Faktor-Zertifikate – Der etwas andere Turbo

Weimer Media Group GmbH
Veröffentlicht von Weimer Media Group GmbH am 23.03.2012
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In Deutschland gibt es einen bedeutenden Zertifikatemarkt. Nirgendwo sonst auf der Welt werden mehr dieser Papiere aufgelegt als bei uns. Selbst nach der großen Finanzkrise hat es lediglich einen kleinen Einbruch gegeben. Viele hatten damals befürchtet, der Markt könnte völlig zusammenbrechen. Doch davon ist nichts mehr zu hören. Zertifikate sind immer noch das, was sie schon immer waren: Schuldverschreibungen.


 

Was für den einen Teufelszeug ist, ist für den anderen die Vielfalt des Kapitalmarktes. Es gibt kaum eine Konstellation, die nicht durch ein entsprechendes Papier eines Emittenten abgedeckt werden könnte. Nach einer Studie von Professorin Sigrid Müller vom Institut für Finanzierung an der Humboldt Universität in Berlin wirken Zertifikate stabilisierend auf den Aktienmarkt. Zertifikate erhöhen die Liquidität und können so die Volatilität der zugrunde liegenden Aktien reduzieren.

Was zeichnet Faktor-Zertifikate aus?

Angesichts der großen Produktvielfalt ist es kaum verwunderlich, dass es für jeden Anlegertyp ein passendes Zertifikat gibt. Da gibt es Discount-, Bonus-, Basket-, Turbound Index-Zertifikate, um nur einen geringen Teil des Angebotes zu nennen. Hinzu gekommen ist eine Spezialität, die den Namen Faktor-Zertifikat bekommen hat. Aus gutem Grund: Denn der Begriff Faktor kommt auch in der Mathematik vor. Bei den Zertifikaten ist der Faktor eigentlich nichts anderes als der bisher schon bekannte Hebel. Die Hebelwirkung gibt es auch bei Turbo-Zertifikaten, allerdings verringert sich dessen Wirkung, je stärker die zugrunde liegende Aktie in die gewünschte Richtung läuft. Anders bei den Faktor-Zertifikaten: Hier bleibt die Hebelwirkung konstant – egal welche Laufzeit ein Papier hat. Sasa Perovic, Analyst bei der Ratingagentur Scope, beschreibt den Reiz der Produkte so: „Faktor-Zertifikate haben eine Hebelwirkung, mit der Anleger ihre individuelle Marktmeinung hebeln können. Im Gegensatz zu klassischen Hebelprodukten bleibt hier der Hebel konstant und ändert sich nicht in Abhängigkeit der Entwicklung des Basiswertes.“

Ein Vorreiter der Faktor-Zertifikate ist die Commerzbank. Sie war die erste, die im Jahr 2009 die ersten Faktor-Zertifikate auf den Markt und an den Anleger brachte. Zunächst bezogen sich die neuen Papiere vor allem auf einzelne Aktien. Das ist längst Geschichte. Mittlerweile werden auch Gold, Silber, Öl und Aktienindizes als Basiswert genommen. Auch die Zahl der Anbieter ist gestiegen. Den Anlegern scheint die konstante Art, auf Entwicklungen zu wetten, zu gefallen.

Kein Knock-out, keine Überraschungen

Anders als Turbo-Zertifikate haben die Faktor-Zertifikate keine Knock-out-Schwelle. Das heißt, ein automatisches Ausstoppen, sobald eine Barriere erreicht wird, bleibt aus. Das kann in Zeiten heftiger Börsenreaktionen durchaus von Vorteil sein. Es bedeutet aber auch, dass die Verluste fast gen Totalverlust gehen können. Eine deutliche Änderung der Volatilität indes kann dem Anleger mit einem Faktor-Zertifikat egal sein. Die spielt anders als bei Optionsscheinen keine Rolle. Der Preis eines Faktor-Zertifikats verändert sich genau so wie es festgelegt worden ist. Das ist aus Sicht der Anleger durchaus ein Vorteil, die Preisgestaltung ist transparent.

Wie funktioniert die Preisbildung?

Der Preis eines Faktor-Zertifikats errechnet sich durch die Veränderung des zugrunde liegenden Strategie-Index. Der StrategieIndex gibt die tägliche prozentuale Veränderung des Basiswertes gegenüber dem Vortag wieder. Dabei wird der entsprechende Faktor (Hebel) mit berücksichtigt. Mit jeder Schlusskursfeststellung wird somit ein neuer Referenzkurs bestimmt, der dann wieder die Basis für die prozentuale Wertentwicklung des nächsten Handelstages darstellt. Diese tägliche Anpassung des Strategie-Index erfolgt automatisch und wird als Verkettung bezeichnet. Die konstante Hebelwirkung wird dadurch gesichert, dass sich die Berechnung eines Strategie-Index auf die prozentuale Entwicklung des Basiswerts gegenüber seinem Vortagesschlusskurs bezieht. Das lässt sich am leichtesten an einem einfachen Beispiel erklären: Steigt ein Basiswert an einem Tag gegenüber dem Vortagesschlusskurs von 100 auf 110 Euro, also um 10%, steigt ein Faktor-Zertifikat mit dem Faktor zwei um zweimal 10% auf 120 Euro. Der Schlusskurs des Basiswertes, hier 110 Euro, ist dann am nächsten Handelstag der neue Referenzwert für die Berechnung der Tagesperformance. Steigt der Basiswert am nächsten Tag wieder um 10 Euro, sind das dann nicht 10%, sondern lediglich 9,09%. Das Faktor-Zertifikat steigt also um 18,18%. Was für den Weg nach oben gilt, gilt natürlich auch für den Weg nach unten. Sollte sich der Markt nicht so verhalten wie gedacht, entwickelt sich der Kurs des Zertifikats wie beschrieben, nur eben nach unten.

Für wen sind Faktor-Zertifikate geeignet?

Der Anleger muss sich darüber klar sein, dass Gewinne nicht garantiert sind. Faktor-Zertifikate, die beide Richtungen an den Börsen abdecken können, sind also sowohl als „short“wie auch als „long“Instrument zu gebrauchen. Sie werfen Gewinne ab, sobald sich der Markt, der Einzelwert, also der Basiswert, in die gewünschte Richtung entwickelt. Dann spielt das Papier seine volle Stärke aus. Anders ist es in Zeiten stark schwankender, eher seitwärts tendierender Märkte. Dann kann das Zertifikat an Wert verlieren, obwohl nach einiger Zeit der Basiswert wieder auf dem Ausgangsniveau notiert. Wie kann das sein? Die Commerzbank erläutert den scheinbaren Widerspruch so: „Aufgrund der Verkettung, die die tägliche Kursentwicklung des Basiswerts bei der Indexberechnung berücksichtigt, kann somit nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass das Faktor-Zertifikat nach dieser Zeit wieder bei seinem Ausgangsniveau notiert.“ Je länger solche Seitwärtsphasen andauern und je höher die Faktor-Zahl ist, desto größer können im Übrigen die Verluste ausfallen, die der Anleger mit seinem Faktor-Zertifikat einfährt. Wenn man bedenkt, dass es auch Profis mit gemanagten TrendfolgeFutures in manchen Jahren schwer fällt, eine gute Performance zu erreichen, ist klar, dass die Faktor-Zertifikate sich an sehr erfahrene, risikobewusste Anleger wenden. Auch Analyst Perovic macht auf diesen Umstand aufmerksam: „Geeignet sind diese Produkte nur als minimale Beimischung für das Portfolio. Sie sprechen insbesondere Anleger an, die über ihren Anlagehorizont (tendenziell kurzfristig) einen klaren Trendverlauf beim Basiswert erwarten. Käufer dieser Zertifikate sollten eine hohe Risikobereitschaft mitbringen, da die Risiken sehr hoch sind.“ Er weist darauf hin, dass der Hebel börsentäglich berechnet wird. Das bedeute, dass die Performance des Zertifikats über eine mehrperiodische Betrachtung in der Regel nicht der rechnerischen gehebelten Wertentwicklung des Basiswertes entspreche und gibt dafür ein Beispiel: „Ein Index steigt um 10% und fällt dann wieder um 5% am zweiten Tag. Sein Endwert liegt dann (bei einer Anfangsinvestition von 100) bei 104,5. Mit einem Hebel von zwei würde man nun einen Endwert von 109 erwarten. Tatsächlich sind es aber nur 108. Dieser Effekt kann sogar dazu führen, dass selbst bei einer positiven Wertentwicklung des Basiswertes das Zertifikat im Minus ist.“ Außerdem sollten Anleger beachten, dass der Vorteil einer gleich bleibenden Hebelung auch ein Nachteil sein kann. Gerade bei großen Hebelungen seien hohe Verluste sehr schnell möglich, so Perovic.

Aber erhöhtem Risiko stehen eben auch höhere Chancen gegenüber. Daher kommen Faktor-Zertifikate für Anleger infrage, die in der Lage sind, Trends zu erkennen. Dabei sind natürlich auch Kenntnisse der Charttechnik hilfreich. FaktorZertifikate sind Papiere, die etwas Arbeit von den Anlegern fordern. Es reicht nicht aus, eine Meinung über den Markt, ein Unternehmen oder einen Rohstoff zu haben. Der Anleger sollte tiefer in die Materie gehen, damit er auch den größtmöglichen Gewinn erzielen kann.

Interessante Depotbeimischung

Für erfahrene Anleger sind Faktor-Zertifikate eine interessante Depotbeimischung. Wem der tägliche Börsenhandel aus Zeitgründen nicht möglich ist, der kann mit diesen Papieren mittelfristig eine interessante Rendite erwirtschaften. Ein sanftes Ruhekissen sind die Faktor-Zertifikate nicht, sie ersetzen also auf keinen Fall eine buy an hold-Strategie. Ebenso wie das Internet den Börsenhandel demokratisiert hat, haben Faktor-Zertifikate die Anlagemöglichkeiten für private Anleger erweitert, auch wenn sie aufgrund der hohen Risiken nicht für die breite Masse der Investoren geeignet sind. 

 

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