Amazon in der Wunschanalyse

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 09.12.2014
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Heute hat die Aktie der Amazon.com Inc. (NASDAQ: AMZN) die Abstimmung gewonnen. Das Unternehmen also, das sich aufgrund seiner Geschäftspraktiken zurzeit massiver Kritik ausgesetzt sieht. Geleitet wird Amazon dabei seit 1994 bis heute von Gründer Jeff Bezos, der dafür seinerzeit extra seinen mit 1 Mio. US-Dollar/Jahr dotierten Job bei einer bekannten US-Investmentbank aufgab. Schauen wir uns daher nun gemeinsam an, was Jeff Bezos innerhalb von nicht einmal 20 Jahren für ein Imperium geschaffen hat.


INNERHALB VON NUR 20 JAHREN VOM GARAGEN-START-UP ZUM INTERNATIONALEN GROSSKONZERN

Alles begann im Jahr 1994. Jeff Bezos, seinerzeit Investmentbanker bei D. E. Shaw & Co, hatte von einem neuen Medium namens Internet gelesen. Zusammen mit seinem damaligen Chef, David E. Shaw, entwickelte er daraufhin die Idee des elektronischen Buchgeschäfts. Die Idee ließ ihn nicht mehr los, und so kündigte er seinen mit 1 Mio. US-Dollar/Jahr dotierten Job, um diese Idee in die Tat umzusetzen.

Er eröffnete sein Unternehmen in seiner eigenen Garage in Seattle. Über die Website Amazon.com verkaufte er Bücher, die er dann zusammen mit seiner Frau MacKenzie verpackte und verschickte. Den Namen Amazon wählte er nach dem Fluss Amazonas. Denn der Amazonas ist exotisch und anders, so wie auch sein Geschäft werden sollte. Zudem handelt es sich um den wasserreichsten Fluss der Erde, was zu Jeff Bezos Plänen passte. Schließlich wollte dieser sein neues Unternehmen zum größten Geschäft der Welt machen.

Dabei war ihm bewusst, dass sein Geschäftsmodell leicht zu kopieren wäre, weshalb er von Beginn an großen Wert auf den Aufbau eines Markennamens legte. So floss insbesondere in den ersten Jahren sehr viel Geld in den Aufbau der Marke Amazon, weshalb die Gesellschaft chronisch defizitär arbeitete. Ein Malus, der – wie wir noch sehen werden – dem Unternehmen bis zum heutigen Tag anhaftet. Wenngleich die Investitionsziele des Konzerns heute überwiegend andere sind.


DER INTERNET-DOMINATOR

So brachte es Amazon bis heute zum weltweit größten Online-Einzelhändler mit Kunden in über 150 Ländern. Zum Sortiment gehören längst nicht mehr nur Bücher, sondern darüber hinaus auch Bekleidung, CDs, DVDs, Computer- und Videospiele, Elektronik, Haushaltswaren, Haustierbedarf, Küchenprodukte, Schuhe, Spielzeuge und vieles mehr. Lustigerweise revolutionierte ausgerechnet Amazon.com mit seinem eBook-Reader Kindle sowie den zugehörigen eBooks den Büchermarkt und kannibalisierte so sein eigenes ehemaliges Kerngeschäft.

Dank der Einführung des Amazon Marketplace (früher: zShops) richtet sich der Konzern heutzutage mit seinen Angeboten nicht mehr nur an Endkunden, sondern auch an Buchautoren und Verlage ("Content-Produzenten"), Unternehmen und Verkäufer. So gelang es Amazon sogar den Konkurrenten eBay zu verdrängen.

Doch Jeff Bezos ist auch dies noch längst nicht genug. So nutzt Amazon mit A9 eine eigene Produktsuchmaschine auf seinen Internetseiten, ist dank seiner zahlreichen Rezessionen im Prinzip das größte Soziale Netzwerk der Welt (noch vor facebook) und dominiert mit seinen Amazon Web Services (AWS) auch noch die Cloud.

Dabei untergliedert das Unternehmen sein operatives Geschäft heute in die beiden Segmente Nordamerika und International.


VERSUCH & IRRTUM, ÄHNLICH WIE GOOGLE

Wenn Sie an dieser Stelle mal einen kurzen Moment innehalten und alles, was Sie bisher über Amazon gelesen haben, rekapitulieren, so werden Sie feststellen wie produktiv der Konzern in den vergangenen zwanzig Jahren war. Angefangen als kleiner Online-Buchhändler wuchs die Gesellschaft bis heute zum absoluten Marktführer im Online-Handel. Dabei wurde die gesamte Expansion des Unternehmens stets von seinem Spiritus Rector, Jeff Bezos, vorangetrieben. Dieser arbeitete dabei wiederum stets nach einem Rezept, das auch schon bei Google letztlich zum Erfolg führte: Versuch & Irrtum (Trial & Error).

So wie Google beispielsweise einst mit Google Wave die eMail revolutionieren wollte und den Dienst nach nur rund einem Jahr wieder einstellen musste, scheiterte Amazon zuletzt mit seinem eigenen Smartphone namens Fire Phone. Immer wieder wird auch der Angriff von Amazon auf Apple mit Hilfe des vom eBook-Reader Kindle zum Tablet-PC mutierten Kindle Fire kritisiert. Dabei verkauft Amazon seinen unternehmenseigenen Tablet-PC Kindle Fire ganz bewusst zum Herstellungspreis bzw. unter diesem, um anschließend über den Verkauf von Inhalten zu profitieren.

Alles in allem dürfte der Konzern hier jedoch langfristig Erfolg haben, denn nach der ersten Euphorie merken immer mehr Verbraucher, dass sich ein Tablet eigentlich in erster Linie zum Medienkonsum eignet. Dazu aber braucht man nicht unbedingt ein teures iPad, sondern kann durchaus zum viel günstigeren Kindle Fire greifen. Der große Vorteil dabei ist, dass das Unternehmen so die Kunden an sein Amazon-Universum bindet.


ENGSTMÖGLICHE BINDUNG DER KUNDEN IM AMAZON-UNIVERSUM

Weitere Produkte, die die Kunden ans Amazon-Universum fesseln sollen, sind ein Stick namens Amazon Dash (zur Erstellung von Einkaufszetteln, mit anschließender Bestelloption bei Amazon) sowie ein intelligenter, sprachgesteuerter Lautsprecher namens Amazon Echo. Auch die Settop-Box Amazon Fire TV inkl. direkter Anbindung an den konzerneigenen Videostreaming-Dienst Prime Instant Video soll die Kunden an das Unternehmen binden.

Hatte Jeff Bezos einst das Ziel, die Marke Amazon weltbekannt zu machen, so verfolgt er heute das Ziel die Kunden so eng wie nur möglich an sich zu binden. Und so wie einst der Aufbau einer weltbekannten Marke viel Geld verschlang, so verschlingt auch dieses neue Ziel einer engstmöglichen Markenbindung natürlich viel Geld.


GESCHÄFTSENTWICKLUNG ZULETZT

Daher schafft es Amazon.com bis heute, 20 Jahre nach seiner Gründung, immer noch nicht nachhaltig profitabel zu sein. Wahrscheinlich würde die Börse jedem anderen Unternehmen eine so lange Durststrecke übel nehmen, Jeff Bezos jedoch weiß als ehemaliger Investmentbanker natürlich die Investoren immer wieder von seiner Strategie zu überzeugen. Schauen wir uns aber die zuletzt vorgelegten Geschäftszahlen mal näher an.

Im Geschäftsjahr 2010 erzielte Amazon.com noch einen Jahresumsatz von 34,2 Mrd. US-Dollar sowie einen Gewinn je Aktie von 2,53 US-Dollar. 2011 steigerte der Konzern seinen Jahresumsatz dann auf 48,08 Mrd. US-Dollar (+40,56%) bei einem Gewinn je Aktie von nur noch 1,37 US-Dollar (-45,85%). 2012 wuchs der Jahresumsatz dann auf 61,09 Mrd. US-Dollar (+27,07%) sowie 2013 auf 74,45 Mrd. US-Dollar (+21,87%). Allerdings fiel dabei 2012 auch ein Verlust je Aktie von -0,09 US-Dollar an, ehe 2013 wieder ein Gewinn je Aktie von 0,59 US-Dollar erzielt werden konnte.

In den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres 2014 erzielte das Unternehmen bereits einen Umsatz in Höhe von 59,66 Mrd. US-Dollar (+22,09%) sowie einen Verlust je Aktie von -0,98 US-Dollar (vergleichbarer Vorjahreszeitraum: 0,47 US-Dollar). Auf Basis der konzerneigenen Schätzungen für Q4 (Umsatz 27,3 bis 30,3 Mrd. US-Dollar, EBIT: 481 Mio. US-Dollar) dürfte am Ende des Geschäftsjahres 2014 ein Umsatz von knapp 89,5 Mrd. US-Dollar (+20,20%) sowie ein Verlust je Aktie von -0,75 US-Dollar verbucht werden.

Schon alleine aufgrund der zwischenzeitlich erreichten Größe (Stichwort: Basiseffekt) schwächt sich das Umsatzwachstum ab, ist jedoch mit gut +20% immer noch beeindruckend. Wichtiger als das Umsatzwachstum wird jedoch sein, dass sich der Konzern auf den Weg zurück zu schwarzen Zahlen begibt. Denn damit könnte Jeff Bezos den Investoren zeigen, dass sich die zuletzt getätigten Investitionen auch tatsächlich auszahlen.


ZUKÜNFTIGE GESCHÄFTSENTWICKLUNG

So liegen die durchschnittlichen Analystenschätzungen aktuell bei einem Jahresumsatz von knapp 106 Mrd. US-Dollar (+18,44%) sowie einem Gewinn je Aktie von 0,85 US-Dollar (niedrigste Schätzung: -1,09 US-Dollar; höchste Schätzung: 2,95 US-Dollar) für 2015e.

Im Geschäftsjahr 2016e sollte dann bereits ein Jahresumsatz von knapp 127 Mrd. US-Dollar (+19,74%) sowie ein Gewinn je Aktie von 3,08 US-Dollar (+262,35%) in den Büchern stehen. Während sich das Umsatzwachstum jedoch abschwächt, dürfte der Gewinn je Aktie im Geschäftsjahr 2017e weiter überproportional zulegen. Daher ist für 2017e mit einem Jahresumsatz von knapp 147 Mrd. US-Dollar (+15,85%) sowie einem Gewinn je Aktie von bis zu 6,42 US-Dollar (+108,44%) zu kalkulieren.

Allerdings sind diese Gewinnschätzungen, je weiter sie in die Zukunft reichen, natürlich mit einer gehörigen Portion Unsicherheit behaftet. Zumal Jeff Bezos weitere hochinteressante Dinge plant, die jedoch erst einmal viel Geld kosten dürften. Als Stichwort seien hier nur die Auslieferung mit Hilfe von Drohnen (innerhalb von nur einer Stunde), der Einstieg ins Lebensmittelgeschäft (Amazon Fresh) und viele andere zum Teil verrückte Ideen zu nennen.

FAIRER WERT BEI 400 USD

Bei Wachstumswerten, und als solchen muss man Amazon.com auch nach zwanzig Jahren noch immer klassifizieren, akzeptieren Investoren in der Regel maximal ein KGV in Höhe des doppelten prozentualen Gewinnwachstums. Das Problem ist nur, dass das Gewinnwachstum bei Amazon.com nicht konstant genug ist, um diesen Maßstab anlegen zu können.

Daher müssen wir hier andere Maßstäbe anlegen, um einen fundamental fairen Wert zu ermitteln. So wurde die Aktie in der Vergangenheit stets mit einem KUV von über 1,5 bewertet. Ich möchte hier bei der Bewertung jedoch, aufgrund des sich abschwächenden Umsatzwachstums, lieber einen Tick konservativer sein. Daher halte ich für die Aktie ein KUV von 1,5 für fair.

Das Jahr 2014 ist inzwischen so gut wie vorbei, und die Börse schaut in der Regel immer bis zu einem Jahr in die Zukunft. Demnach müssen wir zur Berechnung eines fundamental fairen Wertes die Umsatzschätzung für das Geschäftsjahr 2016 als Basis nehmen. Für 2016e habe ich, völlig im Einklang mit den Analysten, einen Umsatz von knapp 127 Mrd. US-Dollar angenommen. Demnach läge der fundamental faire Wert des Unternehmens auf Sicht der nächsten 12 Monate bei bis zu 1,5x 127 Mrd. US-Dollar und somit bei bis zu 190,5 Mrd. US-Dollar.

Angesichts von zurzeit 463 Mio. ausstehender Aktien entspräche dies einem Aktienkurs von bis zu 411,45 US-Dollar. Was das Kursziel angeht, runde ich hier ab und setze dieses somit auf genau 400,00 US-Dollar fest.


FAZIT

Aktuell notiert die Aktie bei Kursen unter 310,00 US-Dollar, wohingegen die Analysten im Durchschnitt ein Kursziel in Höhe von 357,16 US-Dollar nennen. Das optimistischste Kursziel liegt dabei sogar bei 450,00 US-Dollar, was ich jedoch für einen Tick zu viel des Guten halte. Kursziele von 400,00 US-Dollar auf Sicht von 12 Monaten halte ich jedoch für durchaus realistisch. Damit würde die Aktie über ein Kurspotenzial von knapp +30% auf Sicht eines Jahres verfügen, was ordentlich ist. Daher halte ich die Aktie von Amazon.com für kaufenswert.

Allerdings sollten Sie dabei beachten, dass es sich bei Amazon.com immer noch um ein Wachstumsunternehmen handelt. Dies bedeutet, dass den großen Kurschancen eben auch entsprechend große Kursrisiken gegenüberstehen. Wer daher in die Aktie investiert, sollte sich des Risikos bewusst sein und sein Investment mit Hilfe eines Stoppkurses bei 272,78 US-Dollar absichern.
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