Dialog Semiconductor unter der Lupe
Veröffentlicht von
Stephan Heibel
am
23.05.2013
Eine spannende Spekulation auf neue Apple-Produkte, auf Samsung als neuen Großkunden oder aber auf Übernahmegelüste der Wettbewerber mit der Chance auf eine Kursvervielfachung. Doch wie so häufig an der Börse sind dafür auch die Risiken exorbitant hoch, da das Unternehmen derzeit maßgeblich vom Wohl und Wehe eines Großkunden (Apple) abhängig ist. Nichts für schwache Nerven, aber das Risiko könnte sich auszahlen.
REDUKTION DES STROMVERBRAUCHS VON ALLTAGSCHIPS
Es ist nicht leicht zu fassen, was Dialog Semiconductor erfindet: kleinste Chips, die durch geringen Stromverbrauch hervorstechen und gleichzeitig zunehmend komplexe und traditionell stromfressende Anwendungen abdecken. Ursprünglich wurde das Power Management, also die Verwaltung und Steuerung des Stroms, für die Sound-Module von Smartphones entwickelt, Apples iPhone ist der prominente Nutzer von Dialog Semiconductors Chips, wenngleich Dialog Semi seinen verschwiegenen Kunden Apple nicht bekanntgeben darf. Es ist in der Finanzwelt so etwas wie ein offenes Geheimnis.Dialog Semi ist mit dem fulminanten Erfolg des iPhones gewachsen, und entsprechend groß ist nun die Abhängigkeit von diesem einen Kunden. Die Schwäche Apples in den vergangenen sechs Monaten hat auch Dialog Semi mitgemacht. Das Unternehmen versucht sich angestrengt durch neue Produkte und neue Kunden breiter aufzustellen, doch ein ähnlich durchschlagender Erfolg wie das iPhone konnte bislang nicht erzielt werden.
DIVERSIFIKATION DER PRODUKTE
Kernkompetenz von Dialog Semi ist die effiziente Verteilung der Stromreserven. Begonnen wurde mit den Sound-Chips, inzwischen hat das Unternehmen einen Bluetooth-Chip vorgestellt, der nur die Hälfte des Stroms im Vergleich zu seinen Wettbewerbern schluckt. Dialog Semi versteht es, verschiedene Komponenten auf den Chip zu holen, um die Nutzung externer Resourcen (Prozessor) zu minimieren. Gleichzeitig werden stets nur die Bereiche des Chips mit Strom versorgt, die auch gerade was zu tun haben.
Okay, die Elektrotechniker unter Ihnen werden nach dieser Erklärung die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Aber es ist ein Versuch, das Geschäftsfeld dieses Wachstumsunternehmens für den Privatanleger ein wenig greifbar zu machen. Mit seinen Produkten ist Dialog Semi ein Vertragspartner von Apple, der jedoch nicht zu den finanziell maßgeblichen Komponenten des iPhones beiträgt. Der von Dialog Semi eingesetzte Chip kostet also lediglich ein paar Cent. Eine Verdopplung des Preises hätte für Apple kaum Auswirungen, lediglich die Konkurrenz könnte da mit günstigeren Angeboten punkten.
DIVERSIFIKATION DER KUNDEN
Neben Apple hat Dialog Semi inzwischen auch Samsung als Kunden gewonnen. Doch Samsung testet mehr als dass es die Chips in seinen Flagschiffen (Galaxy) einsetzt, daher ist Samsung derzeit noch ein aussichtsreicher Neukunden, nicht aber ein Gegengewicht zum Apple-Geschäft bei Dialog Semi.POTENTIELLE KURSTREIBER
In meinen Augen gibt es drei mögliche Ereignisse, die der Aktie Beine machen können: Apple könnte ein neues Produkt, beispielsweise ein iPhone Mini, auf den Markt bringen, Samsung könnte in großem Stil auf Dialog Semi setzen oder ein anderer Chip-Produzent (Qualcomm, Intel, ARM Holding, ...) könnte an Dialog Semi Interesse haben und das Unternehmen übernehmen.Schauen wir uns zunächst aber einmal an, wie das Unternehmen bewertet ist, um anschließend die Auswirkung einer solchen Meldung abzuschätzen.
BEWERTUNGSNIVEAU FAIR
Im laufenden Jahr möchte das Unternehmen den Umsatz um 10% steigern, nächstes Jahr um weitere 14%. Der Gewinn würde Analystenschätzungen zufolge in diesem Szenario um 23% bzw. 28% resp. ansteigen. Das KGV 13e von 14 ist vor diesem Hintergrund extrem günstig, da ich bei Wachstumsunternehmen bereit bin, bis zu dem zweifachen KGV im Verhältnis zum Gewinnwachstum anzusetzen.Die Bilanz ist sauber, das Unternehmen verfügt über Barreserven in Höhe von 100 Mio. Euro. Eine Dividende wird nicht gezahlt.
ZUKUNFTSÄNGSTE
Grund für die günstige Bewertung von Dialog Semi sind Zukunftsängste – nicht des Unternehmens, sondern der Anleger. Seit sechs Monaten folgt eine Hiobsbotschaft nach der anderen über den Hauptkunden Apple. Die Wachstumsgeschwindigkeit verlangsamt sich. Andere Zulieferer haben überraschend große Abschreibungen auf Lagerbestände vorgenommen, da Apple schneller auf neue Technologien gewechselt hat als zunächst geplant. Auch Dialog Semi ist von dem sprunghaften Verhalten Apples getroffen worden, meldete zuletzt schwache Zahlen für den Jahresauftakt und gab einen sehr verhaltenen Ausblick.Kein Wunder, die erste Phase des Smartphone-Booms ist vorbei, die Geräte werden den Herstellern nicht mehr aus der Hand gerissen. Ein Wettbewerb kommt auf, und nach der zuvor fast Monopolstellung Apples ist jede Studie über den nunmehr rückläufigen Marktanteil eine Hiobsbotschaft für die erfolgsverwöhnten Zulieferer.
Für das zweite Halbjahr werden von Apple wieder eine Reihe neuer Produkte erwartet: Ein neues iPhone, vielleicht ein iPhone Mini, vielleicht eine iWatch, die über Bluetooth mit dem iPhone oder iPad kommunizieren kann, ... einen Hinweis auf die iWatch gibt die jüngste Pressemeldung von Dialog Semi, in der explizit der neue Bluetooth-Chip für klein genug beschrieben wird, um sogar in einer Uhr zum Einsatz zu kommen.
Doch der Halbleitermarkt ist schnelllebig, die Konkurrenz ist größtenteils wesentlich größer und finanzkräftiger, und bei einem Nischenanbieter ist jede neue Produktgeneration wieder mit dem Risiko behaftet, Geschäft an die Konkurrenz zu verlieren. Insbesondere mit Apple als Großkunden wäre ein solches Ereignis ein herber Rückschlag für das Unternehmen, das aktuelle Bewertungsniveau ließe sich dann nicht mehr rechtfertigen.
Doch derzeit deutet nichts darauf hin, dass Apple die Kooperation mit Dialog Semi in Frage stellt, im Gegenteil. Es scheint als setze Apple weiterhin fest auf Dialog Semi. Es ist also sicherlich sinnvoll, sich die Gefahren dieses Unternehmens bewußt zu machen. Doch derzeit gibt es noch keine Anzeichen, dass eine der Gefahren Wirklichkeit werden könnte.
TOP ODER FLOP
Wenn ich also ein KGV vom zweifachen Gewinnwachstum für vertretbar halte, also 46-56, ist dann das KGV von 14 nicht extrem günstig? Wie zuvor gezeigt: Ja, aber... die Risiken sind vorhanden. Das Unternehmen hat kaum einen inneren Wert, wenn der Hauptkunde von der Stange geht.Auch Leerverkäufer (Shorts) wissen das, und zudem verfügt das Unternehmen noch nicht über eine Dividende. Es ist eine beliebte Aktie für Shortseller, die leerverkaufen und anschließend negative Gerüchte im Markt verbreiten. Mangels Dividendenrendite gibt es keine wirkliche Untergrenze für einen solchen Ausverkauf, der fundamental orientierte Anleger auf den Plan ruft. So konnte die Aktie bis unter 9 Euro gedrückt werden.
Sollte Apple jedoch bald mit den Absatzzahlen zum iPhone positiv überraschen oder aber sogar ein iPhone Mini ankündigen, dann dürfte Dialog Semi noch kräftig weitersteigen. Ein KGV von der einfachen Gewinnwachstumsgeschwindigkeit bei 23 würde so zu einem Kurs von 18 Euro führen.
FAZIT: GROSSE CHANCE MIT VERTRETBAREM RISIKO
Mit einem übermächtigen Großkunden ist und bleibt Dialog Semi bis auf Weiteres ein Zockerpapier, das in guten Zeiten exorbitant große Kurssprünge verzeichnen kann. In schlechten Zeiten kann die Aktie jedoch stärker fallen, als dies mit irgendwelchen Bilanzkennziffern zu rechtfertigen wäre. Das Risiko bei diesem wenig diversifizierten Halbleiterproduzenten bleibt groß, die Chance dafür aber auch.Auf dem aktuellen Niveau, auch nach den 30% Kursgewinn den vergangenen Wochen, bleibt Dialog Semi eine aussichtsrecihe Spekulation auf eine anziehende Nachfrage der Halbleiterindustrie. Die Überkapazitäten der ersten Sturm und Drang Phase sind zunächst abgebaut. Doch in diesem schnelllebigen Geschäft ist es schwer, die Waage zwischen Zukunftsinvestitionen und erneuten Überkapazitäten zu finden. Dialog Semi ist daher nur etwas für Anleger, die täglich am Ball bleiben. Diesen winken im günstigsten Fall dafür aber auch exorbitante Kurschancen.