Das Verbot von Short-Selling auf zehn deutsche Finanzwerte und Staatsanleihen wird sich zum klassi- schen Eigentor entwickeln

CURT L. SCHMITT Informationsdienste
Veröffentlicht von CURT L. SCHMITT Informationsdienste am 19.05.2010
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Frankfurter Börsenbrief

Die offizielle Begründung der BaFin lautet, man wolle Volatilität aus dem Markt nehmen. Das Beispiel des entsprechenden Banns an der Wall Street 2008 zeigt, dass dieses Ziel mit dieser Maßnahme nicht erreicht werden kann. Damals stieg die Intraday-Volatilität bei vom Bann getroffenen Papieren um 11,61 % und bei den anderen Papieren um 8,19 %. Eine stumpfe Waffe. Im Gegenteil hat diese Maßnahme ausschließlich negative Konsequenzen:


1. Der Ausschluss von Short-Sales sorgt für einen Liquiditätsabfluss aus Märkten. Aktuell zu beobachten, als der Euro in den ersten zwei Stunden nach Bekanntgabe des Verbots von Short-Selling durch die BaFin um zwei Cent fiel. Investoren flüchten sehr zügig auf ausländische Märkte oder auf ausländische Handelsplattformen, wie ein Forscherteam um Ekkehart Böhmer von der University of Oregon ermittelte. Studien für den britischen Markt ergaben einen Rückgang des Handelsvolumens zwischen 10 und 21 %. Was ist die Folge? Wenn sich Liquidität auf zu viele Handelsplätze verteilt, wird die Kursstellung ineffizient. Anleger finden weniger Kontra- henten, um ihre Deals abzuwickeln. Eine Abwärtsspirale kann sich in Gang setzen. Die Händler und Market Maker reagieren sofort: 2. Die Spreads weiten sich als Folge aus. Bei den US-Aktien, die im Herbst 2008 vom Leerverkaufsverbot betroffen waren, hat sich die Geld-Brief-Spanne von 0,42 auf 1,45 % fast verdreifacht. Die negativen Wirkungen überwälzen sich auch auf Aktien, bei denen kein Leerverkaufs-Verbot verhängt worden war. Dort stieg der Spread immerhin noch von 0,35 auf 0,58 %. Kein Einzelfall: Ähnliche Ergebnisse ermittelten Forscher der Universität Göteborg bei ihren Untersuchungen zum britischen Short-Selling-Verbot vom Herbst 2008. In einer Studie von Clifton Snape wurde ein Anstieg der Spanne zwischen Kauf- und Verkaufskursen von 15 auf 36 Basispunkte bei vom Short-Selling betroffenen Werten ermittelt und von 13 auf 20 Basispunkte bei den anderen Papieren berechnet. Höhere Spreads machen es für alle Kapitalmarkt-Teilnehmer von Pensionskassen bis zum Riester-Sparer schwieriger, Renditen zu erzielen, weil der Spread erst einmal aufgeholt werden muss. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Effizienz von Märkten und letztlich auf die Altersversorgung und die Investment- kultur. 3. Ein Verbot von Short-Selling führt nicht zu höheren Kursen. Böhmer und seine Forscherkollegen untersuch- ten den Effekt, dass kurz nach den Banken auch für 61 weitere Aktien an der Wall Street ein Leerverkaufsverbot verhängt wurde. Vor allem für Industrieunternehmen wie IBM, GM, GE etc. Deren Kurse entwickelten sich schlechter als die einer Vergleichsgruppe, die nicht vom Bann betroffen war. Woran liegt das? Bei den großen Vermögensverwaltern sind ungedeckte Leerverkäufe eines der wichtigsten Mittel des Risikomanagements. Kein Asset-Manager erläutert seinem Kunden gerne zweistellige Vermögensverluste, also wird über dieses Vehikel die Performance geglättet, Risiko aus dem Depot genommen. Die einschlägige Literatur ist voll von diesen Modellen. Wenn der Asset-Manager sein Depot nicht mehr auf diese Weise absichern kann, muss er sein Exposure reduzieren, auf deutsch: Er muss verkaufen, um die Risikotragfähigkeit des Depots neu zu adjustieren. Die Verkäufe führen logischerweise zu weiteren Kursverlusten, denn das Volumen dieser Verkäufe ist naturgemäß höher als das vorheriger Absicherungsgeschäfte über Leerverkäufe.. Short-Seller können keineTrends machen, sondern diese immer nur verstärken. Leerverkäufe machen mit 2 % des Handelsvolumens in normalen Zeiten und bis zu 12 % in extremen Börsensituationen keine Trends, bilden aber dennoch ein wichtiges Regulativ für die Kursstellung. Die US-Banken verfielen nicht, weil einige böse Buben-Attacken auf die eigentlich gesunden Institute geritten haben, sondern weil diese massive Schiefla- gen aufwiesen. Griechenland muss nicht deshalb so hohe Zinsen bezahlen, weil das internationale Spekulantentum sich gegen sie verschworen hätte, sondern weil sie bei den Bilanzen getrickst und den Staats- haushalt vor die Wand gefahren haben. Kein Short-Seller wird sein Vermögen riskieren, um eine Wette gegen ein gesundes Underlying anzuzetteln. Im Gegenteil deckt Short-Selling Missstände auf. Die Verkäufe von Short- Sellern sorgen dafür, dass die „normalen Investoren“ keine überhöhten, nicht zu rechtfertigenden Preise für Assets bezahlen müssen. Ein Verbot von Short-Selling verhindert eine marktgerechte Preisfindung. Der Short-Seller wird seine Position immer schließen, wenn der faire Preis erreicht ist. Alles andere bedeutet ein zu hohes Risiko für sein Vermögen. Was kann gegen faire Preise am Markt eingewendet werden? Bernhard Baruch meinte dereinst: „EinMarktohneLeerverkäuferistwieeineDemokratieohnefreiePresse.“Markteffizienzwirdgesteigert, wenn neue Informationen in alle Richtungen genutzt werden können und nicht nur in eine. Die Markteffizienz wird zudem durch Arbitrage-Geschäfte (Ausnutzung von Preisdifferenzen für ein und dasselbe Produkt an verschiedenen Märkten) zwischen Future- und Kassamärkten verbessert, die auch nur unter Zulassung von Short-Spekulationen möglich sind. Es ist festzustellen:. Es existieren keineVorteile eines Short-Selling-Verbots. Ein Forscherteam der Universität vonYale hat für insgesamt 46 Aktienmärkte im Zeitraum 1990 - 2001 die Wirkung von Short-Selling-Restriktionen untersucht. Das Ergebnis fasst Prof. Arturo Bris zusammen: „Wir finden wenig überzeugende Belege dafür, dass Be- schränkungen von Leerverkäufen starke, plötzliche Kursrückgänge von einzelnen Aktien verhindert oder abgeschwächt hätten.“ Zusammengefasst: Short-Seller sorgen dafür, dass Märkte effizienter funktionieren. Forscher gehen davon aus, dass das Phänomen von Spekulationsblasen an Immobilienmärkten deshalb deutlich häufiger auftritt als an Aktienmärkten, weil dort Short-Geschäfte nicht möglich sind. Die BaFin stellt sich ein schlechtes Zeugnis aus. Wenn es keine Vorteile des Short-Selling-Verbotes gibt - und die genannten Studien wurden nicht von Investmentbankern mit Eigeninteresse, sondern von renommierten Professoren verfasst - wie kommt die Finanzaufsicht dann dazu, Short-Selling zu verbie- ten? Weil sie es nicht besser weiß? Das wäre ein Armutszeugnis für die BaFin, weil sie sich eigentlich auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft bewegen sollte. Das verlangt sie auch von den von ihnen überwachten Instituten. Oder wider besseres Wissen, um den zehn Finanzdienstleistern einen Gefallen zu tun? Das wäre ein Armutszeugnis - gerade auch in Sachen Unabhängigkeit. Oder um der Politik einen Gefallen zu tun? Robert Sloan schrieb einst in einem seiner Bücher so richtig: „Short-Seller sind ein bequemer Sündenbock für Banker, Politiker und Aufseher - dann brauchen sie nicht über ihre eige- nen Fehler zu reden.“ Es wäre ein Armutszeugnis, wenn sich die BaFin so vor den Karren von Partei- Interessen spannen ließe, um populistischen Forderungen nachzugeben, die Aktionismus vortäuschen. Die Regierung ist bisher eine Antwort schuldig geblieben, wie das Leerverkaufsverbot oder die Finanz- transaktionssteuern, die mit genau den gleichen Problemen behaftet sind, denn geeignet sein sollen, die Probleme zu lösen, welche handfesten Vorteile das Verbot hat oder wie dieses Verbot denn wirken soll. Und vor allem, wie die damit verbundene Einschränkung der Refinanzierungsmöglichkeit der Unternehmen wegen Ineffizienz an den Märkten denn kompensiert werden könne. Das Verbot ist ein Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Problemen. Zum Beispiel, wie der Staat mit dem ihm anvertrauten Geld umgeht. Short-Seller und Spekulanten laden sich keine Verschuldung bis zur Gesichtslähmung auf, haben nicht bei den Maastricht-Kriterien geschummelt, den Euro nicht unsauber ge- strickt. Spekulanten sind für das Marktgefüge wichtig. Wer soll der EZB die jetzt aufgekauften Griechen- Anleihen jemals wieder abkaufen? Investoren kommen dafür aus regulatorischen Gründen nicht in Frage. Der Crash an der Wall Street vom 8.5. war auf die Einstellung der Handelsaktivitäten bei den größten Spekulanten am Markt, den High Frequency-Tradern, zurückzuführen. Sie sorgen erst für notwendige Liquidität. Außerdem: Wer soll bei Absicherungsgeschäften die Gegenpartei bilden, wenn nicht das „smart money“? Das wichtigere Kernthema ist die Risikoadäquanz. Die Maßnahmen der BaFin sollen sich gegen die Spekulanten richten. Die Staatsbanken wie WestLB oder BayernLB waren am stärksten bei den US-Hypothekenbanken und in Griechenland engagiert. Eine Deutsche Bank, die stets als Hort des exzessiven Kapitalismus gebrandmarkt wird, hat keine Risiken in die Bücher genommen, die sie nicht tragen konnte. Sie brauchte mithin keine Staatshilfe, sondern hat mit einem Ausnahmejahr im Gegen- teil die Staatskasse mit Steuern gefüttert.
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