Bringt das trojanische Pferd die Unternehmensgewinne zu Fall?

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 29.04.2010
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Heibel-Ticker Börsenbrief

Die Griechen streiken. Akamai freut sich über mehr Internet- Traffic, das Quartalsergebnis war so überraschend gut, dass der Aktienkurs um 18% nach oben sprang. Whow, nun will auch Hewlett Packard ein Stückchen mehr vom Smartphone- und Netbookmarkt abhaben; das Unternehmen hat gestern Palm gekauft. 1,2 Mrd. USD für eine Firma, die es nie so richtig in die oberen Plätze geschafft hat. Nicht schlecht. Im Kolumnen-Ticker habe ich aufgezeigt, dass nicht die Eroberung des Smartphonemarktes das Ziel von HP ist, es ist ein willkommener Begleitumstand. Richtig interessant ist es für HP jedoch, wenn das Palm-Betriebssystem auf Smartphones und Netbooks eingesetzt werden kann, dann spart HP nämlich jährlich hunderte Millionen USD an Lizenzgebühren, die es andernfalls an Microsoft überweisen müsste. Unternehmen investieren, es gibt ein Gerangel um die besten Positionen in Wachstumsmärkten wie dem mobilen Internet, dem Video-Streaming und dem Cloud Computing. Die Aktien der beteiligten Unternehmen befinden sich in einem tobenden Bullenmarkt, denn bei kleinen Korrekturen wird sofort gekauft, und es folgt eine Rallye zum nächsten Hoch.


Doch in Deutschland beschäftigt man sich mit den Schulden Griechenlands, die uns nun auch noch vorwerfen, nicht schnell genug das Portemonnaie aufzumachen. Auch der IWF und die EZB werfen Angela Merkel eine zu zögerliche Haltung vor. Und natürlich auch der französische Präsident Sarkozy, dessen Spendierfreude weit hinter der von Frau Merkel zurückbleibt. So entwickelt sich Deutschland langsam zum Buhmann der EU während die Griechen ihre Arbeit niederlegen. Doch schauen Sie sich einmal die jüngsten Quartalsergebnisse unserer DAX-Unternehmen an: Siemens, SAP, Daimler und natürlich die Deutsche Bank haben allesamt dicke Gewinne erwirtschaftet und bei der Gelegenheit gleich ihre Gewinnprognosen für das laufende Jahr 2010 angehoben. Kann uns denn in diesem Umfeld ein kleines Land wie Griechenland aus der Bahn werfen? Nun, der DAX ist zumindest um 0,4% zurückgegangen, während der Dow Jones um 0,3% angestiegen ist. Auch der Nikkei ist diese Woche mit einem Prozent im Plus. Investitionen, die bis vor kurzem noch nach Griechenland flossen, fließen nun in die USA oder nach Japan. Die dortigen Aktienmärkte steigen. Gelder, die kürzlich noch die tollen Renditen griechischer Anleihen kassieren wollten, werden jetzt in deutsche Bundesanleihen umgelenkt, die Umlaufrendite ist auf ein historisches Tief bei 2,63% gefallen. Obwohl in der Bevölkerung Einigkeit darüber besteht, dass uns eine Inflation bevorsteht, sinken die Renditen unserer Anleihen weiter: Der letzte „sichere Hafen“. Was, wenn dieser temporäre Effekt endet und auch die Bundesregierung höhere Zinsen für unsere Schulden zahlen muss – auch für die neuen Schulden, die wir nun für Griechenland aufnehmen sollen? China wächst mit über 13%, die USA haben immerhin ein Wirtschaftswachstum von 3,2% erzielt. Schauen Sie sich mal die Geschäftsentwicklung der Logistikunternehmen an: UPS und FedEx wissen nicht, wie sie die internationalen Transportaufträge abarbeiten sollen. Nach den Einsparungen der vergangenen Jahre arbeiten die nun noch verfügbaren Arbeitskräfte am Limit, die Personalkosten sind „schlank“, wie man so schön sagt, das Umsatzwachstum geht direkt in ein Gewinnwachstum über. Neu eingestellt wird später. So auch in Spanien, wo heute eine Arbeitslosigkeit von 20,1% vermeldet wurde. Wir haben einen Aufschwung ohne neue Arbeitsplätze. Unternehmen stellen nicht ein, weil sie verunsichert sind. Verunsichert über die Rahmenbedingungen, die sie in zwei Jahren vorfinden werden: Die neuen Finanzmarktregeln, die seit der Finanzkrise versprochen wurden, sind noch nicht einmal am Horizont sichtbar. Gleichzeitig haben die damaligen Akteure, die über die Immobilienderivate die Weltwirtschaft fast in die Knie gezwungen haben, heute ein leichtes Spiel mit den Kreditausfallversicherungen von Griechenland, Portugal, Spanien, Irland und Italien. Im September 2008 wurde Lehman Brothers von Spekulanten in die Insolvenz getrieben. Keine Frage: Lehman Brothers war marode und war einer der schlimmsten Teilnehmer am Markt der toxischen Immobilienderivate. Doch fehlende Finanzmarktregeln ermöglichten es Spekulanten, das Unternehmen in die Insolvenz zu treiben, bevor eine marktschonendere Lösung gefunden werden konnte (Übernahme, Kapitalerhöhung, Staatshilfe, ...). Das gleiche passiert derzeit mit Griechenland: Wenn Frau Merkel nicht schnell genug das Scheckbuch öffnet, geht Griechenland in die Insolvenz. Oh, welch eine Formulierung: Griechenland IST insolvent, doch das Land hofft noch auf reichhaltige Geschenke aus dem Ausland, um die unrühmliche Vergangenheit nicht allzu brutal offen legen zu müssen. So langsam werden spektakuläre Einzelfälle aufgedeckt, aus denen nach und nach das Ausmaß der griechischen Misswirtschaft ersichtlich wird. Staatliche Rentenansprüche werden an die Kinder der verstorbenen Rentenbezieher weitergezahlt, weil die ineffiziente Verwaltung zu viele Todesmeldungen verschludert. Zig-tausende „tote“ Rentner werden noch bezahlt. Griechische Eisenbahngesellschaften erzielen einen Jahresverlust, der die gesamten Einnahmen um das siebenfache übersteigt! Ohne Korruption lassen sich nach Angaben aus der Bevölkerung kaum Dinge bei den Behörden bewegen. Und das Schlimmste bei alledem: Sie werden viele Menschen (Individuen) treffen, die auf diese ungerechten Gelder angewiesen sind. Beginnt man am unteren Ende den Missstand zu korrigieren, so gibt das heutige System den ärmeren Schichten keine Möglichkeit, sich ihren Lebensunterhalt auf ehrliche Weise zu verdienen. Also streiken die Griechen. In diesem Punkt kann ich das Volk der ältesten Demokratie verstehen. Ich kann jedoch nicht verstehen, warum Deutschland diesen Missstand finanziell ausgleichen soll. Doch schauen wir etwas weiter: Würde Deutschland nicht helfen, so wäre Griechenland insolvent. Im Falle einer Insolvenz würde Griechenland auf der einen Seite die ausstehenden Verbindlichkeiten (Staatsanleihen, die früher einmal als „sicher“ galten) betrachten und auf der anderen Seite schauen, was sie davon realistisch tatsächlich zurückzahlen können. Sagen wir einmal fiktiv: Die Hälfte. Die Gläubiger der griechischen Staatsanleihen müssten also auf die Hälfte ihres Vermögens verzichten. Wer sind nun die Gläubiger? Nun, zum einen das ohnehin stark gebeutelte griechische Volk. Insbesondere der Teil der Volkes, der Sicherheit suchte. Aber sicherlich auch der Teil des Volkes, der zuviel Geld zum Anlegen hatte. Geld, das aus dem maroden System vielleicht hätte gar nicht in deren Hände fließen sollen? Man kann an dieser Stelle keinen Schuldigen finden. Doch wenn man vor dem Hintergrund der Krise pauschal vorgehen muss, dann zeigt sich schnell, dass das griechische Volk im europäischen Vergleich überdurchschnittlich wohlhabend ist – der private Schuldenstand ist gering und viele wohnen in den eigenen vier Wänden. Ein weiterer großer Gläubiger sind die vier großen griechischen Banken. Schätzungen zufolge würde im Falle einer Abwertung der griechischen Staatsanleihen deren Abschreibungsbedarf dazu führen, dass sie insolvent würden. Der Staat müsste eingreifen und würde in Folge dessen anschließend Mehrheitsaktionär bei den Banken. Wenn wir uns anschauen, dass wir in Deutschland nur noch eine große Bank im Privatbesitz haben (Deutsche Bank), finde ich es schon erstaunlich, dass die griechischen Privatbanken sich so lange halten konnten. Und eine dritte große Gläubigergruppe sind institutionelle Anleger aus der EU und der Schweiz. Die Schweiz? Ich habe noch kein Wort von den Schweizern gehört, dass sie sich an der Rettungsaktion beteiligen wollen. Nun, und in Deutschland sind es mal wieder die Banken – mit Ausnahme der Deutschen Bank. Ackermann hat auch hier wieder ein gutes Risikomanagement bewiesen und kann das Engagement seiner Bank in Griechenland als „gering“ bezeichnen. Bleiben die üblichen Verdächtigen, die inzwischen sämtlich am staatlichen Tropf hängen. Wenn Deutschland also hilft, dann um den Deutschen Staatsbanken größere Verluste zu ersparen. Aber ist es letztlich dann egal, ob der Steuerzahler Hilfen direkt nach Griechenland überweist oder aber die Banken in Deutschland erneut auffängt? Während Angela Merkel immer wieder von der Geschwindigkeit, mit der sich die Krise ausbreitet, überrascht wird, finden sich alte Freundschaften wieder. Was schon 2007 und 2008 in der Finanzkrise funktionierte, läuft auch heute wieder nach dem gleichen Schema ab: Spekulanten treiben die Kreditausfallversicherungen von einzelnen Ländern in die Höhe. Diese müssen teurere Kredite aufnehmen und flugs sind die Ratingagenturen bei der Hand und werten die Kreditwürdigkeit ab, was den Teufelskreis weiter antreibt. Moodys hat nun Spanien im Visier, S&P hat bereits Griechenland auf Junk-Status gesetzt und Portugal drastisch abgewertet. Die Griechen streiken, die Portugiesen verfallen in Panik, die Spanier beschuldigen sich gegenseitig. Irland lässt verlauten, das sei alles kein Problem und man werde damit schon fertig und aus Italien ist garnichts zu hören – dort lässt man sich den Appetit vermutlich nicht verderben, denn es geht schließlich nur um Papiergeld. Wer ist also Schuld an der ganzen Misere? Können wir den Griechen einen Vorwurf machen, jahrelang die Korruption nicht bekämpft zu haben? Ja. Aber es bringt uns nicht weiter. Können wir den Banken den Vorwurf machen, Griechenland mit zu riskanten Bilanzmethoden ins offene Messer haben laufen lassen? Goldman Sachs steht aufgrund ähnlicher Vorwürfe derzeit vor Gericht sowie vor dem Untersuchungsausschuss des US-Senats. Die Frage, ob man einen Intermediär dafür verantwortlich machen kann, Geschäfte zu ermöglichen, ohne Rücksicht auf die Moral der Geschäfte, müssen sich die Schweizer schon seit Jahrhunderten gefallen lassen. Rechtlich gesehen war alles korrekt. Die moralische Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Ihr Autor hat aus diesem Grund nach seinem Studium die Rückkehr zur Bank verweigert. Bei den Banken ist also nicht viel zu holen, und wenn, dann sind die maßgeblichen Banken, also die deutschen, ohnehin in Staatshand. Wen gibt es noch? Ahh, schauen Sie einmal, wie viele deutsche Autos in Griechenland fahren! Die deutschen Autobauer haben ja einen riesigen Reibach gemacht, als die Griechen Dank ihres maroden Systems große deutsche Schlitten kaufen konnten. Da wäre es doch nur fair, wenn die deutschen Autobauer nun auch an der Rettung Griechenlands beteiligt würden, oder? Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sich dieses Argument auch vorzüglich auf Portugal übertragen lässt. Selten habe ich so schöne deutsche Autos gesehen wie im Nobelviertel Restelo von Lissabon. Oder schauen Sie mal in den Küstenorten nördlich von Lissabon. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Argument ernsthaft weiter verfolgt wird. Aber es hat in den vergangenen Tagen schon ausgereicht, um die Deutschen nachdenklich zu machen, ob sie nicht doch eine gewisse Verpflichtung haben, Griechenland zu helfen. Mit Steuergeldern. Die USA haben Lehman Brothers, die weltweit verstrickt waren, pleite gehen lassen. Die Kosten der Pleite hat die ganze Welt getragen, einen besonders großen Anteil davon haben unsere deutschen Unternehmen, damals noch private Banken, getragen – also aus heutiger Sicht wir Steuerzahler. Griechenland ist nun in gewisser Weise das Pendant Europas zu dem ehemaligen US-Finanzproblem. Die amerikanische Antwort wäre, sich zurückzulehnen und zu warten, wie die internationalen Märkte damit umgehen. Der Kostenbeitrag Deutschlands wäre meiner Einschätzung nach deutlich geringer. Oder schwingt sich Deutschland auf zum Moralapostel, der großzügig Fehler Dritter vergibt und zahlt? Portugal, Spanien, Irland und vielleicht auch Italien stehen schon parat, als nächstes bei uns anzuklopfen. Nicht, weil sie faul sind, sondern weil sie faul waren und bereits im Visier der Spekulanten sind. Die toxische Abwärtsspirale ist bei Portugal und Spanien bereits in Gang gesetzt worden. Mein Fazit: Kaufen Sie Gold. Und, übrigens, das sollte ich auch häufiger erwähnen, kaufen Sie Aktien. Denn vor dem Hintergrund solcher Turbulenzen werden sich Werte besser halten als Barmittel. Da derzeit Europa Probleme hat, würde ich mir überlegen, ob ich nicht einen größeren Teil meines Vermögens als sonst üblich in US- und andere außereuropäische Aktien lege. Dort brummt die Wirtschaft, dort werden die Auswirkungen unserer Probleme verhältnismäßig gering bleiben. Ich habe dieser Tage den Heibel-Ticker PLUS Kunden ein internationales Unternehmen vorgeschlagen, das meiner Einschätzung nach recht gut durch diese Krise hindurchsegeln wird.
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