3:0 für Italien
In einer aufreibenden Nachtsitzung wurde Merkel von Italien und Spanien "erpresst", Gelder des ESM bedingungslos frei zu geben. BEDINGUNGSLOS! Wo Merkel bislang auf die Einbindung des IWF bestand, um harte Bedingungen an finanzielle Hilfen zu knüpfen, steht nun wieder die wachsweiche Empfehlungsliste der EU ohne verbindliche Bedingungen geschweige denn automatische Strafen bei Verstößen.
Plumpe Erpressung
Erreicht wurde dieser "Verhandlungserfolg" für die Club-Med Länder durch
plumpe Erpressung: Entweder wir erhalten erleichterten Zugang zu
Hilfsgeldern oder wir mauern gegen alles andere, egal ob es sinnvoll ist
oder nicht.
Fairer lief es im Fußball. Auch wenn die Italiener unter ständigem
Beschuss der deutschen Nationalelf standen, so haben sie doch mit fairen
Mitteln und vollem Engagement verteidigt. Und besser noch, zu jeder Zeit
waren die Italiener bereit, ihre Deckung für einen Angriff aufzugeben.
Kein Mauern, kein Schieben, sondern einfach nur erfrischend schöner
Fußball.
Am Ende gewinnt, wer mehr Tore geschossen hat - und das waren nun einmal
die Italiener. Und wenn wir unserem Team natürlich den Einzug ins Finale
gegönnt haben, so müssen wir doch auch zugeben, dass die Italiener es
ebenso verdient haben. Am Ende gewinnt, wer am meisten Tore geschossen
hat.
Beim EU-Gipfel ist das ähnlich
Auch dort haben die Italiener mehr Tore
geschossen. Am Ende wurde der Wachstumspakt im Sinne von Deutschland und
Frankreich durchgewunken - verkauft als Tor Deutschlands, in meinen
Augen aber eher ein Eigentor Deutschlands. Der ESM Rettungsfonds wird
jedoch von Banken sowie auch von Staaten in Anspruch genommen werden
können, ohne Auflagen für Strukturreformen zu erhalten. Banken und
Staaten - zwei Tore für Italien. Endstand nach EU-Gipfel: 3:0 für die
Club-Med Länder.
Ich habe am Mittwoch die aussichtslose Situation von Angela Merkel im
Vorfeld des EU-Gipfels aufgezeigt. Die "Niederlage" Merkels wurde von
der ganzen Welt gefordert, und Merkel hat geliefert. So haben wir nun
eine Börsenrallye.
Es ist die Fortschreibung des unglückseeligen Maastricht-Vertrags. Hehre
Ziele wie eine Neuverschuldung von weniger als 3% des BIP, eine
Gesamtverschuldung von weniger als 60% des BIP und das strikte Verbot
von Hilfsgeldern für andere Staaten waren drei Ziele, an die sich kaum
jemand hielt. Und wer sich nicht daran gehalten hat, wird nicht etwa
bestraft, sondern erhält nun Hilfsgelder, bezahlt von denen, die sich an
die gemeinsam vereinbarten Ziele halten wollten.
Da es mit dem Maastricht-Vertrag ohne automatische Strafen nicht
funktioniert hat, sollte der ESM nun mit automatischen Sanktionen
bestückt werden. Doch genau wie damals bei den Verhandlungen zum
Maastricht-Vertrag haben die Club-Med Länder sich gegen diese Auflagen
gestemmt und gedroht, sonst nicht mitzumachen. Wenn Deutschland also
Ziele wie eine Schuldenbremse verlangt, dann machen die Club-Med Länder
nur mit, wenn sie im Falle eines Vergehens nicht bestraft werden.
Ich habe die höhere Politik noch nie gemocht
Kanzler in spe Walter Steinmeyer wird es ein Leichtes sein, noch-Kanzlerin Angela Merkel
rechts zu überholen. Ihr konservativer Autor kommt ins Zweifeln.
Vielleicht braucht es einen lieben Onkel Steinmeyer, der den Club-Med
Ländern vermittelt, dass eine Eurozone mit den Beschlüssen dieser Woche
keinen Bestand haben wird. Der technokratisch agierenden Angela Merkel
glaubt man das nicht.
Schauen wir zunächst einmal, wie sich die wichtigsten Indizes in dieser
Woche entwickelt haben:
Schauen wir einmal, wie sich die einzelnen Indizes diese Woche
entwickelt haben:
Die Tabelle ist noch mit den Schlusskursen vom Donnerstag erstellt
worden, die Rallye vom Freitag ist nicht enthalten. Nur der DAX ist
eingebrochen, die europäischen Aktienmärkte haben eine schlechte Woche
hinter sich. Das "Nein" von Angela Merkel hat viele Investoren
überzeugt, dass Deutschland Europa lieber in eine Rezession schicken
würde, als seine Prinzipien über Bord zu werfen.
Entsprechend positiv sind sie heute von ihrem vermeintlichen Einknicken
überrascht. Das DAX holt auf, was die anderen Aktienindizes in dieser
Woche vorgelegt haben.
Der Ölpreis und der Kupferpreis haben sich wieder etwas erholt. Weltweit
hofft man auf Wachstumsprogramme von China und natürlich auch von
Europa.
Schauen wir uns einmal an, wie die Stimmung von Anlegern und Analysten
in diesem Marktumfeld aussieht.
Schauen wir einmal, wie sich die Stimmung unter Anlegern und Analysten
entwickelt:
Kaufempfehlungen der Privatanleger
Commerzbank, Peugeot, Infineon
Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Facebook, Asian Bamboo, Research in Motion
Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt:
http://www.sharewise.com?heibel
Die Stimmung unter deutschen Anlegern hat sich merklich eingetrübt
Und auch die Analysten werden vorsichtiger. Ich fürchte, die harte Haltung
von Angela Merkel im Vorfeld des EU-Gipfels hat der Hoffnung auf ein
Abwenden einer drohenden Rezession zugesetzt. Man rechnet mit dem
Schlimmsten.
Mit dem heutigen Tag ist dies wieder vom Tisch. Jetzt springt die
Stimmung auf Wachstum und Rettung der Länder Spanien und Italien.
Entsprechend ist der Euro heute dick im Plus. Nicht weil Europa die
Gelddruckmaschine aufgehalten hat, im Gegenteil: Durch das Anwerfen der
Gelddruckmaschine wittern Anleger die Hoffnung, dass ein
Auseinanderbrechen des Euros doch noch aufgehalten werden kann.
Der Euro ist also nicht mehr ein Thermometer für die Geldwertstabilität,
sondern es geht nur noch darum, ob er überleben wird oder nicht.
Entsprechend ist auch der Goldpreis seit einigen Jahren schon nicht mehr
das Thermometer für wirtschaftliches Chaos. Im Chaos wird auch das Gold
verkauft, und der Goldpreis sinkt, obwohl Gold doch der vermeintlich
letzte sichere Hafen ist. Nein, der Goldpreis steigt heute tatsächlich
weil die Geldwertstabilität in Frage gestellt wird. Der Euro könnte
überleben, so die heutige Vermutung an den Finanzmärkten, aber auf
Kosten einer geringeren Kaufkraft.
TOP ANALYSTENZIELE
Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen treffen
und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie ab sofort jede
Woche eine Übersicht der Analysen mit den höchsten Kurszielen
ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach an, wo das aktuelle Kursziel
des Analysten prozentual am meisten über dem aktuellen Kurs liegt:
Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen Sie diese
Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig auch ein
Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille sorgen kann, weshalb
Analysteneinschätzungen tendenziell optimistischer ausfallen als es die
Realität anschließend erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen
Eindruck darüber, wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten
auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst oder die
Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall individuell zu
beurteilen.
OBAMACARE PASSIERT HÖCHSTES US-GERICHT
Eines der Haupt-Wahlversprechen des US-Präsidenten Obama war die
Umsetzung einer Gesundheitsreform, um möglichst alle US-Amerikaner in
den Genuss einer Krankenversicherung kommen zu lassen. Etwas, das bei
uns schon seit Jahrzehnten selbstverständlich ist, da wir in einer
sozialen Marktwirtschaft leben, ist in der Hochburg der freien
Marktwirtschaft verpönt: Solidarität der Gesunden mit den Kranken.
Solidarität der Reichen mit den Armen in Fragen der Gesundheit.
Ja, auch in den USA wird jedem geholfen
Doch erst wenn Sie im Krankenhaus Ihre Kreditkarte hinterlegen, wird Ihr Bett aus dem
Massenbehandlungsraum, wo gerade einmal verhindert wird, dass Sie
sterben, in ein halbwegs vernünftiges Krankenzimmer verschoben, wo sich
sodann auch endlich einmal ein Arzt um Sie kümmert.
Meine Aufenthalte in US-Krankenhäusern - zum Glück niemals wegen eigener
Leiden - haben mich von unserem System überzeugt. Und das Argument, dass
die Behandlung aller zu Lasten der Qualität der Behandlung ginge, stimmt
nicht, denn gerade reiche Russen und US-Amerikaner kommen sehr gerne in
deutsche Krankenhäuser für besonders komplizierte OPs.
Soweit meine Meinung. Die Bedeutung: Die Personalkosten werden steigen.
Teile der Krankenversicherungskosten werden von Unternehmen für ihre
Mitarbeiter getragen, und dadurch steigen die Personalkosten.
Entsprechend sahen Sie gestern Aktien von US-Unternehmen mit viel
Personal, bspw. Wal-Mart, Home Depot, im Minus. Es ist ein
Wettbewerbsnachteil, viel Personal zu beschäftigen.
So verwundert es nicht, dass sich die Republikaner im Wahljahr nun voll
auf dieses Thema stürzen. Man werde den Senat erneut darüber abstimmen
lassen, was mit intensiven Diskussionen und gegenseitigen
Anschuldigungen einher gehen wird. Es gibt keine Chance, das Gesetz zu
kippen, da die Demokraten dort die Mehrheit haben. Doch das Thema wird
bis zu den Präsidentschaftswahlen nicht von den Titelseiten
verschwinden.
Und auch Herausforderer Mitt Romney hat bereits angekündigt, das Gesetz
rückgängig zu machen, wenn er ins Weiße Haus einziehen sollte.
Es gibt eine Reihe von Unternehmen, die von der Gerichtsentscheidung
profitieren werden. Wellcare Health Plans (WCG), Molina Healthcare (MOH)
und Tenet Healthcare (TNC) sind gestern um 8-9% angesprungen. Es sind
die US-Krankenversicherungen, die natürlich davon profitieren würden,
wenn sich die Anzahl der Versicherten auf einen Schlag um 25 Millionen
erhöhen sollte.
Doch der Kursanstieg wird mühsam sein, denn vor dem Hintergrund des
Wahlkampfes werden die Aktien immer dann einen Rückschlag erleiden, wenn
Romney in Umfragewerten zulegt. Es ist ein Schlachtfeld, das ich nicht
betreten möchte. Es wird DIE Wette auf die kommende
US-Präsidentschaftswahl.
Wie lange wird die Rallye anhalten? Wie hoch wird der DAX steigen? Die
Krise ist nicht überwunden sondern verschoben. Ich werde im nächsten
Kapitel untersuchen, wie nachhaltig die Rallye sein kann.