Die jüngeren Ansätze zur europäischen Schuldenproblematik fallen auf den fruchtbaren Boden einer regelrecht ausgetrockneten Anlegerstimmung

CURT L. SCHMITT Informationsdienste
Veröffentlicht von CURT L. SCHMITT Informationsdienste am 13.10.2011
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Frankfurter Börsenbrief

Noch fehlen die Details, allerdings konkretisiert sich zumindest eine koordinierte Maßnahmenserie, was in sich schon ein Gewinn ist vor dem Hintergrund der jüngeren politischen Kakophonie. Natürlich würde eine konzertierte Aktion nicht alle Herausforderungen auf einmal lösen, aber das muss sie auch nicht. Wachstumsbremsen durch die Sparpolitik der Länder, durch eine restriktivere Kreditvergabe der Banken und mithin einer erhöhten Arbeitslosigkeit werden verbleiben.


 

Es wäre auch schon ein substanzieller Gewinn für die Märkte, wenn es der Politik gelingt, das europäische Schiff zumindest wieder auf den richtigen Zielkurs zu bringen nicht mit Zielrichtung Eskalation, sondern mit dem Ziel eines langsamen, aber gleichwohl konsequenten Herausarbeitens aus der aktuellen Misere. Der Markt hat sich inzwischen weitgehend auf den Schuldenschnitt eingeschossen und diesen auch eingepreist, wie die Bodenbildung im DAX andeutet.

Was ist, wenn der Schuldenschnitt gar kein Schuldenschnitt wird? Zumindest nicht so, wie man es erwartet? Die EZB wollte ursprünglich kein „Kreditereignis“ und dies scheint auch weiterhin die Linie von EZB-Chef Trichet zu sein. Griechenland ist letztlich die Blaupause für andere Problemländer der Eurozone. Denkbar wäre ein weicher Schnitt, bei dem es viel Verbalgetöse gibt, um Banken gefügig zu machen für individuelle Tauschoperationen mit tendenzieller Laufzeitstreckung und gegebenenfalls Anpassungen im Kupon. Auch wahlpolitisch wäre eine solche Außenwirkung sicherlich erwünscht. Denn irgendjemand muss für die Misere „bluten“. Jedenfalls müsste es bei diesem Ansatz nicht zwangsläufig zu einem echten Ausfall kommen. Wenn man den Märkten diesen Ansatz aber glaubhaft macht, wäre sogar die Rückkehr von privatem Kapital vorstellbar, im sehr spekulativen Fall für Griechenland, ansonsten aber (und das ist viel wichtiger) auch für Spanien und Italien. Das wäre eine entscheidende Verbesserung.

Eine Rekapitalisierung der Banken wäre dann gewissermaßen das zweite Sicherheitsnetz, entweder zwangsweise oder als Add-On, das möglicherweise sogar nicht wirklich ausgelotet werden müsste. Denn Banken können die Gewichtung des haftenden Eigenkapitals nicht nur durch zusätzliches Eigenkapital darstellen, sondern auch durch eine Reduzierung der Aktivseite mittels Verkäufen von Assets bzw. Kreditporfolios. Ebenfalls als ein mögliches Add-On ist die Liquiditätshilfe der EZB zu sehen als dritte Sicherungsmaßnahme, in diesem Fall nicht mit Fokus auf Solvenz, sondern auf Liquidität. Natürlich ist das alles noch sehr vage, doch die Chance besteht, wenn die Politik nun auch liefert. Das ist der Knackpunkt.

Die Märkte scheinen den Ball zumindest teilweise bereits aufzugreifen. Dies ist nicht nur am Aktienmarkt ablesbar (Erholung des Eurostoxx 50 und des DAX bereits jeweils grob 20 %), sondern auch am Anleihenmarkt (z.B. mit steigenden Renditen für den sicheren Hafen Deutschland). Indikativ ist auch eine jüngere Anleihenauktion Italiens. Platziert wurden 3-monatige Schatzanweisungen, Volumen 2,5 Mrd. €. Dabei fiel der Zins von vorher 1,907 auf 1,735 % zurück. Zudem stieg die Überzeichnung von vorher 1,86 auf 3,05. Sogar am Interbanken-Geldmarkt gab es zuletzt einen deutlichen Entlastungseffekt nach einem vorher starken Anstieg bei der Nutzung der Einlagenfazilität als Kenngröße des gegenseitigen Misstrauens in der Bankenbranche.

Der Marktstimmung ist derzeit wie ein trockener Heuhaufen. Das Short-Selling-Volumen erreichte in jüngerer Zeit das höchste Niveau seit 2006! Und dies, obwohl der MSCI All-Country World-Index derzeit in etwa eine halb so hohe Bewertung wie der Durchschnitt in den letzten ca. 16 Jahren aufweist und in etwa auf dem Niveau wie im Nachgang an die Lehman-Pleite vor etwa 3 Jahren liegt! Einen deutlicheren Anstieg bei den Short-Spekulationen ergab sich zuletzt im März 2009. Damals notierte der DAX bei grob 3.600 Punkten woraus anschließend innerhalb von 3 Jahren etwa 7.600 Punkte wurden. Viele Marktteilnehmer operieren also bereits jetzt mit doppeltem Boden, was weiträumige Verkäufe kaum wahrscheinlich macht und im Gegenteil sogar das Potenzial für scharfe Eindeckungsrallies markant erhöht hat. Dazu kommt ein bemerkenswert optimistisches Stimmungsbild bei Unternehmensinsidern, die sich eindeutig im Kaufbereich bewegen. 

 

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