Wenn sich eine Branche auf ein vereinigtes Euroland eingestellt hat, dann waren es die Banken. Die Konvergenzspekulation setzte darauf, dass die Gemeinschaft für den Einzelnen haftet und aufkommt. So war es möglich, dass sich die Renditen viel näher angleichen konnten, als dies ökonomisch wirklich Sinn machte. Dies wurde bis zur verschärften Rhetorik aus Deutschland von der Politik auch mehr oder weniger stillschweigend hingenommen. Mit anderen Worten: Im grenzüberschreitenden Kapitalverkehr gab es sicherlich Kreditrisiken zu beachten, aber das Länderrisiko sowie auch das Währungsrisiko waren gleich Null. Passend dazu: Für deutsche Staatsanleihen musste man ebenso wenig Risikopuffer vorhalten wie für ihre griechischen oder irischen Pendants. Man konnte die Papiere als Sicherheit bei der EZB hinterlegen und auf diese Weise Liquiditätsgeschäfte tätigen. Insofern nicht verwunderlich:
Damit kam es zu einem massiven Volumen grenzüberschreitender Kreditvergabe durch die Banken. Allein auf Griechenland, Irland, Portugal und Spanien entfielen etwa 1,9 Billionen €. Etwa 78 % dieses Kreditberges entfielen auf Banken ausländischer Euroländer bzw. auf Banken in Großbritannien. Es war ein wunderbares Geschäft, denn man konnte das Kapital in „Sparer-Ländern“ einsammeln und in konsumhungrigen Ländern verleihen. Kehrseite der Medaille allerdings ist eine wesentlich größere wechselseitige Abhängigkeit. Verschärfend kam hinzu:
Teilweise wurden Banken von der Aufsicht gezwungen, das bis zu 5-fache des normalen Umfangs in Staatsanleihen zu halten. Typischerweise liegt der Anteil bei 10 % der Assets. Vorher waren es eher 2 bis 3 % der Assets. Somit ergibt sich eine deutlich verstärkte Abhängigkeit der Banken von der Verfassung der europäischen Anleihenmärkte. Indirekt gilt dies auch für Versicherungen: Allein dt. Lebensversicherungen haben 726 Mrd. Euro unter Verwaltung. Inkl. Pensionskassen, Krankenversicherern und Sachversicherungen ergeben sich für Erstversicherer Kapitalanlagen im Volumen von 1.150 Mrd. €. Unschön: Mit 463 Mrd. € sind mehr als 40 % der Kapitalanlagen bei Erstversicherern an die Banken verliehen bzw. vergeben - über Anleihen oder auch als Direkteinlagen. Die direkte und indirekte Abhängigkeit der europäischen Finanzszene von Staatsanleihen ist also bemerkenswert hoch.
Die jüngste Diskussion um eine Kapitalerhöhung der EZB deutet an, dass auch die Euro-Währungshüter einen Abschreibungsbedarf bei Anleihen der Euro-Peripherie-Länder für möglich halten. Bisher kaufte die EZB Problemländeranleihen im Volumen von gerade mal 72 Mrd. €. Dies ist sicherlich noch bei weitem nicht das ganze Volumen, das in den nächsten Monaten noch gekauft werden muss, aber schon in diesem Stadium bringt die EZB eine Kapitalerhöhung ins Spiel. Ausgerechnet die EZB, die inkl. der nationalen Notenbanken auf Kapital und Rücklagen von 78 Mrd. € kommt. Hierzu sind nochmals stille Reserven im Volumen von etwa 300 Mrd. € zu addieren. Außerdem und vor allem kann die Notenbank ihr eigenes Geld drucken, um etwaige Verluste im angekauften Anleihe-Sortiment auszugleichen. Auch wenn die Diskussion der EZB nur als ein Warnschuss an die Politik gemeint war, wird dem Markt damit suggeriert, dass auch die EZB mit einem teilweisen Forderungsausfall rechnet.
Dies macht die Refinanzierung der Banken im kommenden Jahr nicht einfacher. Französische Banken haben in 2011 einen Betrag zu refinanzieren, der etwa 3,5 % der Wirtschaftsleistung entspricht. In Italien sind es 4,0 % des BIP, in Deutschland 4,9 % des BIP. In Portugal sind es 5,3 % des BIP, in Irland 5,8 % und in Spanien sogar 6,4 % der Wirtschaftsleistung. Das sind keine ungewöhnlich großen Volumina, aber es wird ein Kraftakt angesichts des angeschlagenen Vertrauens am Markt, wo selbst bei Bundesanleihen in jüngerer Zeit wiederholt weniger Nachfrage da war als Angebot. Der Wettbewerb mit staatlichen Anleiheemissionen bedeutet einen zusätzlichen Gegenwind. Die Euro-Länder haben im kommenden Jahr einen Refinanzierungsbedarf von etwa 560 Mrd. €. Inklusive der Neuverschuldung dürften es etwa 925 Mrd. € werden.