Ökoaktien gehen durch die Decke
Veröffentlicht am
16.03.2011
In ganz Europa zeigte sich in den vergangenen Tagen ein einheitlicher Trend: Energieversorger wurden verkauft. Anbieter von alternativen Energien erfreuten sich hingegen einer starken Nach frage. Das Atomunglück in Japan hat die Anleger umdenken lassen. Die Zukunft der Atomenergie ist ungewiss; die Anleger setzen deshalb verstärkt auf ein Wachstum der regenerativen Energien.
Die Kurse stiegen schon am Montag zweistellig. Vor allem die Aktien des Windanlagenbauers Nordex konnten profitieren. Sie legen am Dienstag um mehr als 20 Prozent zu. Solarworld und Q-Cells verbuchten ebenfalls zweistellige Kurssteigerungen. Überdurchschnittlich gewonnen haben auch Phoenix Solar, Manz, Roth & Rau sowie SMA. Größter TecDax-Gewinner ist die Aktie des hoch verschuldeten Solarunternehmens Conergy, dessen Papiere am Dienstag von 28 Cent auf 80 Cent und mehr stiegen. Auch der weltweite Aktienindex für regenerative Energien RENIXX World (ISIN: DE000RENX014/WKN: RENX01) ist am Dienstag infolge der Vorfälle in Japan um mehr als 5 Prozent (+26,46 Punkte) geklettert, der Schlusskurs lag bei 546,91 Punkten. An der Spitze der RENIXX-Gewinner stehen die drei deutschen Titel Nordex (+26,8 Prozent, 7,49 Euro, Frank furt), SolarWorld (+23,9 Prozent, 9,55 Euro, Frankfurt) und SMA (+13,4 Prozent, 78,23 Euro, Frankfurt). Mit REC aus Norwegen (+12,9 Prozent, 2,44 Euro), Hansen Transmissions aus Belgien (+11,7 Prozent, 0,56 Euro) und Vestas aus Dänemark (+10,2 Prozent, 26,26 Euro) reihten sich weitere europäische Titel in die Gewinnerliste ein. Nur wenige Titel im RENIXX beenden am Dienstag den Handel mit Verlusten. Das USUnternehmen STR Holdings, das in der Vorwoche Geschäftszahlen für 2010 vorgelegt hatte, gab um 6,7 Prozent auf 11,14 Euro nach. Weitere Verlierer sind American Superconductor (-4,6 Prozent, 16,79 Euro) und EDF Energies Nouvelles (-1,3 Prozent, 31,41 Euro).
Der Run auf Werte der Solar- oder Windbranche folgt einem deutlichen Niedergang dieser Aktien im Laufe der vergangenen Monate. Neun der zehn schwächsten TecDax-Aktien im Jahr 2010 sind dem Bereich erneuerbarer Energien zuzuordnen. So verloren Conergy, Solarworld und QCells im Jahresdurchschnitt zwischen einem und sogar zwei Dritteln ihres Wertes. Die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) veröffentlichte jüngst einen Index, der zeigt, dass deutsche Solaraktien 2010 die größten Kapitalvernichter waren. Wer vor fünf Jahren für 1000 Euro Aktien des Modulherstellers Solon kaufte, hält heute nur noch den Gegenwert von 90 Euro in der Hand. Unter Druck gerieten die Titel durch die Kürzungen der Solarförderung in Deutschland und anderen europäischen Staaten. Nicht zuletzt sorgt die Konkurrenz aus China, die Solarzellen und -module um rund ein Drittel günstiger herstellen kann, für sinkende Margen. Die hohen Gewinn - spannen, die mit technisch überlegenen Produkten erzielt wurden, gehören der Vergangenheit an. So erwirtschaftete Solarworld 2005 noch eine operative Marge von 25 Prozent, 2010 lag sie bei nur noch rund 15 Prozent. Solaranbieter sehen sich deshalb genötigt, mehr abzusetzen, um ihren Gewinn zu halten. Branchenexperten erwarten vor diesem Hintergrund eine Konsolidierung der deutschen Solarbranche, in der es nur wenige Überlebende – manche sprechen von zwei bis drei Unternehmen – geben dürfte.
Vom Börsenhype der Erneuerbaren profitiert insbesondere die Windbranche, die als einträglichste Säule beim Ausbau der Ökoenergien gilt. Zuletzt musste sie empfindliche Rückschläge beim Ausbau an Land hinnehmen – auch weil wegen Netzüberlastungen zwangsweise Abschaltungen der Windkraftanlagen drohten. Angaben des Deutschen Windenergie-Instituts zufolge wurden im vergangenen Jahr rund 1500 Megawatt (MW) Windleistung neu installiert. 2009 gegenüber war dies ein Rückgang um 19 Prozent. Insgesamt waren Ende 2010 in Deutschland fast 22.000 Windräder installiert. Würden sie alle gleichzeitig mit voller Leistung laufen, produzieren sie mehr Strom als alle 17 deutschen Atomkraftwerke zusammengenommen.