Das Rennen um den Titel „Größter Autohersteller der Welt“ ist in vollem Gang

Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH
Veröffentlicht von Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH am 25.03.2015
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Aktionärsbrief

Die branchenübliche Messgröße ist der Absatz, also die Anzahl der verkauften Autos. Selten war das Rennen so knapp wie im vergangenen Jahr: Toyota lag mit gerade mal 1,4 % mehr abgesetzten Fahrzeugen vor dem Dritten, General Motors. Dazwischen: Volkswagen als Branchenzweiter. Noch vor sechs Jahren gab es solche Kopf-an-Kopf-Rennen mit abschließendem Photo-Finish nicht: Damals lag derselbe Sieger noch mit 42 % vor dem Drittplatzierten und der Abgeschlagene hieß damals Volkswagen. Seitdem hat der europäische Branchenführer kräftig Terrain gutgemacht.


Der Kampf um die Nr. 1 ist innerhalb der Branche auch ein Prestigekampf. Absatz steht für Größe und Größe verspricht Prestige. Aber Absatz ist auch eine wichtige Determinante für den Umsatz und letztlich auch für den Gewinn. Aber eine allzu kurzsichtige Konzentration auf Absatzsteigerung birgt auch gefährliche Risiken, wie das Beispiel General Motors zeigt: Wegen einer hohen Kostenlast sah sich GM veranlasst, diese Kosten auf möglichst viele produzierte Autos zu verteilen. Doch dieser Weg war ein Irrweg und endete bekanntermaßen 2009 in der Insolvenz des Unternehmens. GM hat seine Lehren daraus gezogen: CEO Mary Barra konzentriert sich nun auf Rentabilität vor Volumen. „Früh im nächsten Jahrzehnt“ will man auf Basis des bereinigten EBIT eine Marge von 9 % bis 10 % realisieren. GM North America, die 2014 noch durch kostenintensive Rückrufaktionen eingebremst wurde, will die 10 %-Hürde bereits im laufenden Jahr überwinden. Um das zu erreichen, muss man noch ein weites Stück gehen, denn 2014 hatte man vor Sondereffekten gerade mal 6,6 % erreicht, während es auf Konzernebene sogar nur 4,5 % waren.

Bei Toyota hingegen gehört das immerwährende Streben nach Verbesserungen bereits seit langer Zeit zu den Unternehmensgrundsätzen. In vielen Disziplinen, wie z.B. bei der Marge, ist Toyota deswegen die Referenz, die es zu schlagen gilt. Weitere Verbesserungen sind allerdings wegen der sehr hohen Ausgangsbasis immer schwieriger zu erreichen. Toyota droht deshalb, die Rolle des Branchenplatzhirsches zu verlieren. Zum einen rechnet man 2015 mit einem Absatzminus von 1 %, was vor allem auf die Erwartung einer schwächeren Entwicklung auf dem Heimatmarkt und in Südostasien zurückgeht. Aber auch wegen China ist Toyotas Spitzenplatz gefährdet. Mit einem Volumen von gut 1 Mio. verkaufter Autos hat man 2014 auf dem größten Automarkt gerade mal ein Drittel dessen erreicht, was GM (3,5 Mio.) und VW (3,7 Mio.) dort abgesetzt haben. In einem überdurchschnittlich wachsenden Markt wiegt dieser Nachteil natürlich doppelt.

VW hat gute Chancen, bereits 2015 das Zepter von Toyota zu übernehmen. Vor allen Dingen das Premiumsegment mit Audi und Porsche wächst kräftig und bedient die Kundenansprüche besser als Toyota und GM. Aber insbesondere GM sollte man nicht zu früh abschreiben, wenn sich der US-amerikanische Heimatmarkt weiterhin als stark erweist.

Jeder der drei Hersteller hat regionale Stärken und Schwächen. GM und Toyota litten 2009 im Zuge der Finanzkrise mehr als VW unter dem Einbruch des US-Marktes. Bei Toyota kam 2011 noch das schwere Erdbeben und die Havarie des Kernkraftwerks Fukushima erschwerend hinzu. VW hingegen ist stark in Europa positioniert, einem Markt, der in den vergangenen Jahren extrem herausfordernd war, aber in dem man stetig Marktanteile hinzugewinnen konnte. Ein Pfund, mit dem VW ebenfalls wuchern kann, ist die dominierende Stellung in China, wohin man mittlerweile 40 % seiner Produktion ausliefert. Das ist natürlich eine Chance für weiteres überproportionales Wachstum, birgt aber auch Risiken, wie die zuletzt eher schwachen Zahlen aus dem Reich der Mitte zeigen.

VW könnte schon bald der größte Autohersteller der Welt werden, aber wird er auch der profitabelste? Dazu sind zweistellige betriebliche Margen vonnöten. GM will spätestens in 10 Jahren in diese Sphären vorstoßen. VW hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2018 auch ökonomischer Branchenführer zu werden. Toyota hingegen hat das Jahr 2014 mit zweistelligen Margen abgeschlossen, nachdem man bereits zum Beginn des neuen Jahrtausends mehrmals nah drangewesen war. Für VW bleibt in dieser Hinsicht noch viel zu tun, liegt man doch gerade mal im Bereich von 6 % bis gut 7 %. Aber die Voraussetzungen sind sehr gut. VW hat in den vergangenen Jahren Milliarden in das modulare Baukastensystem investiert. Diese komplexe Standardisierung von Komponenten und Produktionsprozessen eröffnet hohes Einsparpotenzial. Die Früchte wird VW in den kommenden Jahren zunehmend ernten können. Neben dem überproportional hohen Einsparpotenzial steigen aber wegen der hohen Komplexität auch die Risiken. Dennoch hat VW das größte Aufholpotenzial, was die Margen angeht. Toyota hingegen hat das Problem der hohen Ausgangsbasis. GM hat ebenfalls Aufholpotenzial, u.a. weil sich die in den USA beliebten und margenstarken Pick-up-Trucks wegen des niedrigen Benzinpreises derzeit sehr gut verkaufen. Allerdings könnte sich in den USA mittlerweile auch ein Preisrisiko aufbauen, genährt durch ein spätzyklisches Umfeld, ein langsam steigendes Zinsniveau und einen anhaltenden Kapazitätsaufbau.

Summa summarum ist die Ausgangslage für VW am besten. Der europäische Markt beginnt sich zu erholen, während der chinesische Markt auch weiterhin trotz der Abkühlungstendenzen überdurchschnittlich wachsen wird. Die vergleichsweise schwache Präsenz auf dem US-Markt geht man zudem jetzt mit neuen Modellen an, die dem Anforderungsprofil US-amerikanischer Kunden besser entsprechen. GM hingegen wird die abflauende Nachfrage in den USA dagegen überproportional zu spüren bekommen. Dem Unternehmen ist es schon im Aufschwung nicht gelungen, seinen Umsatz spürbar zu steigern. Toyota hingegen konnte deutlich zulegen, allerdings lediglich aufgrund des schwachen Yen. Fazit: An VW kommt niemand vorbei, der in Automobilwerte investieren will. Es bleibt bei unserem Kursziel von 300 €.
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