Börsenbriefe hautnah: 15 Fragen an Stephan Heibel von Heibel-Ticker

Veröffentlicht am 02.07.2012
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In unserer Interview-Reihe „Börsenbriefe hautnah: Verleger im Interview“ stellen wir Redakteuren und Herausgebern von Börsenbriefen 15 Fragen zu ihrem beruflichen und privaten Umwelt und möchten so einen Einblick hinter die Kulissen geben. In diesem Interview Stephan Heibel von Heibel-Ticker.


Wieso und bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee einen Börsenbrief herauszugeben?
Es war keine Idee, ich bin da eher so reingerutscht. Die Börsenbriefe, die es Ende des letzten Jahrtausends gab, waren überwiegend unseriös oder für den Privatanleger unbrauchbar. Ich bat zunächst den Herausgeber des ältesten Internet-Börsenbriefs, ein Kapitel schreiben zu dürfen. Die Resonanz auf meine Beiträge war so positiv, dass wir bald einen eigenen Börsenbrief für mich starteten. Später habe ich dann meinen eigenen Börsenbrief in Eigenregie gestartet.

Wie wichtig ist Ihnen der persönliche Kontakt zu Ihren Lesern?
Jedes Jahr bearbeite ich über zweitausend Kundenmails. Meist handelt es sich um individuelle Fragen, für deren Beantwortung ich nur wenig recherchieren muss. Nicht selten bekomme ich auch Kritik zu hören. Natürlich ist mir ein dickes Lob lieber als Kritik, doch meine Kunden verstehen es, Kritik so konstruktiv und sachlich zu formulieren, dass ich daraus stets etwas für meinen Börsenbrief ableiten kann und ihn weiterentwickle. Das ist mein persönlicher Kontakt zu meinen Kunden und der ist mir sehr wichtig.
Im Zeitalter der Bits und Bytes kommt natürlich ein persönliches Treffen meistens zu kurz. Meine sozialen Kontakt ziehe ich daher nur selten aus meinem Kundenkreis, es bleibt die professionelle Ebene. Einmal im Jahr halte ich einen Vortrag, und bei dieser Gelegenheit lerne ich immer wieder einige Kunden persönlich kennen. Ich finde es schön, die Menschen persönlich kennenzulernen, mit denen ich täglich zu tun habe. Doch fachlich tausche ich mich am Folgetag per E-Mail schon wieder besser aus als am Biertisch.

Was für eine Art Trader sind Sie? Wie finden Sie für Ihre Kunden die besten Anlagemöglichkeiten?
Ich kümmere mich um die Vermögensanlage, da spielt das „Traden“ nur eine kleine Rolle. Für die Vermögensanlage ist es wichtig, mindestens fünf Positionen aus verschiedenen Branchen und Ländern zu haben. Risikostreuung spielt bei mir eine sehr große Rolle, es ist das einzige Geschenk, das Sie an der Börse erhalten.
Ein bis zwei Positionen von fünf können oder müssen sogar spekulative Positionen sein. Zum einen eröffnet es einem an guten Tagen ein überproportionales Gewinnpotential. Zum anderen kehrt man ohne ein wenig Nervenkitzel der Börse bald gelangweilt den Rücken.

Was motiviert Sie Tag für Tag? Was bedeutet es Ihnen, einen Börsenbrief zu veröffentlichen?
Ich möchte da einen Werbeslogan der Wirtschaftswoche klauen: „Nichts ist spannender als die Wirtschaft! Woche für Woche.“ Gleichzeitig sehe ich, wie unzählige gutsituierte Menschen unserer breiten Mittelschicht von den Banken ausgenommen werden wie eine Weihnachtsgans. Den Menschen, die in ihrem Beruf gut sind und ihr wohlverdientes Geld anschließend sinnvoll anlegen möchten, will ich helfen. Es ist eine arbeitsame, ehrliche und intelligente Kundschaft, für die ich die teilweise komplexen Zusammenhänge der Finanzmärkte gerne mit einfachen Worten erkläre.

Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie keinen Börsenbrief veröffentlichen würden?
Ich habe eine Banklehre, ein abgeschlossenes VWL Studium und war viele Jahre SAP-Berater. Nirgends wurde meine Leistung so direkt und ehrlich bewertet wie durch den Erfolg und Misserfolg meiner Empfehlungen sowie deren Umsetzbarkeit. Diese intensive Arbeit mit meinen Kunden macht unendlich viel Spaß. Nein, ich kann mir derzeit keinen schöneren Beruf vorstellen.

„Geld schläft nicht“ - Wie verbinden Sie das Berufliche mit dem Privaten?
Eine gesunde Risikostreuung hilft mir, gut zu schlafen. Mit meiner Familie habe ich feste „Vaterzeiten“ eingerichtet, so bin ich derzeit beispielsweise jeden Montag ab 16 Uhr bis zum Schlafengehen voll und ganz für meine beiden kleinen Kinder da, meine Frau hat dann frei. Wir haben festgestellt, dass der Beruf, insbesondere bei einer selbständigen Tätigkeit wie meiner, gerne jegliche Freizeit vereinnahmt, wenn man sich nicht feste Freiräume einrichtet und sich an diese festgelegten Zeiten hält. Jedes Jahr überlegen wir in unserer Familie gemeinsam, wie das Verhältnis zwischen Beruf und Familie künftig am besten aussehen sollte und richten uns entsprechend ein.

Wie sieht Ihr Arbeitstag als Börsenbrief-Herausgeber aus?
In der Regel arbeite ich von 8 bis 18 Uhr. Der Großteil meiner Arbeit besteht aus dem Lesen von Meldungen mit direkt anschließender Recherche. Immer wieder muss ich neue Themen hinterfragen und mir ein eigenes Bild erarbeiten. Erst dann kann ich beispielsweise einen Artikel schreiben oder auch Leserfragen beantworten. Zunächst werden natürlich Themen bearbeitet, die für meinen Börsenbrief relevant sind. Insbesondere wenn es Meldungen zu Unternehmen gibt, die sich in unserem Portfolio befinden, werden meine Kunden als erstes mit einer Meinung von mir zu der entsprechenden Meldung versorgt. In der übrigen Zeit erstelle ich Artikel, die ist auf anderen Plattformen im Internet veröffentliche, um meinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen. So gewinne ich neue Kunden.

Welche "Megatrends" sehen Sie für die nächsten 5-10 Jahre und welche Geheimtipps können Sie uns hier verraten?
Den „Megatrend“ Gold habe ich vor elf Jahren, also 2001, ausgerufen und seither konsequent verfolgt. Ich denke, dieser Trend läuft noch mindestens bis ins Jahr 2013 hinein, vielleicht auch noch ein oder zwei Jahre länger. Dann werden wir den Euro mit einer neuen Struktur versehen, und das Gold wird wieder unattraktiver.
Smartphones und Touchpads führen zu einer exponentiell wachsenden Nutzung des mobilen Internets. Hier müssen das Mobilfunknetz ausgebaut werden (Ericsson), aber auch neue Formen der Zusammenarbeit wie beispielsweise über die Cloud (Salesforce) werden entwickelt. Zudem werden die verfügbaren Daten immer intensiver ausgewertet (EMC, oder in Realtime: Tibco). Der PC oder mein MacBook Pro werden immer ihre Existenzberechtigung behalten, doch immer mehr wird künftig von Touchpads wie dem iPad übernommen werden.
Gesunde Ernährung und Ernährung überhaupt ist in meinen Augen ebenfalls ein Megatrend. Schwellenländer wie China  und Indien bekommen eine breitere Mittelschicht, die mehr Fleisch isst und dadurch die weltweiten Agrarmärkte durcheinander bringt (DuPont). Gleichzeitig wird in den Industrieländern immer mehr Wert auf gesunde Ernährung gelegt, was ebenfalls zu neuen Angeboten führt (Whole Foods Markets).

Welche Voraussetzungen braucht man um als Trader langfristig erfolgreich zu sein?
Kann ich nicht sagen, ich bin kein Trader. Ich kann Ihnen aber sagen, wie Sie sich ein erfüllendes Privatleben aufbauen können. Beginnen Sie am besten mit einer gesunden Risikostreuung.

Ein Treffen mit dem Bundesfinanzminister – was wünschen Sie sich für den Finanzplatz Deutschland?
Ich schließe mich Friedrich Merz, Guido Westerwelle und Paul Kirchhoff an und fordere eine radikale Vereinfachung unseres Steuersystems. Sie muss nicht auf den berühmten Bierdeckel passen, aber zwei Leitz-Ordner für einen Zwei-Mann-Betrieb pro Jahr ist zu viel Papierkrieg. Und selbst bei sorgfältigster Bearbeitung kann mir niemand sagen, ob ich „alles rausgeholt habe“, oder ob sich nicht irgendwo noch Fehler verstecken. Eine radikale Vereinfachung würde unglaubliches unternehmerisches Potential in Deutschland heben.

Ausnahmsweise dürfen Sie mit uns eine Zeitreise unternehmen, in welches Zeitalter reisen Sie?
In das Jahr 2012 – denn es wird Geschichte geschrieben und wir sind mittendrin. Schaffen wir es, den Euro so zu strukturieren, dass er gleichermaßen für Club-Med Länder wie auch die kühl kalkulierenden Nordischen gilt? Auf das Ergebnis dieses Experiments wird man noch Jahrzehnte blicken.

Mit welcher Persönlichkeit würden Sie gerne mal einen Kaffee oder ein Bier trinken?
Mit meiner Frau – tue ich übrigens auch regelmäßig :-)
 
Wie verbringen Sie einen schönen freien Tag am Wochenende?
Wir fahren an die Ostsee und spielen mit den Kindern am Strand. Von uns aus (Hamburg) ist die Ostsee in einer Stunde erreichbar.

Welche Literatur empfehlen Sie Einsteigern und Fortgeschrittenen über die Finanz- und Börsenwelt?
Den Heibel-Ticker natürlich. Ich habe mein Wissen nicht aus Büchern, sondern bekam die Grundlagen in der Uni mit und habe das Zahlenjonglieren dann weiterentwickelt. Ich kann daher kein Buch oder ähnliches empfehlen. Im Heibel-Ticker verwende ich jedoch eine Sprache, mit der ich die wesentlichen Instrumente der Finanzbranche einfach genug darstelle, damit sie auch fachfremde Leser verstehen können.

Welche Börsenweisheit geben Sie unseren Lesern mit auf den Weg?
Nicht die Kaufentscheidung ist wichtig, sondern die Zeit danach. Sie müssen am Ball bleiben, eine Überzeugung entwickeln und zu ihr stehen, wenn die Aktie eine Durststrecke durchschreitet. Und Sie müssen erkennen, wenn Ihre Überzeugung durch reale Entwicklungen widerlegt wurde, dann müssen Sie Ihre Meinung ändern und verkaufen – egal ob die Aktie im Plus oder Minus notiert. Es ist also besser, schnell zu kaufen und schon bald seinen Fehler zu erkennen und zu korrigieren, als unendlich lange zu recherchieren, eine unumstößliche Überzeugung zu entwickeln und dann entweder zu spät zu kaufen oder zu lange an der Aktie festzuhalten.

Zur Person:
Stephan Heibel, geboren 1968 in Köln (linksrheinisch) , Bankkaufmann (Deutsche Bank in Berlin), Diplom Volkswirt (Würzburg) , SAP-Berater (Frankfurt, New York) und heute selbständiger Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefes. Ich habe eine Mitarbeiterin, die mich als Assistentin unterstützt. Zudem habe ich ein breit gefächertes Netzwerk an Kooperationspartnern für verschiedenste Teilbereiche aufgebaut. Ich bin glücklich verheiratet und habe zwei Kinder (1 & 3 Jahre alt), wir leben in Hamburg.
 

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