Banken: Die Banken-Spekulation gewinnt mit den aktuellen Ergebnissen eine neue Dimension
Veröffentlicht von
Hans A. Bernecker Börsenbriefe GmbH
am
21.04.2010
Sie ist Teil unserer alten Einschätzung seit dem Krisentief 2008/2009, aber strategisch eine Fortsetzung der schon frühzeitig formulierten langfristigen Entwicklung. Alle großen Banken haben im operativen Geschäft ihre Ertragsqualität erreicht, die vor den Krisenereignissen galten. Dies gilt bereinigt um spekulative Exzesse oder sonstige Besonderheiten, die als Sonderfall zu werten sind. Dazu gehören auch Prozesse, wie der jüngste Fall GOLDMAN SACHS zeigt.
Wo liegt die durchschnittliche Ertragsqualität und wohin geht die ebenfalls durchschnittliche mittlere Bewertung dieser Gewinne, also das KGV? Das Banken-KGV liegt stets um etwa zwei Punkte niedriger als der Durchschnitt für Industrieaktien. Ein KGV von 12 bis 13 für Industrieaktien bedeutet also ein KGV von 10 bis 11 für gute Banken. Dabei liegt die Bewertung der amerikanischen Banken eher etwas unter derjenigen der Europäer, was auf den riskanteren Teil des Investmentbanking zurückzuführen ist. Kann man eine Hochrechnung bis 2012 wagen? Das hängt zunächst davon ab, wie weit gesetzliche Einschränkungen demnächst erfolgen und mithin bestimmte Arten von Geschäften entweder verboten werden oder höhere Sicherheiten verlangen. Dies ist eine ausschliesslich politische Entscheidung. An der Grundtendenz des weltweiten Investmentbanking wird sich dagegen nichts ändern. Somit spaltet sich die Bankenwelt schon ab diesem Jahr in zwei Gruppen: 1. Das Investmentbanking wird angelsächsisch dominiert bleiben, also USA und Großbritannien. Daran führt kein Weg vorbei und es wird keine Einschränkungen geben, die dies ernsthaft in Frage stellen. Ob dafür höhere EK-Erfordernisse gelten, bleibt dahingestellt.
Deshalb sind die Banken in New York und London eine aktuelle Comeback-Spekulation bis zu dem Zeitpunkt, wenn die genannten KGVs als nachhaltig sicher gelten. Dann ist für uns Schluss! 2. Auf dem Kontinent werden die Einschränkungen umfangreicher ausfallen, vor allem aus innerpolitischen Gründen der jeweiligen Länder. Deutschland hat keinen Banken-, sondern nur einen Sparkassen- Markt. Zur Diskussion stehen mithin nur zwei Namen, wie bekannt. Für Frankreich, Italien und andere Länder der Eurozone gilt sinngemäß das Gleiche. Hier werden Tradings weiterhin möglich sein, aber mit Sicherheit keine langfristigen Dauer-Investments. 3. Die Schweiz wandert in eine Sonderrolle. Sie ist die zweitgrößte Finanzdrehscheibe nach London und wird nach Verarbeitung der Steuerstreite in ihrer Struktur eine deutliche Erweiterung in Richtung Asien/Nahost erfahren. Eine Ausweitung der Investments über die beiden Großen hinaus ist eine mögliche Variante, die wir bisher vermieden haben. Zwei bis drei Adressen kommen in Frage, wenn die Folgen des genannten Steuerstreits besser zu übersehen sind. JULIUS BÄR gehört dazu, was wir vorab erwähnen. Einige kleinere Spezialisten stehen auf der Watchlist.
Die größte Spekulation betrifft die Briten-Banken. Was macht der größte Finanzplatz Europas aus dem Beinahe- Zusammenbruch von zwei großen Banken, die nur mit Staatshilfe über Wasser zu halten waren? Es ist eine Herausforderung für das erfahrenste Bankensystem der Welt. Hier ist die Expertise und Kompetenz gefragt, aus einem Unfall- Auto wieder eine erstklassige Limousine zu konstruieren. Wir halten diese Spekulation für eine echte Herausforderung, aber dafür auch mit Abstand größten Comeback- Gewinn. Wer liegt höher als derjenige für alle amerikanischen Alternativen? Der Verlauf von RBS steht stellvertretend für alle, inkl. der beiden Irland-Banken, die hier einzuordnen sind. Nach dem Fall „GOLDMAN SACHS“ vor 8 Tagen, mit dem alle Banken sofort in die Krise gerieten. Das amerikanische Banken-Comeback geht mit dem Fall GOLDMAN SACHS in eine erste und ernste Bewährungsprobe für seine langfristige Einschätzung. Wir werten es als Zwischenstation, nachdem die Berichtssaison für Q. 1 erledigt ist. Alle Banken haben in der Erholungsphase rd. 240 % zugelegt. Auffällig ist die Gleichartigkeit dieser Erholung mit der Ausnahme CITIGROUP. Mithin: Wo liegt das aktuelle Konsolidierungsrisiko, gemessen an den inzwischen weitgehend bekannten, nachhaltigen Gewinnschätzungen? Diese führen zu einem KGV von 7 bis 8 als grober Mittelwert. Mit dem jüngsten Skandal um die Investmentbank GOLDMAN SACHS beginnt die juristische Aufarbeitung der Finanzkrise. Anwälte und Politiker wetzen schon die Messer und auch dieser Prozess wird sehr lange dauern. Minimum 2 - 3 Jahre wird diese Aufarbeitung in Anspruch nehmen und die dabei neu geschaffenen Präzedenzfälle werden eine Flut von Sammelklagen mit sich bringen. Damit ist ein Großteil des Finanzsektors mehr als abgelenkt und in seinem Gestaltungsspielraum eingeschränkt. Mithin: Ein 20 %-Rückfallrisiko steckt in jeder Aktie. Im Zweifel auch 25 %.
Dies läuft meist im Gleichschritt und nicht wesentlich anders als vor gut einem Jahr, damals, mitten in der Finanzkrise. Der nächste Einkauf oder Zukauf verläuft nach dem gleichen Muster wie damals: „Investieren, wenn die Kanonen donnern.“ Die Limit-Spannen werden wir laufend überprüfen, halten sie aber im Wesentlichen für ausreichend. Also warten, bis die Kanonen donnern! Für die laufende Berichtssaison gelten folgende Konsensschätzungen und Veränderungen gegenüber dem Vorjahr: Banken und Versicherungen (Finanz) erreichten den Rekordgewinn von 20,1 Mrd $ und ein Plus von 205 %. Dies korrespondiert ziemlich genau mit den Kursgewinnen der Banken, wie in der folgenden Tabelle (Seite 6) gezeigt. Genauer geht es eigentlich gar nicht. Es folgen Rohstoffe und zyklische Konsumgüter und alle anderen rangieren unter „ferner liefen“. Für den S&P 500 ergibt sich ein Gewinn- Plus von 37 %, was sich vergleichsweise bescheiden ausnimmt. Ebenfalls interessant: Das Umsatzwachstum in den einzelnen Sektoren zeigt eine auffällige Diskrepanz. Finanz stagnierte im Umsatz und schaffte den größten Gewinnzuwachs. Energie weitete den Umsatz am stärksten aus, aber verdiente bestenfalls normal. In den klassischen Sektoren Rohstoffe, Technik und Energie steckt bekanntlich die Breite des wirtschaftlichen Aufschwungs.
Sie verdienen daran durchaus positiv, aber nicht überdimensional. Gut 60 % der Gewinnverbesserungen entfielen nach anderen Analysen auf Rationalisierung. Im Ergebnis: Der S&P 500 erreicht in diesem Jahr einen Gewinn von knapp 80 $ je Aktie und ein KGV von 15. Die Konsensschätzungen für 2011 gehen aktuell auf etwa 90/91 $ je Aktie und mithin auf ein KGV von 13,5. Ergebnis: Die Verbesserungen der Gewinne sind mit den Kursverbesserungen weitgehend kompatibel und nachvollziehbar. Auch das spricht eher für eine Konsolidierung des bisher Erreichten, bevor der wirklich nachhaltige Konjunkturzyklus einsetzt. Wichtigster Indikator dafür ist der Arbeitsmarkt. Er wird erst im kommenden Quartal nachhaltige Verbesserungen zeigen und die Trendwende bestätigen.