Die Globalisierung der Finanzwelt steht vor einem Systemcheck

CURT L. SCHMITT Informationsdienste
Veröffentlicht von CURT L. SCHMITT Informationsdienste am 06.06.2012
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Frankfurter Börsenbrief

Indikativ sind in diesem Zusammenhang die auffällig schwachen Währungen der vier BRIC-Länder China, Indien, Brasilien und Russland. Während sich der (manipulierte) chinesische Renminbi gegenüber dem US-Dollar zunächst noch einigermaßen halten konnte, kippte der brasilianische Real seit Anfang März um etwa 17 % weg, bei der indischen Rupie und dem russischen Rubel waren es (in letzterem Fall seit Anfang Mai) jeweils grob 10 bis 15 %.


 

Jedes der genannten Länder hat dazu eine eigene Hintergrundstory. Im Falle von China ist es die Frage, wie weich oder hart die Landung ausfällt (Ersteres ist wahrscheinlicher). Indien schaffte im Jahres-Auftaktquartal das schwächste Wachstum seit etwa 9 Jahren. Brasilien hat die Zinsschraube (overnight) bereits siebenmal tiefer gedreht, um der Wirtschaft Rückenwind zu verleihen. Der Rückgang des russischen Rubel erfolgte mehr oder weniger zeitgleich mit dem Rückgang des Ölpreises. Jedoch:

Das zeitliche Zusammenlaufen der Kursrückgänge ist auch ein Indikator für Kapitalverlagerungen aus diesen Ländern heraus. Dieser Trend relativiert das früher so heiße BRIC-Wachstumsthema. Nach Angaben von Goldman Sachs entfiel mehr als die Hälfte des globalen Wirtschaftswachstums in den vergangenen 3 Jahren auf die vier Wachstumsländer nach im Schnitt etwa 27 % im Zeitraum 2000 bis 2007. Damit stellt sich die Frage, ob das Portfoliound Investitionskapital, das in den vergangenen Jahren in diese Länder geflossen ist, hier wirklich noch gut aufgehoben ist oder nicht ansonsten in den jeweiligen Heimatmärkten „sicherer“ angelegt werden kann. Denn:

Die überzogene Risikoaversion rüttelt an den bisherigen Spielregeln der Märkte. Die Grundannahme bestehender Märkte ist der risikoaverse Anleger. Dieser verweigert sich grundsätzlich nicht dem Risiko, sondern wägt ab zwischen Risikofähigkeit/Risikowilligkeit einerseits und dem zu erwartenden Ertrag auf der anderen Seite. Stimmt der Ertrag, dann ist auch Risiko in Ordnung. Wir hatten allerdings bereits dargestellt, dass es derzeit eine auffällige Fehl-Preisung von Risiko gibt. Der Markt ist derzeit offensichtlich nicht bereit, ein höheres Ertragspotenzial mit einem höheren Risiko zu erkaufen, sondern verweigert sich schlichtweg dem Risiko. Negative Realzinsen bei Staatsanleihen in „sicheren Häfen“ sind dafür eine klare Sprache. Das allerdings impliziert eine sehr wichtige Kernfrage:

Was muss geschehen, um den „Markt-Motor“ erneut zu starten? Letztlich hängt dies am grundsätzlichen Vertrauen, aber daran geknüpft ist auch die Frage, ob die Unterstellung noch tragfähig  ist, dass man dem Markt nur „Sparwilligkeit“ demonstrieren muss oder Infrastrukturprogramme auf Pump durchdrücken oder auch Liquiditäts-Doping per NotenbankGeldflutung betreiben muss. Mit solchen Maßnahmen öffnet man Tür und Tor für einen sukzessiven Risikotransfer vom privaten in den staatlichen Sektor ein Manöver, das natürlich nicht unbegrenzt fortgesetzt werden kann und das auch nur dann Sinn macht, wenn das private Kapital letztlich die Staffel übernimmt. Gelingt dies nicht, wird man schließlich nicht umhinkommen, aus dem bisher gewohnten Marktrahmen und -System, gegebenenfalls auch aus dem bisherigen Demokratie-Verständnis der letzten Jahrzehnte auszubrechen und auch unkonventionelle, mitunter unbequeme Wege zu gehen. 

 

Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Frankfurter Börsenbrief

Lettertest Newsletter

Gratis Probeabos, Rabatt Couponaktionen
Newsletter Umschlag