Der Verfall des Ölpreises bringt Profiteure, aber auch Verlierer hervor

Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH
Veröffentlicht von Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH am 29.10.2014
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Aktionärsbrief

Seit Mitte Juni befindet sich der Preis für Rohöl auf dem Rückzug. Sowohl die Sorte Brent als auch WTI haben seitdem rund 25 % eingebüßt. Der Preis für ein Barrel der Sorte Western Texas Intermediate hat zum Beginn dieser Woche erstmals seit Juni 2012 die Marke von 80 $ unterschritten.


Der deutliche Preisrückgang kommt natürlich denen zugute, die auf Rohöl oder daraus hergestellte Produkte angewiesen sind. Das sind beispielsweise Autofahrer oder aber Privat- und Firmenkunden, die mit Öl heizen. Ein großer Profiteur ist aber auch die Luftfahrtbranche, macht doch Kerosin einen großen Teil der variablen Kosten aus. Zudem gehören auch Länder, die von Energieimporten abhängig sind, zu den Gewinnern, wirkt doch der Ölpreisrückgang wie ein Konjunkturprogramm.

Es gibt aber auch Verlierer. Dazu gehören vor allem Unternehmen, die ihren geschäftlichen Schwerpunkt in der Förderung von Rohöl haben, denn sie erhalten für das Öl einen niedrigeren Verkaufserlös. Zudem fallen Förderprojekte, die immense Investitionen erfordern, unter die Profitabilitätsschwelle. Aber auch Zulieferer und Dienstleister, die von den Aufträgen der Ölförderer leben, geraten unter Druck, wenn ihre Auftraggeber Projekte aufschieben oder gleich ganz streichen. Auch ganze Staaten, die ihren Staatshaushalt vornehmlich aus dem Verkauf von Rohöl finanzieren, gehören zu den Verlierern.

Warum befindet sich der Ölpreis im Abwärtssog? In erster Linie ist das reichliche Angebot die Ursache. Vor allen Dingen in den USA gibt es wegen des Frackings ein großes Angebot, sodass die Lager prall gefüllt sind. Darüber hinaus ist Öl aus Libyen nach einer vorübergehenden unruhebedingten Unterbrechung wieder auf dem Markt. Der Irak hingegen kann sein Angebot trotz des IS-Terrors noch größtenteils aufrechterhalten. Eine wichtige Rolle spielt aber auch Saudi-Arabien. Die weltgrößte Ölfördernation hatte sich in den letzten Jahren stets als Zünglein an der Waage gesehen, wenn es darum gegangen war, Angebots-Schwankungen des OPEC-Kartells auszugleichen. Haben Kartellmitglieder ihr Angebot erhöht, hat Saudi-Arabien seines gedrosselt und umgekehrt. Seit dem Sommer hat Saudi-Arabien aber diese ausgleichende Rolle aufgegeben und sein Angebot konstant gehalten.

Für große integrierte Ölkonzerne hat der Ölpreisverfall nicht nur Nachteile. Zwar verdienen Multis wie ExxonMobil, Chevron, BP oder Royal Dutch Shell weniger, wenn sie ihr gefördertes Öl auf dem Weltmarkt verkaufen, aber diese Unternehmen sind ja eben nicht nur in der Förderung (Upstream) aktiv, sondern auch in der Weiterverarbeitung (Downstream). Wenn der Einstandspreis für den Rohstoff Rohöl fällt, der Preis für die in den Raffinerien hergestellten Produkte wie Benzin, Diesel oder Heizöl aber stabil bleibt, steigt die Gewinnmarge. Mit der Zeit fallen zwar auch die Endprodukte im Preis, weil die gesunkenen Einstandskosten über den Marktmechanismus auch an den Endkunden weitergegeben werden, das aber nur mit zeitlicher Verzögerung. Das reicht, um zumindest vorübergehend die Gewinnmarge auszuweiten. Der gewinnsteigernde Effekt kann beträchtlich sein: BP beispielsweise kann für jeden Dollar pro Barrel, um den sich die Raffineriemarge erhöht, ca. 500 Mio. $ zusätzlichen Betriebsgewinn generieren. In den letzten Wochen war diese Marge fast 6 $ höher als im letzten Quartal des Jahres 2013.

Hauptprofiteure des Ölpreisverfalls sind aber unabhängige Raffineriebetreiber. Hier schlägt jeder Dollar, um den das Rohöl billiger wird, 1:1 auf die Gewinnmarge des Unternehmens durch und wird nicht durch eine erodierende Marge im Upstream-Geschäft teilweise oder ganz aufgefressen. Hier sind vor allem die US-amerikanische PHILLIPS 66 (WKN: A1J WQU; 75,68 $) und die finnische NESTE OIL (WKN: A0D 9U6; 17,07 €) zu nennen.

Hauptverlierer des sinkenden Ölpreises sind dagegen reine Förderunternehmen. Hierzu gehören beispielsweise die US-Unternehmen EOG RESOURCES oder CONTINENTAL RESOURCES. Sinkende Verkaufserlöse könnten diese Unternehmen dazu zwingen, Investitionen in neue Förderprojekte zu reduzieren. Darunter würden dann auch Zulieferer und Dienstleister für die Ölindustrie leiden. Dazu gehören dann z.B. Unternehmen wie SCHLUMBERGER oder SGS. Natürlich würden auch Bohrunternehmen (Driller) leiden, wie z.B. TRANSOCEAN oder NABORS. Auch Zulieferer für Förderanlagen und Lieferanten für Komponenten würden unter Druck geraten. Hier sind zum Beispiel NATIONAL OILWELL VARCO oder SULZER zu nennen.

Es gibt aber auch ganze Branchen abseits der Ölbranche, die von der Preisentwicklung des Rohöls beeinflusst werden. So gehört die Chemiebranche beispielsweise zu den Gewinnern, ist hier doch Rohöl ein wichtiger Rohstoff, der zur Herstellung von vielen Produkten benötigt wird. Der Einfluss variiert aber stark. Generell lässt sich jedoch sagen: Desto weiter das Unternehmen von der Basischemie positioniert ist, desto geringer sind die Auswirkungen des Ölpreises. Zudem ist der günstige Effekt niedrigerer Rohstoffkosten auf die Marge nicht dauerhaft, denn mit der Zeit zwingt der Markt dazu, zumindest einen Teil der Einsparungen an die Kunden weiterzureichen.
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