Nickel: Im Sog der Stahlkonjunktur?

BörseGo AG
Veröffentlicht von BörseGo AG am 20.05.2010
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Gold- & Rohstoff-Report

Kein anderes Industriemetall hat sich seit Jahresbeginn stärker entwickelt als Nickel. Ende April erreichten die Notierungen an der „London Metal Exchange“ (LME) mit mehr als 27.000 US-Dollar pro Tonne den höchsten Stand seit etwa zwei Jahren. Das ist gleichbedeutend mit einer Verteuerung um mehr als 40 Prozent in nur drei Monaten. Allerdings brachen die Kurse Anfang Mai innerhalb weniger Tage wieder um rund 6.000 US-Dollar bzw. etwa 20 Prozent ein. Das als chronisch volatil bekannte Erz hat seinem Ruf somit einmal mehr alle Ehre gemacht.


Die Meinungen über die weitere Entwicklung gehen derzeit weit auseinander. Während Optimisten eine Fortsetzung der Rallye erwarten, rechnen Pessimisten mit weiteren deutlichen RückschlaÅNgen. Dabei finden beide Seiten gute Argumente, um ihre jeweilige Position zu begründen. Auf der einen Seite weisen die Fundamentaldaten auf eine konjunkturelle Erholung der Weltwirtschaft hin, was für steigende Preise spricht. Auf der anderen Seite sind die Nickellagerbestände mittlerweile nach historischen Maßstäben sehr hoch, wodurch weitere Zugewinne limitiert werden sollten. Darüber hinaus gibt es erste Anzeichen für eine restriktivere Wirtschaftspolitik des größten Verbraucherlandes China, das gegen eine mögliche Überhitzung der Wirtschaft und die steigende Teuerung vorgehen will. Dem gegenüber zeigt die chinesische Stahlindustrie bisher kaum Zeichen einer nachlassenden Produktionsdynamik, und mittlerweile fasst die Stahlkonjunktur auch in den Industrieländern zunehmend deutlicher Fuß. Alles in allem ergibt sich also ein recht unklares Bild, das reichlich Interpretationsspielraum bietet. Um die Entwicklung der vergangenen Monate richtig einordnen zu können, ist ein Blick auf die fundamentalen Charakteristika des Nickelmarktes unabdingbar. Grundsätzlich betrachtet handelt es sich um einen ausgesprochen konjunktursensiblen Rohstoff. Etwa 60-70 Prozent des Erzes wird bei der Herstellung von korrosionsfestem Stahl verbraucht. Weitere 20 Prozent werden zu sonstigen Legierungen verarbeitet, der Rest verteilt sich auf die Galvanotechnik und chemische Anwendungen. Neben der Primärnickelproduktion kommt dem Recycling aus Stahlschrott eine wichtige Rolle als Sekundärquelle zu. Vor allem in China hat sich zudem die Produktion von „Nickel Pig Iron“ als Substitut etabliert. Gegenüber "konventionellem" Nickel zeichnet sich das Substitut v.a. durch niedrigere Produktionskosten und geringere Qualität aus. Der Reinheitsgrad (i.S.v. Nickelgehalt) von Nickel Pig Iron beträgt 1,5 bis maximal 20 Prozent. Im Vergleich dazu kommt herkömmliches Nickel auf einen durchschnittlichen Nickelanteil von 25-40 Prozent. Folglich hat die Entwicklung der Stahlproduktion erheblichen Einfluss auf die Nachfrage, die wiederum stark von der Weltkonjunktur abhängt. Die positive Preisentwicklung der vergangenen Monate ist in erster Linie auf die unerwartet robuste Entwicklung des chinesischen Stahlmarktes zurückzuführen. Während die Produktion der Industrieländer im vergangenen Jahr regelrecht eingebrochen ist, hat das gigantische Konjunkturund Infrastrukturprogramm der chinesischen Regierung die inländische Stahlnachfrage angefeuert. China ist mit etwa einem Drittel der globalen Nachfrage das mit Abstand wichtigste Verbrauchsland. Zudem haben chinesische Einkäufer das in ihren Augen niedrige Preisniveau genutzt, und vor allem im vergangenen Sommer große Mengen Nickel auf dem Weltmarkt aufgekauft. Anscheinend wurde ein beträchtlicher Teil der Importe eingelagert, möglicherweise um eine strategische Reserve aufzubauen. Was für die letzen Monate Gültigkeit hatte, wird aus heutiger Sicht auch die kommenden Monate bestimmen. China ist und bleibt die entscheidende Stellschraube auf dem Nickelmarkt. Sollte die Nachfrage des Landes sich deutlich abschwächen, wäre das wohl gleichbedeutend mit einem Preisrückschlag. Trotz erheblich verbesserter Bedingungen könnten die übrigen Industrie- und Schwellenländer die entstandene Nachfragelücke wohl kaum füllen. Aktuell ist davon jedoch kaum etwas zu spüren: Alleine in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres ist die globale Produktion von rostfreiem Stahl nach Angaben des „International Stainless Steel Forum“ (ISSF) auf 7,5 Millionen Tonnen gestiegen. Das sind rund 55 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, was dem stärksten Zuwachs seit mehr als 30 Jahren entspricht. In China beträgt der entsprechende Zuwachs etwa 38 Prozent. Bei der Analyse der Daten sollte jedoch beachtet werden, dass es sich bei dem entsprechenden ersten Vergleichsquartal 2009 um den Zeitraum mit den niedrigsten Produktionsziffern seit mehr als zehn Jahren handelt. Aussagekräftiger ist der Vergleich mit dem Vorquartal, der zwar immer noch positiv ausfällt, jedoch bei weitem geringer: Auf globaler Ebene steht hier ein Plus von 11,5 Prozent zu Buche, in China beträgt die Steigerung 8,9 Prozent. Vergleicht man der Reihe nach die Zuwachsraten der einzelnen Quartale, wird schnell deutlich, dass der Markt sich zwar mit großem Tempo erholt, die Erholung jedoch zunehmend an Dynamik verliert. Dieser Trend spiegelt sich auch in der Entwicklung der Nickellagerbestände an der LME wieder. Im vergangenen Februar meldete der Handelsplatz mit mehr als 160.000 Tonnen den höchsten jemals erreichten Wert. Der deutliche Lageraufbau geht wahrscheinlich in erster Linie auf die Abschwächung der chinesischen Nachfrage in den letzten beiden Quartalen zurück, die nicht von den OECD-Staaten kompensiert werden konnte. Mittlerweile scheint sich das Blatt aber wieder gewendet zu haben, die Bestände sind tendenziell rückläufig, wenn auch weiterhin auf hohem Niveau. Offenbar gehen einige bisher eher zurückhaltende Stahlkocher dazu über, die eigenen Bestände wieder aufzufüllen. Anscheinend erscheint den Käufern das gegenwärtige Preisniveau nicht als zu hoch, wozu auch die deutlichen gestiegenen Stahlpreise beitragen, durch sie sich ein Teil der Mehrkosten auf die Konsumenten abwälzen lässt. In der Gesamtschau scheint es um die Fundamentaldaten auf dem Nickelmarkt derzeit nicht schlecht bestellt zu sein. Sollte ein konjunktureller Rückschlag ausbleiben, erscheinen die Notierungen bei einem Niveau von 20.000-21.000 Dollar zumindest gut unterstützt zu sein. Allerdings bleiben weiterhin erhebliche Unsicherheiten bestehen, nicht zuletzt auf Grund der anhaltenden Sorgen um die Stabilität der Eurozone bzw. die Verfassung der Anleihenmärkte, die sich auch auf die Rohstoffmärkte auswirken. Spezifische Herausforderungen für den Nickelmarkt sind die weiterhin hohen Lagerbestände sowohl in China als auch in Europa, sowie die voraussichtlich deutlichen Outputsteigerungen der Nickelproduzenten als Reaktion auf das aktuelle Preisniveau. Zudem sollten die Probleme der Hersteller Vale und BHP mit dem kanadischen Sudbury Schmelzer bzw. der australischen Nickel West Minen in absehbarer Zeit gelöst werden, was kurzfristig Druck von der Angebotsseite nehmen sollte. Mit großem Interesse beobachten Marktteilnehmer auch die bald beginnende Produktion der ebenfalls zu Vale gehörenden Goro- Mine in Neu Kaledonien, eines der größten derzeit anlaufenden Projekte weltweit. Bei planmäßigem Verlauf wäre im Gesamtjahr mit einer deutlichen Verbesserung des Nickelangebots zu rechnen, was sich in einem klaren Jahresüberschuss niederschlagen sollte. Vor diesem Hintergrund scheinen größere Preissteigerungen hauptsächlich dann möglich, wenn die Nachfrage der Stahlindustrie sich weiter ausgesprochen positiv entwickelt. Sollte die chinesische Regierung ihre Maßnahmen zur Abkühlung der Wirtschaft ausweiten, müsste sich ein neues Zugpferd finden, um den Nachfrageausfall auszugleichen. Falls dies nicht der Fall sein sollte, droht aus charttechnischer Sicht ein Rückfall auf die Unterstützungszone bei 17.750 Dollar. Sollte auch diese Zone nicht halten, etwa bei einem Rückfall der Weltwirtschaft in eine Rezession, wäre mit einem erneuten Test der Unterstützung bei ca. 10.300 Dollar und letztlich dem Vorjahrestief von rund 9.000 Dollar zu rechnen. Allerdings erscheint diese Variante unserer Ansicht nach als unwahrscheinlich. Gegenwärtig favorisieren wir eine Verteidigung der Unterstützungszone bei 20.000 – 21.000 Dollar, die von einem Anstieg auf den Widerstand bei 24.885 Dollar gefolgt werden sollte. Bei einer nachhaltigen Überwindung dieser Marke wäre aus technischer Sicht der Weg bis 35.000 Dollar frei. Dazu bedürfte es aber wohl eines externen Katalysators, wie beispielsweise durch anhaltende Versorgungsstörungen auf Grund von Streiks oder Naturereignissen.
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