Verbio: Kursphantasie reloaded
Veröffentlicht von
Performaxx-Anlegermedien GmbH
am
10.10.2010
An die Verbio-Aktie hat der Performaxx-Anlegerbrief nicht die besten Erinnerungen. Kurz nachdem wir den Hersteller von Biokraftstoffen aufgrund viel versprechender Wachstumsperspektiven Anfang 2007 in die Empfehlungsliste aufgenommen hatten, wurden wir von einer Gewinnwarnung kalt erwischt und trennten uns sogleich wieder von dem Titel. Zu Recht, denn in der Folge stürzte das Papier von 7 auf 1 Euro ab und dümpelte dort über ein Jahr lang herum. Dann allerdings gelang dem Management mit dem Eintritt in die Biogaserzeugung eine entscheidende Weichenstellung, die dem Kurs massig Potenzial eröffnet.
Kerngeschäft darbt noch
Dabei krankt das Kerngeschäft nach wie vor an den Problemen, die schon zum seinerzeitigen Kurseinbruch führten: Überkapazitäten, Billigkonkurrenz aus dem Ausland, hohe Rohstoffkosten, das Auslaufen der Steuerbefreiungen und ethische Fragen machen den Biospritherstellern das Leben schwer. Zwar konnte Verbio im ersten Halbjahr 2010 den Kraftstoffabsatz um 14 % auf 218 Tsd. Tonnen. Biodiesel bzw. um 18 % auf 135 Tsd. Tonnen Bioethanol steigern. Die Umsätze gaben infolge gesunkener Preise, vor allem beim Biodiesel, aber leicht von 247 auf 243 Mio. Euro nach. Dass unterm Strich dennoch ein Gewinn von 5,4 Mio. Euro hängen blieb, war vor allem dem Verkauf von sieben Windanlagen zu verdanken, die Verbio im Nebengeschäft betrieben hatte.
Eintritt in die Biogas-Erzeugung
Wirklich Musik kommt in die Equity Story von anderer Seite. Der Leipziger Konzern hat nämlich damit begonnen, in großtechnischem Maßstab Biogas zu erzeugen. So nahmen im August an den Firmenstandorten Schwedt und Zörbig zwei riesige Biogas-Anlagen mit einer Kapazität von je 30 MW den Betrieb auf, die jährlich bis zu 480 GWh Energie erzeugen können. Die Einsatzmöglichkeiten des Biogases sind vielfältig und reichen von der Einspeisung ins Gasnetz, über die Verstromung, die Abgabe als Kraftstoff bis hin zu Anwendungen in der chemischen Industrie. Der Clou dabei: Die Verwertung erfolgt zu exorbitanten Margen, denn der Rohstoff für die Gasfermentation, die sog. Schlempe (Getreidebrei), stammt komplett aus der eigenen Bioethanol-Produktion, wo er als Abfallprodukt anfällt. Davon ist gleich so viel vorhanden, dass auch noch die bereits geplante Aufstockung der beiden Kraftwerke auf 50 bzw. 80 MW in den nächsten beiden Jahren abgedeckt werden kann.
Zeit und Regulierung spielen für Verbio
Bis 2013 soll die Kapazität dann sogar auf insgesamt 250 MW oder 2.000 GWh ausgebaut werden – die Leistung eines Atomkraftwerks, wie Verbio derzeit werbewirksam plakatiert. Und die Chancen stehen gut, dass auch dafür genug eigene Schlempe bereit stehen wird, denn die Aussichten für Biokraftstoffe verbessern sich zusehends. Unter dem Druck von Klimaschutzzielen und Energiewende will die Bundesregierung die Verwendung von Biomasse massiv ausbauen, Gutachten sprechen vom Faktor 13 bis 17 bis Mitte des Jahrhunderts – nicht zuletzt weil Biomasse die einzige grundlastfähige regenerative Energie ist. Als erster Schritt in diese Richtung soll (und muss) bis Jahresende die Erneuerbare-Energien-Richtline der EU umgesetzt werden, die eine Verdopplung des Anteils des regenerativ erzeugten Treibstoffs von derzeit rd. 5 % bis auf 10 % in 2020 vorschreibt. Mangels anderer massenmarktfähiger Technologien wird sich das fast ausschließlich durch den Einsatz von Biokraftstoffen erreichen lassen. So soll etwa die Beimischungsquote für Bioethanol in Ottokraftstoff von derzeit 5 % (E5) ab 2011 auf 10 % (E10) erhöht werden, was einer Verdopplung des Marktpotenzials gleichkommt.
Nachhaltigkeitskriterien bereinigen den Markt
Davon werden allerdings nicht alle Hersteller gleichermaßen profitieren, denn gleichzeitig wurden strenge Vorgaben in Sachen Nachhaltigkeit gemacht. Zugelassen zur Biosprit-Produktion wird ab 2011 nur noch, wer eine CO2-Reduktion von mindestens 35 % (gegenüber fossilen Energieträgern) über die gesamte Prozesskette, vom Landwirt (Saat/Düngung/ Ernte) über die Raffination bis zur Belieferung des Kunden, nachweisen kann. Parallel dazu wird die Mineralöl-Wirtschaft ab 2015 nicht mehr auf eine Beimischungsquote, sondern auf eine Klimaschutzquote (von zunächst 3 % CO2-Einsparung) verpflichtet, die nur durch die Beimischung von nachweislich CO2-arm hergestelltem Biokraftstoff eingehalten werden kann. Diese Verordnungen dürften für eine deutliche Marktbereinigung sorgen, denn während Verbio die Vorgaben mit bis zu 90 % CO2-Einsparung schon weit übererfüllt und folgerichtig als EU-weit erster Biospritanbieter bereits zertifiziert wurde, dürften weniger ökologisch arbeitende Anbieter wie etwa die südamerikanischen Billigethanol-Hersteller aus dem Markt gedrängt werden.
Reichlich Kurspotenzial
Es gibt also deutliche Hinweise, dass das Kerngeschäft von Verbio in den nächsten Jahren richtig ins Laufen kommt und endlich nachhaltige Gewinne abwirft. Das ist aber gar nicht mal nötig, um weiteres Kurspotenzial zu begründen, denn dafür sorgt allein schon der Eintritt ins Biogas-Geschäft. Rechnen wir mal perspektivisch: Je 1.000 GWh erzeugtem Gas kalkuliert Verbio mit 60 Mio. Euro Umsatz. Wenn die Kapazität in den nächsten Jahren plangemäß auf 2.000 GWh hochgefahren werden kann, bedeutet das 120 Mio. Euro Einnahmen pro Jahr, von denen bei vorhandenem Rohstoff (Schlempe) satte 50 bis 60 % operative Marge hängen bleiben dürften. Nach Steuern reden wir also von rd. 40 Mio. Euro Ertrag – denen derzeit eine Marktkapitalisierung von gerade einmal 220 Mio. Euro gegenübersteht.
Fazit
Öko-Aktien sind heiße Eisen. Wenn sich regulatorische Bedingungen verschlechtern oder nicht wie erwartet verbessern, droht jederzeit ein Kurseinbruch. Bei Verbio ist aber durch den Eintritt in die Biogas-Erzeugung ein gleichsam explosives Aufwärtspotenzial vorhanden. Risikofreudige Anleger legen sich daher jetzt schon eine kleine Verbio-Position ins Depot, vorsichtigere Naturen warten ab, ob das Biogas-Geschäft plangemäß ausgebaut werden kann.