Commerzbank unter Margendruck

Stephan Heibel
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 30.06.2016
Dies ist eine exklusive Leseprobe von:

Heibel-Ticker Börsenbrief

Gefangen in der Politik der EZB und in Brüssel steht es nicht in der Macht der Commerzbank, den Gewinn zu steigern. Ich fürchte eine Prognosesenkung und anhaltend schwere Marktbedingungen. Eine kurzzeitige Gegenbewegung ist überfällig, doch für langfristig steigende Kurse muss sich die Politik ändern. Was genau die Bank belastet und was sich ändern müsste erkläre ich in dieser Analyse.


PRÜGELKNABE

Ich habe bis heute nicht verstanden, warum die Commerzbank mitten in der Finanzkrise die Dresdner Bank übernehmen musste. Es muss wohl eine strategische Entscheidung gewesen sein, die sich bis heute im Konzern zeigt. Die Strategie lautete: Wir kümmern uns um Privatkunden und den Mittelstand.

Weg vom Eigenhandel, aber auch weg vom Investmentbanking. Folglich ist die Rechtsabteilung der Commerzbank auch um ein Vielfaches kleiner als die von der Deutschen Bank. Dennoch leidet die Commerzbank genau wie alle anderen europäischen Banken unter den hohen Regulierungskosten, die seit der Finanzkrise Jahr für Jahr zusätzlich von Brüssel auferlegt werden. Der Bankensektor ist zum Prügelknaben geworden, ein Segen für die Energiekonzerne, die seither endlich aus den Schlagzeilen verschwunden sind.

Doch nicht nur Brüssel lädt immer mehr Gewichte auf den Schultern der Banken ab. Auch die EZB verhindert mit ihrer Geldpolitik, dass insbesondere die in Deutschland so wichtigen kleinen Sparkassen und Volksbanken am traditionellen Bankgeschäft Geld verdienen. Ich würde sagen, die Bankenlobby hat auf europäischer Ebene nichts mehr zu melden. Eine interessante These, wenn wir uns den Brexit vor Augen halten. Lassen Sie mich das ein wenig näher ausführen.


STEIGENDE KOSTEN AM KURZEN ENDE

Der Abschied vom Investmentbanking und vom Eigenhandel bedeutete aber auch den Abschied von großen Gewinnmargen. Im traditionellen Bankgeschäft verdienen Banken an der Zinsdifferenz zwischen Spareinlagen und ausgeliehenen Krediten. Kredite werden über lange Laufzeiten vergeben, Spareinlagen legt man meist nur für kurze Zeit fest. Zusätzlich zum Zinsunterschied zwischen Soll und Haben verdienen Banken also an dem unterschiedlichen Zins für kurze und lange Laufzeiten. In der Regel ist der langfristige Zins, das „lange Ende der Zinskurve", deutlich höher als das „kurze Ende".



Die Zinskurve wird traditionell durch die Zinspolitik der Notenbanken beeinflusst. Die Notenbank setzt den kurzfristigen Leitzins, und je nach Konjunkturerwartung bildet sich dann der langfristige Zins am Markt.

Den kurzfristigen Zins hat die EZB für Banken bereits ins Minus gedrückt. Sie müssen nun nicht fürchten, dass Ihre Bank diesen negativen Zins auf Ihre Spareinlagen überträgt, das dürfte auf absehbare Zeit nicht passieren. Banken benötigen Spareinlagen als Polster für ihre Kreditaktivitäten, da werden sie keinen Strafzins drauf erheben.

Das kann nur die Notenbank für ihre Kunden, die Banken, denn sie hat gleichzeitig auch die Möglichkeit den Banken vorzuschreiben, wie viel bei ihr hinterlegt werden muss. Die Zwangseinlagen der Banken bei der EZB werden derzeit mit 0% verzinst. Jeder Euro, der zu viel hinterlegt wird, kostet die Banken 0,4% Strafzins. Wenn eine Bank zu wenig hinterlegt, kostet das 2,75% Strafzins. Da sich die Einlagenpflicht täglich ändert, können Sie davon ausgehen, dass Banken eher zu viel hinterlegen.

Diese Einlage steht nicht für Kredite zur Verfügung und kostet trotzdem Geld. Das sind Kosten, die Banken in einem „normalen" Zinsumfeld nicht hatten. Es sind Kosten, die, anders als in den Medien verbreitet, den von Banken an ihre Kunden angebotetenen Kreditzins eher erhöhen. Es sind Kosten, die gerne vermieden werden, was zu einer Verringerung des für die Berechnungsgrundlage maßgeblichen Kreditvolumens führt.

Der negative Zins am kurzen Ende führt also, anders als mehrheitlich in der Finanzpresse zu lesen, zu höheren Kosten bei den Kreditinstituten und hat daher keinesfalls eine stimulierende Wirkung. Die Gewinne im traditionellen Bankgeschäft brechen weg. Die einzige Möglichkeit, dem entgegenzuwirken ist, das Kreditvolumen trotzdem auszuweiten, trotz der hohen Kosten und geringen Marge, um durch das große Volumen bei kleinen Margen den Gewinn zu stützen. Doch das geht einher mit steigendem Risiko, und das scheuen Banken.


NIEDRIGERE ZINSEN AM LANGEN ENDE

Doch die EZB scheint dem traditionellen Bankgeschäft vollständig das Wasser abgraben zu wollen. Denn auch auf die Zinskurve nimmt sie Einfluss, indem sie mit groß angelegten Kaufprogrammen eine freie Zinsbildung über den Anleihemarkt verhindert. Diese Kaufprogramme drücken den Zins am „langen Ende". Unternehmen können ihre Investitionen also mit lang laufenden Unternehmensanleihen günstiger finanzieren, als die Bank ihnen Kredite geben würde. Die Bank hat überhaupt keine Chance, den Marktzins für Unternehmensanleihen bei angemessener Risikoabschätzung zu unterbieten, da große Unternehmen ihre Anleihen am Markt platzieren und sich des Kaufs von zwei Drittel der ausgegebenen Papiere durch die EZB sicher sein können.

Besonders deutlich wird die Belastung durch die Zinskurve in Europa, wenn wir uns die Zinskurve in den USA anschauen (obere Linie). Dort reicht die Spanne von 0,2% am kurzen Ende bis 1,5% für 10 Jahre. Insgesamt also 1,3% Zinsunterschied durch die Laufzeit. In Europa reicht die Spanne von -0,4% bis +0,1%, eine Spanne von 0,5%, während sich die negativen Zinsen jedoch noch als zusätzliche Belastung auswirken, wie oben erläutert.

FINTECH VERNICHTET GEBÜHREN

Eine schöne Nebeneinnahme für Banken waren in den vergangenen Jahren Gebühren. Jegliche Transaktionen, die Sie in Ihrem Konto vornehmen wollten, kosteten Geld. Das Argument, die Bank verdiene doch an den Einlagen der Kunden und solle daher nicht noch Gebühren verlangen, prallte an der Arroganz der Banker ab.

Inzwischen gibt es unzählige FinTech Start-ups, die verschiedenste Bereiche des Bankgeschäfts attackieren. FinTechs wickeln die Transaktionen vollautomatisch ab und verdienen an den Gebühren. Derzeit sind diese FinTech-Lösungen zwar ebenfalls noch teuer, aber die FinTech-Welle startet ja gerade erst. Es ist absehbar, dass die Anwendungen wesentlich kundenfreundlicher werden und gleichzeitig die Gebühren purzeln werden.


DER EHRLICHE IST IMMER DER DUMME

Ex-CEO Blessing hat frühzeitig während der Finanzkrise gemerkt, dass Eigenhandel den eigenen Ruf zerstört. Für das Investmentbanking war die Commerzbank nicht groß genug, und die Deutsche Bank setzte alles auf diese Karte. Also wandte sich Blessing dem traditionellen Bankgeschäft zu: Spareinlagen und Kreditausleihungen sowie Transaktionsknotenpunkt.

Damit hat sich die Commerzbank in meinen Augen deutlich ehrlicher gemacht als viele Wettbewerber. Doch leider hat sie sich damit auch auf die Geschäftsbereiche mit den niedrigsten Gewinnmargen gestützt.


CHANCE IN DER KONSOLIDIERUNG

Schwindende Gewinne und gleichzeitig steigende regulatorische Anforderungen belasten nicht nur die Commerzbank, sondern insbesondere kleine Sparkassen und Volksbanken. Hier wird es meines Erachtens schon bald zu einer heftigen Konsolidierungswelle kommen, ausgelöst durch den Regulierungswahn Brüssels und der Zinsschraube der EZB, an dessen Ende der Rückhalt der deutschen Wirtschaft, nämlich das feingliedrige Bankennetz für die unterschiedlichen Bedürfnisse des Mittelstands, unter die Räder gerät.

Der natürliche Käufer in diesem Konsolidierungsprozess ist die Commerzbank. Hier sehe ich die Chance für den neuen CEO Martin Zielke. Doch Übernahmen kosten Geld, verwässern die Aktionärsbasis und brauchen Zeit, bis sie sich vorteilhaft auf die Gewinnentwicklung auswirken. Das ist also Zukunftsmusik.


BILLIG IST NICHT GÜNSTIG

Der Buchwert der Commerzbank beträgt 23,50 Euro. Das KGV 2016e ist mit 8 sehr niedrig. Zudem stellt das Unternehmen eine Dividendenrendite von 4% für das laufende Jahr in Aussicht, für 2017 sollen es sogar 4,8% werden. Doch wir müssen beurteilen, ob der Aktienkurs zu niedrig oder die Dividendenrendite zu hoch ist.

In Folge des Brexit ist absehbar, dass die Liquiditätsflutung durch die EZB eher noch länger andauern wird als zuvor geplant. Die Zinskurve wird also für einen noch längeren Zeitraum so flach bleiben, und so weniger Luft für Gewinne im Bankgeschäft lassen als zuvor erwartet. Entsprechend ist die Aktie der Commerzbank seit dem Brexit um 20% eingebrochen. Die Aktie notiert auf einem Allzeittief. Zur Jahrtausendwende stand die Aktie noch bei 264 Euro. Mit aktuell 5,75 Euro kann schon von einem Preis nahe Null gesprochen werden.

Analysten haben in Folge des Brexit ihre Kursziele für die Commerzbank um rund 20% gesenkt und rufen nun Ziele von 6 bis 11 Euro aus. Ich halte das für gewagt, weil wir nun zunächst auf eine Phase zulaufen, in der die Commerzbank ihre Gewinnziele und ggfls. auch ihr Dividendenversprechen reduzieren muss.


CHANCE/RISIKO-ABWÄGUNG

Im besten Fall haben sich inzwischen alle von der Commerzbank verabschiedet, und es kommt zu einer Gegenbewegung. Anschließend setzt die Bankenlobby (wo ist die eigentlich) die EZB unter Druck, dass das Zinsniveau endlich wieder normalisiert wird. Volkswirtschaftliche Modelle spucken einen derzeit angemessenen Leitzins für Europa von 1-2% aus, nicht 0%. Für Deutschland lägen wir bereits deutlich über 2%. Supermario flutet die Märkte und setzt damit wichtige Marktmechanismen außer Kraft.

Zudem könnte im Rahmen des meiner Einschätzung nach schon bald aufkommenden Konsolidierungsdrucks die Commerzbank als aktiver Käufer auftreten und die Basis für ein margenschwaches aber großvolumiges Geschäft in der Zukunft legen.

Kurse nehmen Entwicklungen vorweg. Es müssten sich diese Entwicklungen nur abzeichnen, um der Commerzbank-Aktie Auftrieb zu geben.

Im schlimmsten Fall wird die Commerzbank ihre Gewinn- und Dividendenaussicht schon bald senken, ohne einen hoffnungsvollen Ausblick zu geben. Supermario sitzt fest im Sattel, und nach dem Brexit gibt es kein Halten mehr für den Regulierungswahn Brüssels. Die Commerzbank wird so stark geschwächt, dass sie schließlich selber als Übernahmeziel ins Gerede kommt – zu einem wesentlich günstigeren Aktienkurs.


FAZIT

Ich brauche mir gar nicht die Mühe machen, einen vermeintlich fairen Kurse zu errechnen, denn die Commerzbank ist gefangen in politischen Entscheidungen. Sie hat ihr Schicksal nicht selbst in der Hand. Der bislang stärkste Mitstreiter, die Deutsche Bank, ist mit juristischen Auseinandersetzungen so weit in die Ecke getrieben, dass Lobbyarbeit derzeit gar nicht mehr möglich ist. Es fehlt die Einsicht des Volkes, dass der deutsche Mittelstand durch die EZB und Brüssel stark unter Beschuss ist.

Ich werde die Commerzbank im Auge behalten, denn vieles sieht danach aus, dass die Verkäufer sich inzwischen verausgabt haben. Eine kurzzeitige Gegenbewegung ist überfällig und bedarf vermutlich nur eines kleinen Auslösers. Doch solange kein Politikwechsel stattfindet, wird die langfristige Tendenz der Aktie weiter gen Süden zeigen.
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