Zeithorizonte kombinieren

Veröffentlicht am 18.01.2010

Bücher über die Erfahrungen von Tradern gehören zur beliebtesten Literatur unter Marktteilnehmern. Man kann spekulieren, dass sich viele Leser ein Beispiel an den erfolgreichen Akteuren des täglichen Börsengeschehens nehmen wollen. Es kann aber auch sein, dass geteiltes Leid halbes Leid ist, denn viele Geschichten berichten von missglückten Trades und teilweise tragischen Schicksalen. Wie dem auch sei, wenige Techniken werden in der Literatur übereinstimmend als erfolgversprechend beschrieben, und eine davon ist die Kombination von Zeithorizonten.


Zunächst muss geklärt werden, welche Zeithorizonte gemeint sind. In der Darstellung von Charts werden einzelne Kursbewegungen, die so genannten Ticks oder beim Währungshandel Pips, zu Gruppen zusammengefasst. Dabei werden typischerweise der erste und letzte Kurs sowie Hochund Tiefpunkt der Bewegung innerhalb der Gruppe festgehalten und entweder als Kerzen oder Balken dargestellt. An dieser Stelle verwenden wir absichtlich das Wort ‚Gruppe‘, denn Kerzen oder Balken müssen nicht notwendigerweise durch Zeitabstände definiert sein. Es gibt durchaus Charts, die auf einer festen Anzahl von Ticks, einem bestimmten Volumen oder auf einer bestimmten Kursveränderung basieren. Diese heißen dann Tick-, Volumen- oder Range- Charts. Leider haben sich diese Charttypen bisher nicht durchgesetzt und fehlen daher in Softwarepaketen oft. Kunden von CFDBrokern sind daher zu Recht überrascht, wenn sie zum ersten Mal davon hören. In unserem Fall wollen wir jedoch bei den bekannten Charts bleiben, die auf Zeitabschnitten basieren. Hier sind üblicherweise Zeiten von einer, zwei, drei, fünf, zehn, 15, und 60 Minuten gebräuchlich, außerdem eine und vier Stunden sowie Tages-, Wochen- und Monats-Charts. Bei dieser Auswahl fällt es schwer, den richtigen Zeithorizont auszuwählen. Anfänger machen oft den Fehler, einen Indikator wie den MACD einzublenden und dann mit den Zeithorizonten zu spielen, bis der Indikator Signale zu liefern scheint. Doch eigentlich sollte nicht der Zeithorizont an den Indikator angepasst werden, sondern anders herum. Auch ohne Indikator lassen sich Wendepunkte in einer Einstellung besser erkennen als in der anderen. Die Werkzeugkiste der Profis Profis versuchen daher, so viele Charts wie möglich (und sinnvoll) zu vergleichen. Dabei machen sie sich mehrere Vorteile zu Nutze, die einem Amateur nicht unbedingt zur Verfügung stehen. Zum einen hat ein Profi viel mehr Zeit. Er verwendet seinen gesamten Arbeitstag auf das Finden und Ausnutzen von Trading-Gelegenheiten. So kann er natürlich mehr Zeit in die Analyse investieren. Profis verwenden zum anderen in der Regel auch mehrere Bildschirme, auf denen sie viele Charts unterbringen können. Ferner sind Profis durch ihre Arbeit geübt und können die wichtigen Zusammenhänge besser erkennen, weil sie sich ihre Beobachtungen besser merken können. Doch auch als Hobby-Trader kann man sich dem Profi-Niveau annähern, und moderne Softwarepakete bieten eine Vielfalt an Möglichkeiten, die bis vor kurzem selbst Profis überfordert hätten. Die Unterschiede sind also zumindest in diesem Bereich kleiner geworden, und die Ausführungsgeschwindigkeiten moderner Ordersysteme schließen dank schneller Rechner und DSL-Verbindungen ins Internet ebenfalls zu den Profisystemen auf. Bleibt also noch das Problem der Bildschirme. Nun, das lässt sich mit einem Besuch beim Hardwarehändler Ihres Vertrauens bzw. dessen Website lösen. 24“-Monitore sind inzwischen recht erschwinglich geworden, und moderne PC-Grafikkarten bieten inzwischen oft mehr als einen Monitoranschluss. Was das Problem des Erinnerungsvermögens betrifft, da hilft nur üben. Mit der Zeit erschließen sich auch dem Amateur Zusammenhänge leichter. Herausforderung EURUSD Nun ist es also an der Zeit, die Tricks zu nutzen, die Profi-Trader in Interviews immer wieder loben. Als Beispiel wählen wir einen schwierigen Markt, an dem man sich leicht die Finger verbrennen kann. Das Währungspaar Euro/Dollar, also EURUSD, ist bei vielen beliebt. Profis mit großen Konten lieben die Geldmengen, die sich damit handeln lassen. Die Ausführungsgeschwindigkeit ist hoch, die Liquidität ist kein Problem, da es sich um Geld handelt, für das es immer einen Handelspartner gibt, und der Handel läuft rund um die Uhr. Die hohe Anzahl von Marktteilnehmern und der boomende Markt von Forex- Brokern, die immer mehr Anfänger in den Währungshandel locken, hat die Vorhersagbarkeit bei EURUSD jedoch nicht gerade erhöht. Niedrige Zeithorizonte scheiden daher leider aus. Wer einen 1-Minuten- Chart ansieht, dürfte es schwer haben, Vorhersagen über den weiteren Kursverlauf zu treffen. Indikatoren wie Oszillatoren, die zeigen sollen, in welcher Phase sich die Kursbewegung befindet, werden in diesem Zeithorizont in die Irre geführt, und Trendfolger sind ebenfalls ratlos oder liegen falsch. Beim 5-Minuten-Chart sieht es schon etwas besser aus. Hier scheinen sich oft Kerzen mit langen Dochten oder Schatten als Wendemarken herauszubilden, und es zeigen sich Wellenmuster. Trotzdem sind die Störungen im Chart immer noch gut erkennbar. In unserem Beispiel sinkt der Euro seit den Morgenstunden und markiert nach 16 Uhr ein auffälliges Tief, das durch einen langen Schatten als Wendepunkt erkennbar wird. Wer würde nicht Lust bekommen, bei 1,4470 mit einer Long- Position einzusteigen? Erkennen wir nicht ein Harami-Setup? Stimmt, doch das Glück dieses Trades währt im weiteren Verlauf nicht lange. Anstatt kräftig zu steigen, läuft der Kurs bis über 1,45 und wird danach wieder fallen. Schauen wir uns nun den Stundenchart an. Das Tief im 5-Minuten-Chart haben wir rot markiert. Im größeren Zeithorizont sehen wir, dass bereits früher ein tieferes Hoch entstanden war. Am Mittag des 13. Januar hatte der Euro kurzzeitig ein Hoch ausgebildet, das danach sofort wieder zurückfiel. Ein zweiter Versuch am nächsten Tag war noch weniger erfolgreich. Hier drehte der Kurs schon früher. Dann kam am Nachmittag das Tief, das wir im 5-Minuten-Chart gesehen haben. Danach kletterte der Kurs kaum noch und brach schließlich in der Nacht ein. Von außen nach innen Das Vorhandensein einer sinkenden Reihe von Hochs hätte eine Warnung sein können, dass der nächste Versuch wieder scheitern kann. Doch wer die Charts nicht vergleicht und nicht entweder mehrere Charts mit verschiedenen Zeithorizonten offen hat oder diese nacheinander durchgeht, der verpasst Tendenzen, die sich aus den übergeordneten Charts auf die niedrigeren Zeithorizonte auswirken können. Widerstands- und Unterstützungslinien können ebenso eine Rolle spielen wie Schwingungen oder Fibonacci-Retracements. Warum also bei einer Stunde bleiben? Man kann auch einen Tageschart nach einflussreichen Mustern durchsuchen. Profis gehen dabei von außen nach innen vor. Sie sehen zunächst auf einem Tages- oder sogar Wochenchart nach, welcher Trend vorliegt, bevor sie Stunden- und Minutencharts konsultieren. Auf diese Weise hätte man im vorliegenden Fall erkennen können, dass ein Kanal existiert, in dem der Kurs von einer zur anderen Seite läuft. Die Hoffnung, dass dieser nun nach oben verlassen wird, war unbegründet. Fazit: Wer erfolgreich handeln will, sollte verschiedene Zeithorizonte vergleichen. Dabei geht man am besten von außen nach innen vor. Das heißt, man beginnt mit dem gröbsten Zeithorizont und arbeitet sich zum feinsten vor. Auf diese Weise verpasst man kaum eine Tendenz, Linie oder einen Trend, der sich aus übergeordneten Charts ergibt.

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