So tickt die Börse: Euro diktiert Aktienmärkte

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 09.06.2016
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Die Wechselwirkung zwischen Konjunkturdaten und dem Aktienmarkt wird immer direkter, dadurch immer schneller und letztlich immer ungenauer. Ungenauer, weil jede tagesaktuelle Information in zweierlei Hinsicht interpretiert werden kann: Was sagt die Information über die aktuelle Verfassung der Konjunktur aus? Und zweitens: Was sagt die Information über die zu erwartende künftige Geldpolitik der Notenbank aus?


Welche Auswirkungen hat die Informationsflut über den Aktienmarkt?

Die Wechselwirkung zwischen Konjunkturdaten und dem Aktienmarkt wird immer direkter, dadurch immer schneller und letztlich immer ungenauer. Ungenauer, weil jede tagesaktuelle Information in zweierlei Hinsicht interpretiert werden kann: Was sagt die Information über die aktuelle Verfassung der Konjunktur aus? Und zweitens: Was sagt die Information über die zu erwartende künftige Geldpolitik der Notenbank aus?

Gute Konjunkturdaten sind zunächst erfreulich, mindern jedoch die Wahrscheinlichkeit weiterer Lockerungsübungen der Notenbanken.

 

Euro und Dollar im Vergleich 

Wenn wir nun noch die Wechselkursbeziehung EUR/USD betrachten, ist schnell zu verstehen, warum die Reaktion auf eine Information zunächst so und wenige Stunden später ganz anders ausfallen kann. So beispielsweise die Reaktion auf die überraschend schwachen Arbeitsmarktdaten aus den uSA vom vergangenen Freitag.

Zunächst war der Dow Jones eingebrochen, den DAX nahm er gleich mit. Doch in den USA wurde schnell offensichtlich, dass diese schwache Konjunkturinformation vermutlich dazu führen kann, dass die US-Notenbank die erwartete Zinsanhebung für die kommende Woche ein wenig verschiebt. Das ist super für US-Aktien, denn die derzeit lockere Geldpolitik hält dadurch länger an als erwartet. Die US-Aktien sind folglich bereits am Montag wieder angestiegen.

Länger niedrige Zinsen in den USA haben auch die internationalen Anleger registriert und entsprechend legten sie ihr Geld lieber in Euro als in US-Dollar an. Der US-Dollar gab nach, und das wiederum hilft den international aufgestellten US-Unternehmen mit großem Exportgeschäft.

DAX-Unternehmen hingegen werden durch diese Entwicklung benachteiligt, denn ein starker Euro macht den Preis deutscher Exportprodukte teurer, die Wettbewerbsfähigkeit leidet. Entsprechend ziehen sich internationale Anleger vom DAX zurück.

Erschwerend kamen dann noch gute Konjunkturdaten aus Deutschland und Europa hinzu, die Industrieproduktion zieht an, das europäische BIP entwickelt sich besser als erwartet und auch die deutsche Handelsbilanz überrascht positiv. Kein Grund zur Freude, denn das könnte bedeuten, dass die EZB wiederum ihre lockere Geldpolitik früher beendet als derzeit erwartet. So dominierte diese Woche die Diskussion über ein mögliches Ende der lockeren Geldpolitik der EZB. Der Euro legte im Wochenvergleich um 1,5% zu und entsprechend verlor der DAX 1,2%.

Der Dow Jones konnte im gleichen Zeitraum um 1% zulegen und liegt damit nur 1% unter seinem Allzeithoch von vor einem Jahr. Der DAX ist mal schlappe 20% tiefer als sein ebenfalls vor einem Jahr geschriebenes Allzeithoch.

Während in den USA also die Zinswende eingeleitet wurde, die lockere Geldpolitik langsam zurückgefahren wird, konnte sich der Dow Jones unverändert nahe seines Allzeithochs halten. In Europa hingegen wurde durch die EZB eine weitere Lockerungsrunde in Form vom Ankauf von Unternehmensanleihen eingeläutet, der DAX jedoch ist um 20% eingebrochen.


Liquiditätsflutung der EZB: Ein Resultat des wirtschaftlichen Standortnachteils Europas?

Wenn der wirtschaftliche Standortnachteil Europas in einer globalen Welt so groß ist, dass selbst die heftige Liquiditätsflutung der EZB nicht mehr ausreicht, dann muss die Frage erlaubt sein, ob die Liquiditätsflutung das Resultat des Standortnachteils ist oder ob der Standortnachteil das Resultat der Liquiditätsflutung ist. Hier gehen die Meinungen auseinander, es gibt intelligente Argumente für beide Seiten. Hier in Deutschland haben wir Jahrzehnte nach der Maxime gehandelt, dass eine zu lockere Geldpolitik den Druck für Strukturreformen von der Politik nimmt und je länger die Misere in Europa anhält, desto mehr Anhänger findet die deutsche Betrachtungsweise.

Natürlich haben aus Bewertungssicht die deutschen Aktien nun Nachholpotential, doch dieses Nachholpotential wird ewig bestehen bleiben, solange der Standortnachteil besteht. Die wichtige Frage ist also, wann wird es in Europa, insbesondere in Frankreich und Italien, nennenswerte Strukturreformen geben? Derzeit sehe ich keine entsprechenden Ansätze.

Wochenperformance der wichtigsten Indizes


Öl über 50 USD/FASS WTI

Okay, nun ist es soweit gekommen: Der Ölpreis ist tatsächlich über 50 USD/Fass gesprungen. Gestern notierte das schwarze Gold zeitweilig über 52 USD/Fass, eine Verdopplung vom Tief bei 26 USD/Fass im Februar. Analog zum Ölpreis sind auch die meisten Aktien von Unternehmen der Ölbranche in die Höhe geschossen.

Mehrere Ereignisse waren für den Sprung im Ölpreis verantwortlich: Die chinesische Wirtschaft hat wider Erwarten doch keine harte Landung hingelegt, im Gegenteil, die Nachfrage nach Öl seitens China ist kräftig angesprungen. In Kanada hat ein Waldbrand ein großes Ölfördergebiet lahm gelegt. Und eine ganze Reihe von Bohrtürmen wurden in den vergangenen anderthalb Jahren abgeschaltet und entsprechend ist die Fördermenge insbesondere beim US-Fracking stark zurückgegangen.

Die angestiegene Nachfrage seitens Chinas wird bislang jedoch als Eintagsfliege aufgrund von besonderen Entwicklungen bezeichnet. Die Nachfrage sinkt also nicht mehr, steigt aber auch noch nicht nachhaltig an. Und auf der anderen Seite ist zu erwarten, dass die Förderkapazitäten Kanadas schon bald wieder ans Netz gehen. Zusätzlich würde ein weiterer Ölpreisanstieg auch die Fracking-Industrie wiederbeleben, viele abgeschaltete Fördertürme können schnell wieder in Betrieb genommen werden.

Und über das Ende der OPEC habe ich im Heibel-Ticker ja hinreichend berichtet: Das Kartell, das sich die weltweite Ölpreisbeeinflussung durch Fördermengenabsprachen auf die Fahne geschrieben hat, findet keine Einigkeit mehr hinsichtlich der Fördermengen. Jeder fördert was das Zeug hält.



70 oder 30 USD/Fass? Wo wird der Ölpreis hinlaufen?

Bislang hatte ich eine Preisspanne von 30-40 USD/Fass ausgegeben und hielt den Lauf in Richtung 50 USD/Fass als kurzfristige Übertreibung. Die Entwicklungen, die dafür verantwortlich waren, lassen nach wie vor die Vermutung zu, dass es sich nur um einen vorübergehenden Ausreißer handelt. Doch ein erneutes Abrutschen in Richtung 30 USD/Fass würde eine erneute Flut von Öl bedeuten, und die sehe ich derzeit nicht.

Zwar sollte der Ölpreis noch auf absehbare Zeit eher niedrig bleiben, aber für ein erneutes Abrutschen auf 30 USD/Fass müssten die Überkapazitäten erneut so hoch sein wie vor einem Jahr. Dazu müsste die Fracking-Industrie erneut fördern, was das Zeug hält. Vor wenigen Jahren galt Fracking als lukratives Investment, und die Branche konnte sich vor Geld nicht retten. So entstand die große Fördermenge durch Fracking.

Heute ist Anlegern bewusst, dass der Ölpreis bei zu viel Fracking auch wieder in Richtung 30 USD/Fass fallen kann, denn die OPEC wird ihrerseits die Fördermengen nicht kürzen, um das Überangebot auszugleichen. Entsprechend wird heute vorsichtiger investiert. Und entsprechend kann ich mir vorstellen, dass eine Reihe von stillgelegten Fördertürmen wieder ans Netz kommen, doch das werden weniger sein als zu den Boomzeiten vor zwei Jahren.

So hebe ich meine Preisspanne für Öl ein wenig an, ich kann mir nun gut Preise zwischen 40 und 60 USD/Fass vorstellen. 70 USD/Fass halte ich für unwahrscheinlich, da zuvor schnell und günstig die bestehenden Fracking-Förderkapazitäten wieder ans Netz gebracht würden. Ich würde einen Run ab 60 USD/Fass erwarten. Und nach unten dürfte der Preis allein durch den Lerneffekt bei den Anlegern begrenzt bleiben, wie oben geschrieben.
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