können. Die amerikanische Wirtschaftsleistung hat inzwischen wieder in etwa das Vorkrisenniveau erreicht. Dem S&P 500 hingegen fehlen bis zu seinem Top-Kurs aus dem Jahr 2007 noch grob ein Fünftel, was wir als realistisches weiteres Erholungspotenzial der Wall Street auch unterstellen können.


Die jüngsten Geschehnisse in Nahost schärfen die Wahrnehmung von geopolitischen Risiken. Damit verschiebt sich für viele Anleger auch die generelle Risiko- Wahrnehmung von Emerging Markets. Dazu kommt, dass die Notenbanken in einer Reihe von Emerging Markets den Fuß bereits tendenziell auf dem Bremspedal haben (z.B. China). Dies wird nicht zu einer scharfen Abbremsung führen, aber zu einem gewissen Ausbalancieren des globalen Wachstumsschwerpunktes. Die USA dürften in diesem Jahr in absoluten Zahlen einen ähnlich starken Beitrag zum Weltwirtschaftswachstum liefern wie China. Mit der stärkeren Dynamik in den etablierten Ländern (besonders auch die USA) nimmt die Magnetwirkung von Kapital in der „alten Welt“ zunächst deutlich zu. Das meint nicht nur die Portfolio-Geldflüsse, die bekanntlich sehr wechselhaft ausfallen können, sondern auch die Entwicklung von Direktinvestitionen und generell die Investitionsbereitschaft. Dies wiederum bestimmt maßgeblich mit, inwieweit Arbeitsplätze neu geschaffen werden. Die jüngsten Turbulenzen sind also für die etablierten Börsen zunächst eher Rückenwind als Störfaktor. Aber auch für den Nahen und Mittleren Osten ergibt das Aufbegehren des Volkes ein höchst interessantes Signal. Der Umsturz in Ägypten folgt einem ähnlichen Muster wie die meist friedlichen Revolutionen in Osteuropa vor grob 20 Jahren. Ähnlich wie seinerzeit in Osteuropa kann man es sich schwer vorstellen, dass hier wirklich demokratische Strukturen entstehen, was ja auch eine kulturelle Frage ist. Erinnerungen werden wach an den Umsturz im Iran vor gut 30 Jahren, woraus bis heute bekanntlich ein stark antiwestliches Land geworden ist. Doch selbst im Iran dürfte die Unzufriedenheit über die politisch/religiöse Führung inzwischen sehr groß sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass nun tatsächlich ein Demokratisierungsprozess der Region in Gang gesetzt wird, ist damit durchaus hoch. Die internationale Vernetzung (via Facebook usw.) ist inzwischen so groß, dass eine unzufriedene Masse durch ein starres Regime kaum mehr kontrollierbar ist. Eine überwiegend junge Bevölkerung, in die Zange genommen von hoher Arbeitslosigkeit und stark steigenden Nahrungsmittelpreisen ist nicht mehr bereit, alte und ineffektive Regimes durchzutragen. In einem solchen Gesamtrahmen dürften islamistische Kreise zwar neben anderen Parteien vertreten sein, aber wohl eher nicht mit einem dominierenden Einfluss (das wäre allerdings auch ein K.o.-Aspekt). Mit einem demokratischeren Nahen Osten wäre ein ganz neuer Zugang für den Friedensprozess um Israel möglich. Außerdem winkt ein hohes demographisches Potenzial. Allein Ägypten hat etwa 83 Mio. Einwohner mit einem verhältnismäßig starken Wachstum von etwa 1,9 % pro Jahr. Grob ein Drittel der Bevölkerung ist jünger als 15 Jahre. Damit könnte man bei entsprechender politischer Struktur und Offenheit sowohl zu einem Nachfrage- als auch Produktionsland werden.
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