China tritt auf die Bremse

CURT L. SCHMITT Informationsdienste
Veröffentlicht von CURT L. SCHMITT Informationsdienste am 27.01.2010
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Frankfurter Börsenbrief

Über das explo- dierende Kreditvolumen hatten wir bereits mehr- fach berichtet.


Den staatlichen Stellen wird es nun selbst ein wenig mulmig. In den ersten beiden Wochen des laufenden Jahres wurde die Kreditvergabe noch einmal im Vergleich zum Vor- jahr verdoppelt. Jetzt zieht die Notenbank den Zügel enger. Die Geldpolitik läuft im Reich der Mitte allerdings anders als im Westen. Der Schwerpunkt der Steuerung liegt nicht bei den Zinsen. In der Vergangenheit war der Mindest- einlage-Satz der wichtigere Hebel für die Geld- politik. Auch verbal wird gerne mal ein „Ballon losgelassen“. So war in der jüng- sten Lage-Einschätzung der Notenbanken erstmals seit dem vierten Quartal 2008 nichts mehr von einer „angestrebten losen Geldpolitik“ zu lesen, was bereits für einigen Aufruhr sorgte. Am Montag dieser Woche fand sich der Terminus aber wieder in den offiziellen Statements. Finanzminister Xie Xuren warnte, daß ein Ausstieg aus den Stützungsmaßnahmen schwere Schäden verursachen könn- te. Mit der Förderung der Binnennachfrage geht auch immer latent eine Inflati- onsgefahr einher. Dennoch ist auch der Führung klar, daß ein Geldmengen- wachstum von jenseits der 30 % extrem ungesund für die Wirtschaft sein muß. So wurde ein Teil der Verantwortung für die Kredite bereits im Dezember auf die Banken verlagert. Das ist kein Ende des Dirigismus in diesem Umfeld. Aber ein erster Schritt zur „Normalisierung“ im Kreditwesen. Die Märkte reagierten be- reits allergisch mit heftigen Kursrückgängen. Aber: Die Emerging Market-Story ist noch nicht zu Ende. Vor rund 200 Jahren vereinigten China und Indien rund 40 % des Welt-BIP auf sich. Mit der Kolonialisierung (Gegner sagen, dem Imperialismus) gelangte die westliche Welt nicht nur in eine politische Vorherrschaft, sondern auch in eine ökonomi- sche Blüte. Der Bogen scheint überspannt in dem Sinne, als die westlichen Staaten die Entwicklung der ständigen Wohlfahrtsmehrung über Gebühr prolongiert haben. In der Erwartung, daß die Prosperität sich noch ausbauen läßt, wur- de die Zukunft beliehen. In den USA am extremsten, aber auch in den europäischen Ländern. Die Verschuldung von 70 - 200 % des BIP spricht diesbezüglich Bände. Eine Verschul- dung, die kaum zurückzuführen ist, sondern im Gegenteil die öffentlichen Haushalte belastet (Marc Faber erwartet bis 2020 einen Anteil des Zinsdienstes am Staatshaushalt von 30 - 50 %) und damit der allgemeinen Wohlfahrt abträglich ist. Da die Zeiten des Kolonialismus vorbei sind, der Welthandel immer freier wird, kann sich der Westen nicht mehr auf Kosten der restlichen Welt regenerieren. Das Pendel schlägt im Gegenteil jetzt zurück. In den Emerging Markets ist - trotz der Kreditexplosion in China im letzten Jahr - die Verschuldung noch relativ gering. In Vietnam wird ein Haus noch bar bezahlt. Hypo- theken sind unbekannt. Die meisten Asiaten haben kein Konto und können deshalb auch keinen Kredit bekom- men. Das bedeutet eine deutlich langsamere, aber gesündere Entwicklung. In den letzten zehn Jahren sind die Emerging Markets im Durchschnitt mit 7,3 % beim BIP gewachsen, der Westen mit gerade mal 1,9 %, Japan sogar noch schwächer. China hat Deutschland als Exportweltmeister überholt. Noch in diesem Jahrzehnt wird auch Indiens Wirtschaftsleistung die Deutschlands übertreffen. Das ist keine ungewöhnliche Entwicklung, wenn wir bedenken, daß der Westen nur 20 % der Weltbevölkerung stellt und auf die lange Sicht natürlich nicht den Konsum darstellen kann wie der Rest der Welt. Das ist kein aktuelles Thema, aber für die erste Hälfte des Jahrhunderts relevant. Akut ist hingegen die Inflationsproblematik. Das gilt für Indien als auch für China, die beide in Richtung 10 % Teuerung wandern. Auch deshalb muß die Geldpolitik restriktiver werden. Wir erwarten zudem eine noch stärkere Kanalisierung der Kreditvergabe per Dekret. Der Dirigismus ist kein auf das Inland beschränktes Phänomen: In puncto Kolonialismus sind die Chinesen gelehrige Schüler. 97 % der Vorkommen der seltenen Erde, die so wichtig für die technologische Entwicklung sind, haben sie sich bereits gesichert. Dazu ge- hören solche raren Metalle wie Indium, Tantal, Yttrium und Neodym. Indium, das für die Herstellung von Displays und Dünnschichtsolarzellen benötigt wird, wird nach Angaben des „US-Geological Sur- vey“ zu 60 % in China gefördert. Die Popularität von Elektroautos hat auch zu einem stark steigenden Bedarf an Neodym geführt. Dieses Metall wird nicht nur für die Permanentmagnete von Elektromotoren gebraucht, sondern ist auch ein wichtiger Bestandteil von Generatoren in Windkraftanlagen. Auch hier ist China weltweit mit großem Abstand wichtigster Lieferant. China ist als weltgrößter Verbraucher von Aluminium, Zink, Gold, Eisenerz, Kupfer und vielen ande- ren Ressourcen bestrebt, sich den Zugang zu sichern und vollzieht dies in Afrika ebenso skrupellos wie die spanischen Konquistadoren Mitte des letzten Jahrtausends. An fast allen australischen Minen halten die Chi- nesen bereits Beteiligungen. Der Know-how-Transfer aus dem Westen ermöglicht eine zunehmende Autarkie auch bei technologischen Spitzenprodukten. Gleichzeitig werden westliche Unternehmen systematisch vom Markt ferngehalten. Google steht hier nur exemplarisch für viele, viele andere Sektoren. Wegen der hohen Ver- schuldung ist der Westen zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um gegenhalten zu können.
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