Den Trüffeln der Tiefsee auf der Spur
Veröffentlicht von
BörseGo AG
am
22.09.2010
Sie sind kartoffelgroß und lagern unter ungeheurem Druck in absoluter Finsternis: In der ersten Hälfte dieses Jahres haben Forscher aus vier deutschen Meeresforschungsinstituten fünf Wochen lang in knapp 5000 Meter Tiefe im Pazifik Manganknollen erkundet. Sie stießen auf etwa eine Milliarde Tonnen der rohstoffreichen Gebilde, die in schier endloser Ansammlung auf dem Meeresboden zwischen Hawaii und Mexiko liegen. Insgesamt rund 10 Milliarden Tonnen werden in diesem Gebiet vermutet. Die Knollen enthalten Nickel, Kupfer und Kobalt in hohen Konzen tra - tionen, hinzu kommen seltene Spurenelemente wie Molybdän, Selen, Indium und Tellur – Grundstoffe für Flachbildschirme und Handys.
Die Experten waren etwa 2000 Kilometer südlich von Los Angeles auf Höhe von Mexiko mit dem Forschungsschiff "Sonne" unterwegs. Sie erkundeten ein Areal von etwa 56 000 Quadratkilometern, um herauszufinden, wie viele Knollen es dort gibt, wie sie entstehen und welche Mikroorganismen auf ihnen leben. Dreidimensionale Karten des Meeresbodens wurden erstellt, damit zukünftige Investoren sich einen Überblick verschaffen können, wo sie die Knollen effizient abbauen können. In ebenen Gebieten, so der Befund, lagern in 4200 bis 4800 Meter Tiefe auf jedem Quadratmeter zehn bis 20 Kilogramm der wertvollen Knollen. Durchgeführt werden konnte die Expedition, weil Deutschland seit 2006 die Erkundungsrechte an zwei riesigen Mangan-Lagerstätten im Pazifik hält. Das Gebiet umfasst rund 75.000 Quadratkilometer, was einer Fläche von zusammengenommen Niedersachsen und Schleswig-Holstein entspricht. Angrenzend befinden sich die Lizenzgebiete von China, Russland, Korea, Frankreich und Japan. Die Knollen sind in Millionen Jahren auf dem Grund der Ozeane in einer Tiefe von rund 5000 Metern entstanden. Es sind klumpenartige Rohstoffablagerungen, die zwischen drei und sechs Zentimeter groß sind. Dabei wachsen die Knollen rund um einen Ausgangskeim, z.B. eine Muschelschale oder einen Haifischzahn: In den Sedimentporen lagern sich gelöste Metalle an. Die größeren Exemplare erreichen einen Durchmesser von 20 Zentimetern. Entdeckt wurden die Manganvorkommen bereits am Ende des 19. Jahrhunderts: In den Schleppnetzen früher Tiefseeexpeditionen fanden sich nicht nur unbekannte Meeresbewohner, sondern auch die erzhaltigen Knollen. Bis zur Rohstoffkrise in den 1970er Jahren gerieten die wertvollen Brocken wieder in Vergessenheit. 1978 startete eine erste Expedition, die mittels eines Kollektorfahrzeugs und über ein fünf Kilometer langes Rohr geschredderte Manganknollen an die Oberfläche pumpte.
Folgen des Abbaus
Doch schon diese ersten Versuche haben auf dem Grund des Pazifiks bedenkliche Spuren hinterlassen: Selbst nach Jahrzehnten haben sich in der 1978 gezogenen kilometerlangen und anderthalb Meter breiten Schneise nicht alle Tierarten wieder angesiedelt, die zuvor dort lebten. Stattdessen wirkt die Schneise, so stellten Forscher vor fünf Jahren fest, als sei erst gestern ein Raupenschlepper über den Meeresboden geschrammt. Befürchtet wird auch, dass sich bei einem industriellen Abbau die aufgewirbelten Staubwolken im Ozean verteilen und beim Niedersinken wie ein Leichentuch auf den Lebensraum am Meeresboden legen könnten. Diese Forschungsergebnisse haben die Internationale Meeresbodenbehörde mit Sitz in Jamaika alarmiert und davon überzeugt, rigide Vorschriften zu erlassen: Lizenznehmer von Meeresboden müssen umfangreiche Umweltstudien durchführen und eine Bestandsaufnahme von allen dort lebenden Tierarten vorlegen. Zudem müssen im Lizenzgebiet Zonen ausgewiesen wer den, in denen keinerlei Abbau betrieben werden darf, um die Wiederbesiedlung der Abbaugebiete zu ermöglichen. Es ist anzunehmen, dass der Manganknollen-Abbau von Unternehmen betrieben werden wird, die bereits Erfahrungen mit der Ausbeutung von Offshore-Bodenschätzen haben, also etablierte Öl- und Gasfördergesellschaften. Zum jetzigen Frühstadium der Manganknollen-Erkundung gibt es für Anleger noch keine Investmentmöglichkeiten. Noch hat der Boden des Pazifik Ruhe – der großflächige industrielle Abbau ist erst in zehn Jahren geplant. Sollten die Preise für Nickel, Kupfer, Molybdän, Selen, Indium und Tellur jedoch noch schneller steigen als derzeit erwartet, dürfte aller Voraussicht nach der Abbau deutlich früher beginnen.