Bröckelndes Vertrauen in US-Politik

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 03.10.2013
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Was, wenn der US-Kongress am Wochenende eine Einigung findet? Diese "Frage", oder sollte ich sagen "Angst" treibt die Börsen und Shortseller am heutigen Freitag um. Wir befinden uns in der Zwischenphase, für die ich Ihnen ein langsames Abbröckeln der Kurse in Aussicht gestellt hatte. Hoffnung und Angst wechseln sich ab, Klarheit ist nicht in Sicht. Nachdem der Dow Jones gestern kräftig Federn ließ, dürfte es heute zu einer kleinen Erholung kommen. Wer riskiert schon eine neue Shortspekulation vor dem Wochenende, wenn eine Einigung jederzeit überraschend verkündet werden könnte. Da ich jedoch noch nicht mit einer Einigung rechne, dürfte es dann am Montag weiter bergab gehen. Das Kursniveau ist noch viel zu hoch, als dass die Kongressabgeordneten den Druck verspüren, eine Einigung zu finden.


Merkels Gleichgültigkeit

Gestern Abend habe ich einen Kabarettisten gesehen, der ein neues Merkel-Phänomen beschrieb: Gleichgültigkeit. Es geht uns zu gut, als dass wir wütend bei unseren Politikern anrufen und Änderungen einfordern. In den USA sieht es ähnlich aus, die Wirtschaft schickt sich an, aufzuschwingen, und die US-Bevölkerung ist zufrieden beschäftigt. Zudem sagt Warren Buffet, dass die zwangsweise Aussperrung von öffentlich Angestellten kein Drama darstelle. Wenn das nur ein oder zwei Wochen dauere, werde man das kaum in der Konjunkturentwicklung des Landes sehen.

Sollen die Politiker sich doch um das Haushaltsbudget streiten wie sie wollen, es wird ja früher oder später doch zu einer Einigung kommen, werden sich die meisten US-Wähler denken. Und die Politiker erfreuen sich weiter in ihren konträren Lagern, peitschen die Stimmung weiter rauf - vergeblich - und verspüren nicht den geringsten Druck, ihre Position aufzuweichen. Daher wird diese unentschiedene Situation meiner Ansicht nach noch eine Weile anhalten.

Was könnte denn Bewegung in die Verhandlung bringen? Was wird zuerst kommen, das Ei oder die Henne? Wird eine andauernde Unentschiedenheit im Kongress die Aktienkurse drücken? Oder sind eben niedrigere Aktienkurse notwendig, um Bewegung in die Verhandlung zu bringen? Ich glaube letzteres!

Nicht wegen der Patt-Situation fallen die Kurse, sondern erst wenn die Kurse fallen wird die Patt-Situation aufgehoben werden. Erst wenn Wähler ihrem Unmut über die unverantwortliche Haltung der Politiker Luft machen, wird Bewegung in die Verhandlungen kommen. Und um die Gleichgültigkeit der Wähler zu beenden, braucht es etwas, das jedem Wähler weh tut: Ein Verlust in seinen Aktienfonds, einen Vermögensverlust.

Es ist daher auf dem noch immer hohen Niveau in meinen Augen zu früh, um an eine Lösung an diesem Wochenende zu glauben.

Schauen wir uns einmal die Entwicklung der wichtigsten Indizes im Wochenvergleich an:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


Am stärksten ist der japanische Nikkei mit -5% eingebrochen. Die ungewisse Situation des US-Haushaltsbudegets wird weithin als Grund angeführt. Das ist auch nachvollziehbar, denn der Aufschwung in Japan wird durch billiges Geld, durch einen schwachen Yen und dadurch letztlich eine hoffentlich anziehende Nachfrage aus dem Ausland genährt. Sprich: Japan macht sich derzeit wettbewerbsfähig für die internationalen Märkte, insbesondere die USA als Haupt-Handelspartner. Wenn nun die USA in wirtschaftliche Schwierigkeiten laufen sollten, was vor dem Hintergrund der Patt-Situation nicht ausgeschlossen werden kann, sind die Anstrengungen Japans umsonst.

Der DAX hält sich verhältnismäßig gut. Wo sonst kann man derzeit investieren? In den USA nicht, in Japan nicht, lediglich Deutschland steht verlässlich da. Immerhin hat Angela Merkel die Wahlen gewonnen und international nimmt man beruhigt zur Kenntnis, dass die Politik, die Deutschland in den vergangenen acht Jahren so gestärkt hat, unverändert fortgesetzt wird... zumindest glaubt man dies.

Besser noch: EZB Chef Supermario Draghi sprach diese Woche davon, das die EZB bereit stehe, gegebenenfalls weitere liquiditätsfördernde Maßnahmen zu ergreifen. Während also in den USA nur noch der Zeitpunkt des Tapering (Drosselung der Liquiditätsflutung) diskutiert wird, verspricht unser Supermario mehr Geld. Man sollte meinen, dass der Euro vor diesem Hintergrund zur Schwäche neigt. Doch der erklimmt neue Hochs, weil noch immer die Angst im Markt existierte, Europa könne wieder ins Trudeln geraten, wenn die Geldschraube zu früh angezogen wird.

Auch die Rallye im Baltic Dry Verschiffungsindex macht eine Pause. Der Index ist ein guter Indikator für die Im- und Exportaktivität Chinas, doch auch dort wird man aufgrund der in den USA bestehenden Patt-Situation vorsichtig.

 

TESLA: DAS ENDE DES SHORT-SQUEEZE

Diese Woche wurde auf YouTube das Video eines brennenden Tesla Model S veröffentlicht (http://www.aktien-meldungen.de/Unterhaltung/Video-des-Tages/Feuer-im-Tesla-Model-S). Der Wagen war gegen einen Pfeiler gefahren und dabei wurde ein Teil der Batterie so stark zerstört, dass sie nach einer Weile Feuer fing. Der Fahrer, so Tesla, konnte zuvor unversehrt den Wagen verlassen.

Die Aktie von Tesla ist umgehend um 9% eingebrochen. Ist das Auto doch nicht so überlegen, wie es in den vergangenen Monaten dargestellt wurde? Platzt nun die Bewertungsblase von Tesla? Nein und ja.

Nein, das Feuer ist kein Indiz für ein minderwertiges Fahrzeug. Das Feuer ist ein Indiz dafür, dass es sich um ein irdisches Fahrzeug handelt. Ja, unter bestimmten Umständen können Dinge brennen, insbesondere Batterien. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein solcher Vorfall einmal durch die Presse schwirrt. Doch immerhin: Der Fahrer ist unversehrt, das Feuer brach nur mit einer Verzögerung aus und blieb auf den unmittelbar umliegenden Bereich der kaputten Batterie begrenzt, die Feuerwehr hatte den Brand schnell unter Kontrolle.

Doch, dass nun zufällig jemand dieses Feuer per Video aufnimmt und auf Youtube stellt, wo es bereits einige hunderttausend Menschen aufgerufen haben, das ist natürlich eine schlechte Publicity, der sich auch die Aktie nicht entziehen kann.

Nun wird sich zeigen, ob die Rallye bei Tesla nur ein Short Squeeze war, oder aber von überzeugten Anlegern getrieben wurde. Ein Short Squeeze entsteht, wenn Leerverkäufer (Short Seller) auf dem falschen Fuß erwischt werden. Sie spekulieren auf einen fallenden Kurs bei Tesla und haben eine Anzahl an Aktien leerverkauft, für die sie das erforderliche Kapitel zum Rückkauf der Aktien bereit halten müssen.

Steigt nun die Aktie wieder erwarten an, dann müssen sie mehr Kapital bereithalten, um die Anzahl an Aktien zurückkaufen zu können. Sollten sie nicht mehr in der Lage sein, mehr Kapital bereit zu halten, wird der Broker die Position zwangsweise eindecken: Er kauft die leerverkauften Aktien mit unlimitierten Kaufaufträgen zurück und treibt dadurch den Aktienkurs weiter in die Höhe.

Durch diese Zwangseindeckung steigt also der Kurs, weitere Leerverkäufer könnten dadurch in die Notlage geraten, nicht mehr das erforderliche Kapitel bereitzustellen, und so folgt schon bald die nächste Zwangseindeckung, was den Kurs weiter antreibt. Dieser Vorgang wiederholt sich so lange, bis der letzte Leerverkäufer insolvent ist ... oder bis der Kursanstieg durch irgendein für die Aktie negatives Ereignis gestoppt wird.

Allein wenn der Kurs nun einige Tage auf dem Niveau von 10% unter dem vorigen Höchstkurs verharrt, werden weitere Zwangseindeckungen ausbleiben. Alle, die auf diesem Kursniveau insolvent gingen, wurden bereits vor vier Wochen zwangseingedeckt. Somit bleiben nun Folgekäufe aus, wenn nicht neue Anleger das aktuelle Kursniveau für günstig halten und jetzt noch einsteigen.

Das Kursniveau ist aber schon lange nicht mehr günstig. Je länger der Kurs nun nicht mehr seinen Aufwärtstrend wieder aufnimmt, desto schwerer wird es für eine Fortsetzung der Rallye. In meinen Augen ist der Kurseinbruch von 10% mehr als ausreichend, um den Short Squeeze zu beenden. Entsprechend sollte die Aktie in ein paar Tagen beginnen, gen Süden zu segeln. Wer also diese Spekulation auf der Long-Seite mitgemacht hat, der sollte nun seinen Gewinn einstreichen.
 

ADOBE: VORTEILE DES CLOUD-MODELLS MIT FEHLERN

Adobe hat sein Geschäft erfolgreich umgestellt: Wurden früher noch CDs mit der Software Photoshop, Freehand oder Acrobat verkauft, so werden heute Abonnements dieser Software in der Cloud vertrieben. Früher mussten also die Kunden selber die Updates und Upgrades auf ihren Rechnern durchführen. Wenn man nicht mehr wollte, konnte man auch aussteigen und mit einer dann zunehmend veraltenden Version weiterarbeiten.

Heute stellt das Abonnement des Cloud-Dienstes sicher, dass man immer mit der aktuellsten Software arbeitet. Zudem ist es für den Kunden nun auch möglich, die Software gleichermaßen vom PC und Laptop, als auch vom Touchpad oder Smartphone zu nutzen. Für Adobe liegt der Vorteil darin, dass die Kunden monatlich einen kleinen Betrag zahlen statt einmalig die hohe Summe der Anschaffung zu tragen. Das Geschäftsmodell mit Abonnements ist sehr stabil, wie Ihr Autor aus eigener Erfahrung weiß.

Adobe erfährt daher seit der Umstellung auf die Cloud ein immer höheres Bewertungsmultipel. Früher ging es mit jedem neuen Release wieder ums Ganze. Heute sind die Einnahmen relativ konstant über das Jahr und über die verschiedenen Release-Wechsel verteilt. Konstanz mag man an der Börse, entsprechend schrauben Analysten ihre Kursziele immer weiter in die Höhe. Die Aktie ist so binnen zwei Jahren von 16 auf 37 Euro gestiegen. Im Heibel-Ticker sind wir ein kleines Stückchen dieser Strecke erfolgreich mitgesegelt.

Gestern ist die Aktie von Adobe jedoch um 3% eingebrochen. Eingebrochen waren nämlich Häcker in die Cloud von Adobe und haben Millionen Kundendaten geklaut. "Sehen Sie", sagen nun die deutschen Datenschutzbeauftragten, "die Cloud birgt zusätzliche Risiken!". Richtig, kann ich darauf nur antworten. Zusätzliche Risiken erfordern zusätzliche Lösungen, die Adobe finden wird. Diese Risiken stellen das Geschäftsmodell nicht in Frage, sie führen lediglich zu neuen Investitionen in die Sicherheit, um das Geschäftsmodell wasserfest zu machen.

Es ist also ein Stolperstein auf der Erfolgsstraße von Adobe, der von interessierten Anlegern zum Einstieg genutzt werden kann. Mehr nicht.
 

EPIGENOMICS: VERTRIEBSPARTNERSCHAFT IN DEN USA

Ja, endlich hat Epigenomics einen Vertriebspartner für das so wichtige US-Geschäft gefunden. Die alten Heibel-Ticker Kunden unter Ihnen werden sich erinnern: 2010 hatten wir das Unternehmen aufgenommen und 2011 mit kleinem Verlust wieder abgestoßen. Das Unternehmen hat einen alternativen Darmkrebstest, der ohne Darmspiegelung auskommt und verhältnismäßig gute Testergebnisse liefert. Der Test gilt als Kompromiss für diejenigen Patienten, die eine Darmspiegelung fürchten und meiden. Sollte in dem Test von Epigenomics ein erhöhtes Risiko festgestellt werden, dann steht die Spiegelung dennoch an, um Gewissheit zu bekommen.

Insbesondere in dem US-Gesundheitssektor wird diesem Test eine hohe Erfolgsquote bescheinigt, wenn er einmal zugelassen wird. Der Test ist wesentlich billiger als eine Darmspiegelung und dürfte daher von vielen Amerikanern, die ihre Rechnungen selber zahlen müssen, gerne angenommen werden.

Die Aktie hat sich in den vergangenen zwei Monaten verdoppelt. Doch der vermeintliche Erfolg wurde teuer erkauft. Die Zulassung dauert viel länger als erwartet. Mir liegen keine Informationen vor, warum der eigentlich harmlose Test noch immer auf seine Zulassung in den USA wartet. Zudem hat Epigenomics seither mehrere Kapitalmaßnahmen durchführen müssen, um das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Wer 2010 die Aktie kaufte, ist auch nach der Kursverdopplung heute noch mit ca. 50% im Minus. Und daran, dass nun alles aufgeholt werden kann, ist auch nicht zu denken, denn es gibt inzwischen nicht nur mehr Aktien, auf die ein Gewinn verteilt werden muss, sondern auch eine Kooperation, die nur mit einer teilweisen Abtretung des Gewinns erkauft wurde.

Ich würde die Aktie also trotz der positiven Entwicklung nicht kaufen.
 
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